Bernhard Rüth (links) und Hartmut Walter von der Stadt Sulz betrachten die kunstvoll gefertigten Krippenfiguren. Fotos Cools Foto: Schwarzwälder-Bote

Ausstellung: Schwäbisches Brauchtum und Kunst rund um das Weihnachtsfest sind im Wasserschloss zu sehen

Vom Kirchen- zum Familienfest – wie Weihnachten gefeiert wird, hat sich im Laufe der Jahrhunderte verändert. Unter dem Thema "Weihnachtsbräuche und -kunst im schwäbischen Raum" wird auf 500 Jahre Festkultur zurückgeblickt, aber auch der Bogen zur Gegenwart gespannt.

Sulz-Glatt. Vorsichtig platziert Ulrich Scheller die filigrane Josef-Figur auf dem Boot. Der 68-jährige Krippenbauer aus Schramberg hat acht Stücke aus seiner Sammlung ins Wasserschloss nach Glatt gebracht. Zwei davon wurden von "Krippenpapst" Karl-Otto Schimpf selbst geschaffen, mit dessen Familie Ulrich Scheller stets guten Kontakt pflegte.

Derzeit ist der Fürstensaal des Wasserschlosses die "Werkstatt des Christkindes", wie Kreiskulturamtsleiter Bernhard Rüth meint. Aber Moment mal – Josef auf einem Boot als Krippenszene? In der Tat hat Schellers Vater Max mit der "Flucht im Kahn" ein Kriegserlebnis in der eisigen Landschaft am Dnepr (Ukraine) verarbeitet. 1963 schuf er diese Darstellung mit dem damals 14-jährigen Sohn.

Sie zeigt, dass eine Krippe eben längst nicht immer nur Josef, Maria und Jesuskind in einem Stall sein muss. Das "Andachtsmedium", wie Rüth es nennt, habe sich gewandelt. Es nimmt den Großteil der Ausstellung, die unter anderem vom Landkreis Rottweil, der Stadt Sulz und dem Bürger- und Kulturvereins auf die Beine gestellt wurde, ein.

Rund 35 Leihgeber aus dem südwestdeutschen Raum zwischen Offenburg und Augsburg haben insgesamt rund 100 Exponate für acht Themenbereiche beigesteuert, die exemplarisch schwäbische Bräuche zu Weihnachten vom 16. bis zum 21. Jahrhundert darstellen. Die Ausstellung soll dabei nicht nur in weihnachtliche Stimmung versetzen, sondern auch zeigen, wie sich das populärste Fest, das erst seit dem späten zwölften Jahrhundert "Weihnachten" heißt, entwickelt hat.

Schrift als Keimzelle

Die Reise durch die Entwicklungsgeschichte der Weihnachtsbräuche startet bei der Frömmigkeitsliteratur. Die "Inkunabel" (1478), eine sogenannte Erbauungsschrift, bilde die Keimzelle, ja die Wurzel der weihnachtlichen Festkultur, erklärt der Kreiskulturamtsleiter.

Greifbar wird die Weihnachtsgeschichte durch die symbolträchtige Krippe, die gleichzeitig Kunstobjekt und Andachtsmedium ist sowie für das katholische Kirchenfest steht. Anders ist das mit dem Weihnachtsbaum, der seinen Ursprung im bürgerlichen Famienfest mit protestantischer Prägung hat – ein Dualismus. Mittlerweile haben sich beide zu festen Bestandteilen des Weihnachtsfestes entwickelt, unabhängig von der Konfession.

In ihrer ursprünglichsten Form war die Krippe nicht nur als Betrachtungs-, sondern auch als Spielobjekt gedacht. Ihre Hochzeit erreichte die Krippe in der Barockepoche. Besonders auffällig: Die Figuren wurden symmetrisch, nicht dialogisch, aufgestellt. "Es ging um Prachtentfaltung, wie bei der Schlussszene eines Schauspiels", beschreibt Rüth. Auffällig sind zudem Figurenreichtum und Kostümierung.

Während der Aufklärung wurden die Krippen nicht nur belächelt, sondern im öffentlichen Raum sogar mancherorts verboten. Das Objekt erlebte einen Umzug aus der Kirche in den Privathaushalt.

Erst im 20. Jahrhundert wurde die Krippe auch öffentlich wieder gern gesehen. "Man könnte sagen, es gab ein ständiges Auf und Ab der Krippenkultur", erklärt Rüth. Der Kreativität beim Krippenbau waren damals keine Grenzen gesetzt. So sind in der Ausstellung Figuren aus Papier, Ton, Wachs und Terrakotta zu sehen.

Parade der Jesuskinder

Ein wenig befremdlich wirkt die "Parade der Jesuskinder", bei der es sich um Puppen aus dem 18. und 19. Jahrhundert handelt, die mit Gelenken ausgestattet wurden, damit sie umgekleidet und zum Spielen benutzt werden konnten. Sie sollen die Hinwendung zum Jesuskind symbolisieren. Im 20. Jahrhundert wurde die Krippe mit der Musealisierung zu einer elitären Kunstform – die Figuren wurden immer kunstvoller gefertigt.

Nachzuverfolgen ist auch der Wandel des Weihnachtsbaumschmucks von Essbarem zu reiner Dekoration. Neben Bäumen aus eingefärbten Gänsefedern ist auch Christbaumschmuck aus der Kaiserzeit zu sehen.

Der Bogen zur Gegenwart wird schließlich mit stilistischen und inhaltlichen Vergegenwärtigungen der klassischen Krippe gespannt.

Rüth glaubt nicht, dass sie eines Tages verschwinden wird. "Wir sind keineswegs areligiös geworden. Im Pluralismus der Konfessionen muss sich die Krippe bestimmt Raum suchen, kann ihn aber auch finden", so seine Einschätzung zu der Tradition.

Die Eröffnung der Ausstellung "Weihnachtsbräuche und Weihnachtskunst im schwäbischen Raum – 500 Jahre Festkultur" findet am morgigen Samstag, 17. November, um 16 Uhr im Fürstensaal des Wasserschlosses Glatt (drittes Obergeschoss) statt. Die Ausstellung kann bis zum 4. Februar immer freitags bis sonntags von 14 bis 17 Uhr besucht werden.