An der Felswand soll sich der Wald zu einer Wildnis entwickeln. Foto: Steinmetz

Alt- und Totholzkonzept des Landes wird in Sulz umgesetzt. Öko-Punkte können gesammelt werden.

Sulz/Dornhan - "Jetzt kommen wir in den Märchenwald", sagt Norbert Utzler. Der Eindruck verstärkt sich durch das Licht der Abendsonne. Der Förster zeigt auf die beleuchtete Felswand. Ein Landschaftsmaler der Frühromantik hätte seine Freude an diesem idyllischen Ort im Sulzer Staatsforst gehabt. 50 Meter weiter oberhalb, auf Sigmarswanger Gemarkung, beginnt die Flur.

Das Forstamt will diesen Hangwald mit hohem Laubholzbestand als Refugium ausweisen: Das sind Waldflächen ab einem Hektar Größe, die sich selbst überlassen bleiben. Ein Urwald wird bei dem eher spärlichen Bewuchs an den Felsen wohl nicht entstehen. Der stellvertretende Kreisforstsamtsleiter spricht lieber von einer Wildnis, die sich im Laufe der Zeit entwickeln soll.

Im Alt- und Totholzkonzept des Landes Baden-Württemberg sind solche Waldrefugien vorgesehen. Sie werden vernetzt mit Habitatbaumgruppen: kleinen Flächen mit etwa 15 Bäumen, die ebenfalls sich selbst überlassen werden. Oberhalb des Radwegs Richtung Aistaig liegt ein solches Biotop, in das der Förster nicht eingreift. Heruntergefallene Äste bleiben liegen. Abgestorbene Bäume fallen um und vermodern. Bäume mit Hohlräumen bieten Nistplätze für Vögel.

Für eine Habitatbaumgruppe eigenen sich besonders Laubbäume. "Die Fichten werden wir herausnehmen, weil sie nicht hierhergehören", erklärt Utzler. Auch mit Blick auf den Borkenkäfer, dessen Ausbreitung natürlich verhindert werden soll.

Der weiße Kringel an einem Baum weist auf die geschützte Waldfläche hin. Ausgesucht wird sie vom Revierleiter, der das Areal zudem über Satellit per GPS vermisst. Die Waldarbeiter müssen wissen, wo sich eine Habitatbaumgruppe befindet. Sie ist nämlich mit Gefahren verbunden. "Da gab es schon schwere Unfälle", weiß Utzler. So sei in Freudenstadt ein Waldarbeiter von einem herabfallenden Ast getroffen worden. Aus Sicherheitsgründen dürfen diese kleinen Waldinseln auch nicht in der Nähe von Rad- und Spazierwegen liegen.

Inzwischen wird den Kommunen das Alt- und Totholzkonzept mit Waldrefugien und Habitatgruppen damit schmackhaft gemacht, dass sie Öko-Punkte sammeln können. Diese werden als Ausgleich für versiegelte Flächen, etwa durch die Erschließung neuer Baugebiete, benötigt. Pro Hektar gibt es 40 000 Öko-Punkte.

Klar sein müsse man sich jedoch, dass mit der Ausweisung von Waldrefugien und Habitatbaumgruppen auf Dauer zwischen vier bis fünf Prozent der Waldfläche stillgelegt werden. "Da gehen Einnahmen verloren", erklärt Utzler. Lukrativ könnte es für Kommunen aber dann werden, wenn an Steilhängen wie am Neckar Flächen gefunden werden, die nur sehr schwer zu bewirtschaften sind und kaum oder keinen Gewinn abwerfen. In dem Fall zahlen sich Öko-Punkte aus.

"Wir haben das mit Interesse zur Kenntnis genommen, wollen es aber nicht offensiv angehen", meint dazu der Dornhaner Bürgermeister Markus Huber. Öko-Punkte könnte er durchaus noch brauchen. Dafür aber Waldflächen der Bewirtschaftung zu entziehen, daran denkt Huber im Moment nicht. Für den Sulzer Bürgermeister Gerd Hieber war das, wie er auf Anfrage zugibt, bisher noch kein Thema.