Über die tödliche Messer-Attacke in Trossingen wird auch im Internet heftig diskutiert. (Symbolfoto) Foto: dpa

Nachgefragt: Wie geht Polizei mit öffentlicher Diskussion um Straftaten um? "Kommentare können beleidigend sein."

Trossingen - Soziale Netzwerke wie Facebook oder Twitter bieten Menschen auf der ganzen Welt eine Plattform, um über unterschiedlichste Dinge zu diskutieren. Eine vielfach kontroverse Diskussion löste auch die tödliche Messerattacke auf eine 45-Jährige in Trossingen am Samstagabend aus. Wie aber geht die Polizei mit der öffentlichen Diskussion um Straftaten eigentlich um? Wir haben bei Thomas Kalmbach vom Polizeipräsidium Tuttlingen nachgefragt.

In den sozialen Medien wird bereits ausgiebig über den mutmaßlichen Mord in Trossingen diskutiert. In solchen Diskussionen tauchen immer öfter Kommentare auf, die Fremdenhass oder Gewaltaufrufe zum Ausdruck bringen. Wie gefährlich schätzt die Polizei solche Kommentare ein?

Wer schätzt, kann fehlen ... Deswegen ist die Polizei mit solchen Gefahreneinschätzungen äußerst vorsichtig. Wir sind uns der von Ihnen beschriebenen Meinungsströmungen sehr wohl bewusst und tun eines sicher nicht: sie unterschätzen!

Sind sie strafbar?

Kommentare können beleidigend sein, sie können verleumden, ja sie können im Extremfall auch jemanden körperlich schädigen. Das sind strafbare Handlungen. Wer in Blogs ganz bewusst und gezielt zu Gewalttaten auffordert oder solche Straftaten konkret androht, verstößt gegen geltendes Recht.

Verleiten derartige Kommentare Menschen eventuell zur Selbstjustiz?

In der Regel nicht. Wenn, dann sind es absolute Einzelfälle – was allerdings auch schon zu viel ist.

Hat die Polizei ein Auge auf solche Diskussionen in den sozialen Medien?

Haben wir, aber immer anlassbezogen und zielgerichtet. Wenn wir konkrete Hinweise auf strafrechtlich relevantes Verhalten bekommen, schauen wir uns das natürlich an. Wenn "Blogrecherchen" in einem Kriminalfall neue Ermittlungsansätze versprechen, werten wir solche Diskussionsforen auch intensiv aus.

Polizei und Staatsanwaltschaft gehen in solchen Fällen oft ungern an die Öffentlichkeit. Wer entscheidet, wann und wie viel an die Presse gegeben wird?

Die Staatsanwaltschaft ist die Herrin des Verfahrens, somit auch des "Presseverfahrens". Sobald die Staatsanwaltschaft in einen Fall involviert ist, wird sie – nach vorheriger Abstimmung mit der Polizei – das letzte und entscheidende Wort haben.

In dem aktuellen Fall ist der mutmaßliche Täter bereits gefasst. Weshalb hält man sich hier noch mit Informationen zurück?

Erstens: Allein die Tatsache einer Festnahme kurz nach der Tat heißt noch lange nicht, dass der Fall jetzt in "trockenen Tüchern" ist. Zweitens: Möglicherweise kommt der Festgenommene auch noch für weitere Delikte als Täter in Frage. Die Polizei braucht ein objektiv gesichertes Gesamtbild. Und um sich dieses zu beschaffen, braucht sie Zeit. Sie werden von uns deswegen immer nur das erfahren können, was fest steht und was wir aus taktischen Erwägungen heraus vertreten können. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.

Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Polizei durch Öffentlichkeitsinformationen Hinweise erhält, die bei der Aufklärung helfen? Und wie wahrscheinlich ist es, dass dies die Ermittlungen eher behindert?

Das ist schwer zu prognostizieren – wir hoffen natürlich immer auf möglichst viele, hilfreiche Hinweise. Und als behindernd werden wir es nie empfinden, wenn sich unsere Bevölkerung auf diese Art aktiv an der Aufklärung eines Falles beteiligt. Ganz im Gegenteil: lieber zehn Hinweise zu viel, als einen entscheidenden zu wenig.