An einer der Längswände des Ratssaals sind Darstellungen des heimischen Triberger Handwerks zu sehen. Eine Besonderheit ist auch das Telefon (links) dessen Korpus vollständig aus Holz gestaltet wurde. Fotos: Limberger-Andris Foto: Schwarzwälder-Bote

Kunst: Im Triberger Rathaussaal lässt sich von den Wänden viel über das Leben vor 90 Jahren ablesen

Von Stefan Limberger-Andris

Der Triberger Rathaussaal, auf den auch die heutigen Stadtväter noch stolz sind, wurde vor 90 Jahren, also 1926, innerhalb weniger Monate gefertigt.

Triberg. Der aus Triberg stammende Karl Josef Fortwängler (1876 bis 1960), auch Schnitzersepp genannt, gestaltete die Wände aus Kiefernholz im Saal zusammen mit einheimischen Künstlern und Handwerkern. Die Schlosserarbeiten erledigten die Brüder Karl und Wilhelm Maier, die Hafnerarbeiten von Meister Lienhard, die Holzdreharbeiten von Meister Kern und die Schreinerarbeiten von den Herren Klausmann, Fischer & Santel, Haas und Rimprecht.

Karl Josef Fortwängler wollte mit seinem Werk das Leben und die Kultur in der Stadt und auf dem Land exemplarisch darstellen. Handwerk, Handel, die Arbeit der Stadtverwaltung rückte er in den Mittelpunkt des künstlerischen Schaffens. Jedoch auch die Dramatik in der Natur zeigte er in beeindruckenden symbolhaften Szenen.

Darstellungen vom Kampf des Stärkeren mit dem Schwächeren

Überhaupt wollte der Künstler das Fries an einer der Längsseiten des Ratssaales mit seinen Darstellungen vom Kampf des Stärkeren mit dem Schwächeren in der Natur als Mahnung an die Ratsmitglieder verstanden wissen. Die Gedanken des Gremiums und die Entscheidungen sollten auch dem Schwachen gelten. Darüber hinaus sollten Darstellungen wie die des urwüchsigen Schwarzwälders, am Boden liegend im Kampf mit einem Raubvogel verstrickt, das existenzielle Ringen auf kargem Boden aufzeigen. Figuren auf zwei langen Säulenreihen verweisen auf das blühende Handwerk in der Stadt in mannigfaltigen Facetten. Karl Josef Fortwängler griff in der Gestaltung der Säulenreihen auf Renaissanceelemente zurück. Der Künstler bewegte sich damit durchaus im künstlerischen Zeitgeist der 1920er Jahre, die gerne aus jener europäischen Kulturepoche hauptsächlich des 15. und 16. Jahrhunderts Ausdrucksformen entlehnte, um kulturelle Leistungen der griechischen und römischen Antike nach dem ausklingenden Mittelalter wieder zu beleben. Karl Josef Fortwängler entwickelte seine Kunst zu einem doch eigenwilligen "Wälderstil", der nichts mit "historischen Stilarten zu tun" haben sollte, wie in einer Abhandlung über ihn zu lesen ist.

Bürgermeister samt dem achtköpfigen Gemeinderatsgremium

Ungewöhnlich erscheint die Darstellung des damaligen Bürgermeisters samt dem achtköpfigen Gemeinderatsgremium am hinteren Kopfende des Ratssaales, alle wohl in einer Diskussion während einer Sitzung. Als Erklärung könnte angeführt werden, dass sich der Künstler mit der Darstellung bei Bürgermeister Ewald Keil (Amtsinhaber von 1924 bis 1945) bedanken wollte, der ihm ein Werk diesen Ausmaßes anvertraute. Der Bürgermeister hatte im Vorfeld für eine positive Stimmung in der Bevölkerung und der Bürgervertretung gesorgt, die diesem Vorhaben durchaus kritisch gegenüber standen. Auffallend sind auch die biblischen Darstellungen an einem Kopfende des Ratssaales, gegenüber der Darstellung der Ratsmitglieder. Auch dies wohl eine Mahnung, in den Entscheidungen des Gremiums nie den Blick auf den Glauben an Gott zu verlieren.

Der Bürgerausschuss votierte am 14. Juli 1926, an einem Mittwoch, für die künstlerische Umsetzung des Vorhabens. Bereits am zweiten Weihnachtsfeiertag, am Sonntag, 26. Dezember 1926 war das Werk vollbracht und wurde vorgestellt.

Nur wenige Jahre kam es zum Zerwürfnis mit der Stadt. Karl Josef Fortwängler siedelt nach Freiburg um. Weder in seiner Heimatstadt noch später in der Breisgau-Metropole gelang allerdings sein Vorhaben, eine Meisterwerkstatt aufzubauen. Dort hätten, so seine Vorstellung, in einer Schnitzerschule junge Schwarzwälder Talente aufgebaut werden sollen.