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Feuer in Behindertenwerkstatt: Feuerwehr vor erstem Hilferuf am Ort. Brandursache noch ungeklärt.

Titisee-Neustadt - Noch am Abend prägen Blaulicht, Krankenwagen, Notärzte und eine riesige Anzahl von Einsatzkräften den Ort der Brandkatastrophe in Titisee-Neustadt. Für 13 Behinderte und eine Betreuerin in der Behindertenwerkstatt kam am Montagnachmittag jede Hilfe zu spät.

Ferienort steht unter Schock

Der malerische Ferienort im Hochschwarzwald steht unter Schock. Auch der Caritasverband Freiburg-Stadt zeigt sich entsetzt: "Wir sind völlig fassungslos, wie in einer modernen und gut ausgestatteten Werkstatt am helllichten Tag eine solche Katastrophe passieren kann", sagt der Stellvertreter des Vorstands, Rainer Gantert, und kämpft mit den Tränen. Zur Brandursache kann Gantert zunächst keine Angaben machen. Die Sicherheitsvorkehrungen würden nach jetzigem Stand "absolut jeglichen Anforderungen" entsprechen.

Die Polizei hat eine Ermittlungsgruppe eingerichtet. Die ganze Nacht über werde nach der Brandursache gesucht, sagt ein Polizeisprecher. Im Einsatz seien Brandsachverständige und Spezialermittler. Wegen des Feuers und des Rauches habe es im Inneren des Gebäudes große Schäden gegeben. Die Spurensuche sei daher schwierig. Ursache und Schadenshöhe seien noch unbekannt.

Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) und Innenminister Reinhold Gall (SPD) machten sich am Abend der Katastrophe zusammen mit Landrätin Dorothea Störr-Ritter (CDU), Regierungspräsidentin Bärbel Schäfer (parteilos) und Bürgermeister Armin Hinterseeh (CDU) vor Ort ein Bild vom Ausmaß des Unglücks. Der Besuch in Titisee-Neustadt sei eine Selbstverständlichkeit für ihn gewesen, so der Ministerpräsident, der sich tief betroffen zeigte.

"Ich denke an die armen Menschen, die Opfer zu beklagen haben", sagte auch Bundespräsident Joachim Gauck am Abend. Er habe mit Kretschmann telefoniert und sein Beileid ausgedrückt. EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso ließ mitteilen, sein Beileid gelte den Familien und Freunden der Opfer und ganz Deutschland.

Der Brand in der Caritas-Werkstatt "St. Georg" in Titisee-Neustadt war gegen 14 Uhr im Hochparterre des Gebäudes ausgebrochen. Ein Brandmelder gab direkt bei der Feuerwehr Alarm, noch bevor überhaupt ein Hilferuf aus dem Haus kam. Die Feuerwehr war um 14.04 Uhr am Brandort, wie Kreisbrandmeister Alexander Widmaier berichtet: Menschen hätten im schwarzen Rauch an den Fenstern gestanden und um Hilfe gerufen. Der Einsatz sei "massiv" und "eine besondere Herausforderung" gewesen, 120 Feuerwehrleute, 100 Polizeibeamte, 80 Rettungskräfte des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) und zwei Rettungshubschrauber waren vor Ort. Die Rede ist vom größten Katastropheneinsatz in der Geschichte der Stadt. Das Feuer in Titisee-Neustadt ist eine der größten Brandkatastrophen im Land überhaupt.

Die Retter konnten 14 Personen aus dem brennenden Gebäude befreien. Sechs Personen mussten laut Feuerwehrhauptmann Gotthard Benitz aus Titisee-Neustadt ins Krankenhaus gebracht werden, insgesamt ist von acht Verletzten die Rede. "Lebensgefahr besteht zum Glück nicht", so Benitz, der sich tief betroffen von dem Feuerunfall zeigte: Die Bilder dieses Tages werde man noch lange vor sich sehen.

