Im Einsatz: Rubin (Meret Becker) und Karow (Mark Waschke) Foto: rbb

Die Berliner „Tatort“-Ermittler Nina Rubin und Robert Karow werden Zeuge einer „Amour fou“. Der fünfte Fall mit dem Ermittler-Duo kommt verrätselt-symbolisch daher, sichert sich beim Thema Homophobie aber mit allzu expliziten Botschaften ab.

Stuttgart - Vorn die Ostsee, hinten die Friedrichstraße, ja, das möchtste. „Amour fou“, der neue Berliner „Tatort“, macht Tucholskys Träumerei vom unmöglichen Leben wahr: Meereswellen rauschen an den Strand, am Horizont schält sich die Silhouette der Hauptstadt aus der Morgendämmerung. Märchenhaft. Umso krasser die Wirklichkeit: Der beginnende Tag konfrontiert Nina Rubin (Meret Becker) und Robert Karow (Mark Waschke) mit einer verkohlten Leiche in einer Berliner Laube.

Weniger schön ist auch die Realität im Neuköllner Rollbergkiez, wo der Lehrer Enno Schopper in einer Brennpunktschule unterrichtete, allerdings kurz vor seinem Tod beurlaubt worden war: Jemand will gesehen haben, wie der offen in schwuler Ehe lebende Pädagoge in der Umkleide Sex mit dem Schüler Duran hatte. Der ist seither angeblich mit seinem Vater verschwunden – und deshalb dringend tatverdächtig.

Entrückt – so wirkt auch Ennos Ehemann Armin (Jens Harzer), der als Betrogener ebenso ein Motiv hätte. Der verhuscht säuselnde Softie liest Baudelaires „Les fleurs du mal“, bringt sein Industriellensohn-Erbe durch und hat mit seinem Enno Ersatzfamilie für Duran gespielt – als „Mutti“, wie er selber sagt. Sie wollten dem Jungen aus dem Siedlungsgetto angeblich eine Perspektive bieten.

Bis zum Schluss in der Schwebe

Oder war dieses patenschaftliche Engagement nur ein Deckmäntelchen für den Missbrauch eines Minderjährigen? Was es mit dem Trio Enno-Armin-Duran auf sich hat, halten die Regisseurin Vanessa Jopp und der Autor Christoph Darnstädt fast bis zum Schluss in der Schwebe, spielen dabei mit Schwulen-Stereotypen und –Klischees. So ist in diesem „Tatort“ vieles im Fluss, so wie die Meereswellen - Symbol für Träume und eben die von Charles Trenets Chanson „La mer“ passend untermalte Amour fou. Schade aber, dass dieses Verrätselt-Symbolische des nach vier miteinander verbundenen Folgen in sich abgeschlossenen Krimis letztlich versandet und man sich beim Thema Homophobie doch mit expliziten Botschaften absichert.

Eher aufdringlich horizontal weiter geführt wird Karows undurchschaubares Sex-Leben. Dafür darf der alte Zyniker wieder ein paar hübsche Sprüche vom Stapel lassen: „Dankbarkeit ist der Oralsex-Trigger in der bürgerlichen Ehe“ schlaumeiert er; „Ich ficke alles, was nicht rechtzeitig auf dem Baum ist“, lässt er Rubin auflaufen, die ihn verdächtigt, mit dem schwulen Witwer ins Bett gestiegen zu sein. Und was macht Rubin? Die wirft zwar ihre Nightlife-Klamotten in die Tonne, um mit ihrem Ehemann wieder auf Familie zu machen, doch dann trifft sie eine wichtige Entscheidung. Am Meer, aber für die Stadt.