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Beschreibungen aus früheren Zeiten fördern Interessantes zu Tage / Zulauf aus anderen Orten lässt in Triberg Ertrag von Heidelbeeren schwinden

Obervogt Noblat, Heidelbeeren, Tiroler Salz – enthält ein einziges Schreiben eine solche Fülle an Themen, so kann es sich nur um eine Beschreibung der Herrschaft Tryberg oder eine Klageschrift der Untertanen gegen ihren Obervogt handeln.

T riberg. Franz Xavery Noblat, in dessen Amtszeit die Wallfahrtskirche Maria in der Tanne gebaut wurde, war ein vielgeplagter Mann. Unter den Auswirkungen des Spanischen Erbfolgekrieges litt die Bevölkerung schwer. Ein Wort, das damals Entsetzen auslöste, hieß "Kontribution". Geld und Naturalien mussten in großem Umfang an die eingedrungenen Gegner abgeben werden.

Den Obervogt aber beunruhigten zudem auch Nachrichten vom Kriegsgeschehen in der Umgebung. Über diese Umstände sind noch heute stapelweise unbearbeitete Akten im Generallandesarchiv in Karlsruhe erhalten.

Die Herrschaft zu verwalten war fast unmöglich, da die Statuten unauffindbar waren und man sich auf das Gedächtnis stützen musste. Aus eigenem Antrieb reisten Bauern nach Wien, um die Originalfassung zu besorgen. Und jetzt auch noch dies: Heftigen Vorwürfen sah sich 1706 und 1707 Obervogt Noblat ausgesetzt. In 43 Punkten formulierten die Bürger ihre Unzufriedenheit.

Die Vögte sind bei den Lasten der Untertanen außen vor

Die meisten sind heute uninteressant, weil sie sich gegen die Statuten richteten und sich die Kläger über ihre Erfolglosigkeit hätten im Klaren sein müssen. Einige wenige aber sind noch heute von Bedeutung, weil sie das Alltagsleben vor Augen führen – und das auf sehr verschiedenen Gebieten.

Gleich der erste Punkt führt Klage darüber, dass die Vögte in den zehn Gemeinden der Herrschaft an den Lasten der Untertanen keinen Anteil nehmen. Das Beispiel: zu "Wachten" werden sie nicht herangezogen. Die Regierungsstelle in Freiburg antwortete darauf: Sie seien mit Diensten genug beschwert, zumal in diesen kriegerischen Zeiten sie auch Gefahren ausgesetzt seien.

Die folgenden zwei Beispiele führen uns in die Wälder der Herrschaft. Dass die Jagd ganz in der Hand der Obrigkeit lag, empfand man als Anmaßung. Einst habe die "freye Bürst" (Pirsch) bestanden. Diese wollte man nun wieder haben – ein aussichtsloses Begehren.

Alle Vorgänger Noblats machten vom Jagdrecht unwidersprochen Gebrauch. Rechtens war sogar – und das ist für uns neu – dass "hierzulande kleine Pueben zur Durchklopfung der Wälder herangezogen wurden". Damit konnten nur Treibjagden gemeint sein. Zudem soll es Exzesse gegeben haben. Einzelheiten werden nicht gemeldet.

Dass nach "lustiger Jägerei" das Jagdglück ausgiebig begossen wurde, liegt hierbei nahe. Selbstverständlich ordnete die Regierung die Einstellung von Auswüchsen jeder Art an.

Wallfahrt rentiert sich schon früh für die kleine Stadt

Der nächste Artikel mutet geradezu modern an: Es dreht sich um den Naturschutz. "Weilen die Haidlbeeren zwei Tag in der Wochen zu brechen erlaubt geweßen", beschweren sich die Waldbesitzer "über den übermäßigen Zuelauf der Leüthen auß anderen Orthen".

So fehlten die Heidelbeeren einerseits den Einheimischen, andererseits vertrieben fremde Heidelbeersucher das Wild aus den Wäldern, und das "wilde Geflügel, so die Nahrung von diesen Behren hat, (wurde) zu großem Schaden verjagt". Ein Beispiel ist der Auerhahn, zu dessen Nahrung auch Heidelbeeren gehören.

Nicht zu ändern war die Bestimmung – keine Aussicht auf "Vergnügung" in damaliger Ausdrucksweise – Salz aus Tirol, sogar aus Gmunden in Oberösterreich beziehen zu müssen. Das war kaiserliches "Regal" (Recht). Die Übertretung, um an billigeres Salz zu kommen, war mit einer "unausbleiblich grosen Straf" verbunden.

Im Gegensatz dazu hatten die Triberger Wirte keinen Grund zur Klage. Zwei Jahre nach der Erbauung der Wallfahrtskirche (1705) gab es offenbar einen Wirtshausboom, so groß war der Zulauf "der fremden Bilgern". Dies ist die bislang früheste Nachricht dafür, wie sich die Wallfahrt finnanziell für die kleine Stadt rentierte.

Die lange Liste an Vorwürfen konnten den Obervogt allerdings nicht aus der Ruhe bringen. Seine Antwort war, dass seine Untertanen "immerdar das alte Lied singen, vihl räden und wenig erweisen, allermassen sie alles, waß sie hören, oder waß vielleicht ihnen träumet, für eine Wahrheit schreiben derften".