Caritas-Vorstand dankt Rettungskräften unter Tränen

Warum so viele Menschen trotz des schnellen Eingreifens der Rettungskräfte ihr Leben verloren, ist derzeit noch Gegenstand von Vermutungen: zum einen, so Polizeisprecher Karl-Heinz Schmid, ist Rauchgas extrem giftig und führt praktisch sofort zur Bewusstlosigkeit, zum anderen waren in dem Gebäude auch viele mehrfach behinderte Menschen beschäftigt. Wie diese bei einem Feuer reagieren, ließ sich gestern nicht sagen. "Wir haben es mit Menschen zu tun, die naturgemäß nicht rational reagieren", so Kreisbrandmeister Widmaier. Noch Stunden nachdem das Feuer gelöscht war, stand ein geistig behinderter Mann in der Nähe des Unglücksortes und rief immer wieder: "Alles brennt, alles brennt!"

Eine Tragödie habe eine wichtige Einrichtung in der Stadt getroffen, so Bürgermeister Hinterseeh am Abend. Der Freiburger Staatsanwalt Peter Häberle sagte am Katastrophenort, dass für die weiteren Ermittlungen bereits ein Brandsachverständiger hinzugezogen worden sei. Berichte, wonach es vor dem Feuer zu einer Gasexplosion gekommen sein soll, wollte der Freiburger Polizeichef Alfred Oschwald zunächst nicht bestätigen: "Ein Anrufer hat aber von einem Knall berichtet", so Oschwald. Ob es diesen Knall wirklich gab, wird nun ein Gegenstand der weiteren Untersuchungen sein. Klar sei aber, dass in dem Gebäude "viel mit Holz" gearbeitet werde, so Caritas-Vorstand Egon Engler, der unter Tränen den Rettungskräften für ihre Arbeit dankte.

Auch Caritas-Präsident Peter Neher bekundete Trauer und Betroffenheit: "Wir sind überzeugt, dass alle Mitarbeitenden in den vielen Einrichtungen und Diensten in Gedanken bei den Verstorbenen und ihren Angehörigen sind. Die Caritas in Deutschland trauert."

Zahlreiche Menschen konnten sich nach dem Ausbruch des Feuers selbst aus dem Gebäude befreien. "Die Aufregung war natürlich groß", sagt ein Mitarbeiter einer benachbarten Event-Agentur. Hier und in anderen Betrieben rund um das Caritas-Gebäude wurden schnell und effizient Notlager für die Betroffenen eingerichtet.

Betreuer für Opfer und traumatisierte Retter im Dauer-Einsatz

Bürgermeister Hinterseeh lobte die große Unterstützung, die von allen Nachbarn für die Unglücksopfer sofort gekommen sei. Insgesamt seien rund 120 Personen zu betreuen gewesen, viele Angehörige hätten vor Ort nach ihren Familienmitgliedern gesucht. Manche werden erst nach Stunden, in Decken gehüllt und mit Tränen in den Augen, behutsam vom Katastrophenort weggebracht.

Die Situation sei "dramatisch" gewesen, so der Freiburger DRK-Geschäftsführer Wolfgang Schäfer-Mai nach dem Brand, der innerhalb von zwei Stunden gelöscht werden konnte. Insgesamt waren gestern 15 Betreuer in der akuten Seelsorge des Roten Kreuzes vor Ort für Opfer und traumatisierte Retter gleichermaßen im Einsatz. Und sie betreuen das Nottelefon unter der Nummer 07651-2060, das die Stadt für Angehörige eingerichtet hat: Wer genau bei dem Brand sein Leben verloren hat, war am Abend noch ungeklärt, so Polizeichef Oschwald.

Ministerpräsident Kretschmann sagte sichtlich von der Katastrophe berührt, er sei sprachlos und "tief erschüttert" angesichts des Unglücks. Er dankte den Rettungskräften für ihren Einsatz und überbrachte Worte der Anteilnahme und Trauer der Landes- und Bundesregierung. Sozialministerin Katrin Altpeter (SPD) sagte in einer ersten Reaktion in Stuttgart, der Montag sei für sie ein "Tag der Trauer und des Schmerzes über so viele Opfer".

Im Freiburger Münster beteten am Abend Menschen für die Opfer von Neustadt, Weihbischof Bernd Uhl zeigte sich als zuständiger Bischof für die Caritas-Arbeit im Erzbistum Freiburg bei einem Besuch am Brandort ebenfalls von dem Unglück erschüttert. Erzbischof Robert Zollitsch teilte in Freiburg die Bestürzung: "Wir beten für die Opfer, ihre Angehörigen und Freunde sowie für alle Rettungskräfte. Den Menschen, die bei der Feuerkatastrophe verletzt wurden, gelten unsere mitfühlenden Gedanken."