Konzert: Streicher des Radio-Sinfonieorchesters Stuttgart spielen Mozart und Mendelssohn Bartholdy

Von Hanni Vollmer

Wer klassische Musik nur mit ernsten Gesichtern und steifer Atmosphäre gleichsetzt, wurde an Chrisit Himmelfahrt eines Besseren belehrt. Liebhaber von Violinzauber kamen im ausverkauften Fürstensaal voll auf ihre Kosten.

Sulz-Glatt. Im Rahmen der 20. Horber Musiktage boten acht Streicher des Radio-Sinfonieorchesters Stuttgart des SWR ein ausgesprochen anspruchsvolles Konzert mit schwebender Leichtigkeit und melodischer Wucht. Wie fanden Musiker von einem der besten Orchester Europas, das erst kürzlich in Monte Carlo gastierte, den Weg nach Glatt? "Ich bin seit Jahren mit einem der Initiatoren des SWR befreundet", verriet Sven Gnass mit einem zwinkernden Auge, "Sie werden zufrieden sein, es sind Qualitätsgaranten, sie spielen extrem farbig, kraftvoll, auch leise".

Auf dem Programm standen Werke von zwei Komponisten, die vieles gemeinsam haben. Wolfgang Amadeus Mozart und Felix Mendelssohn-Bartholdy, diese Wunderkinder sind beide mit Mitte 30 gestorben und haben beide ein kaum fassbares Werk hinterlassen. Als erstes erklang Mozarts Sinfonia concertante KV 364 in einer Bearbeitung für Streichsextett. Mozart hat bekanntlich kein Streichsextett geschrieben. Damit diese Sinfonia concertante öfter zu hören war, als es die ungewöhnliche Besetzung zuließ, arrangierte im Jahr 1807 ein Unbekannter das Werk für Streichsextett. Auf diese Weise kann eines der schönsten Werke Mozarts in solistischer Besetzung gespielt werden.

Wie das große Original ist der Charakter des Werkes durch den majestätischen Gehalt der Tonart Es-Dur bestimmt. Die beiden Solostimmen sind auf alle sechs Instrumente gleichmäßig verteilt, so dass ein beständiger Dialog unten den Streichern besteht. Das Allegro Maestoso beginnt mit vollen Akkorden im punktierten Rhythmus. Die Streicher gaben eine schwungvolle, akzentreiche Interpretation der verspielten Läufe ohne glatte Perfektion. Eben wie man Mozart liebt.

Als Mittelsatz folgt ein schwermütiges Andante. Der traurige Satz, besonders das Nachspiel, wurde von den Musikern trotz der kaum in Worte fassenden Melancholie betörend schön gespielt. Im Presto führt das Rondo behutsam zur Lebensfreude zurück bis hin zum Mozartschen Übermut, hüpfig-spritzig gestaltet. Begeisterter Applaus.

Nach der Pause erklang Mendelssohn. Bereits nach dem ersten Satz des Oktetts für vier Violinen, zwei Violen und zwei Violoncelli in Es-Dur op. 20 begann die Atmosphäre im Saal zu flirren. Beinahe provokant, jedoch äußerst virtuos, schleuderten die Musiker dem Publikum eine quicklebendige Musik entgegen, die ein quirliger, kaum 17-Jähriger komponierte. Im nachfolgenden Andante geht die Musik eigene Wege, ruhig, harmonisch, jedoch keineswegs langweilig, geschmeidig, weich interpretiert von den Streichern. Inspiriert von Goethe’s "Wolkenflug und Nebelflor" aus "Faust" ist der dritte Satz, das Scherzo. Mendelssohn setzt hier den Zauber der Walpurgisnacht kunstvoll in staccato und pianissimo zusammen. Federleicht schwingt sich die erste Geige zum Schluss in die Höhe. Einfach brillant und mit besonderer musikalischen Energie spielten die Musiker auch das furiose Finale und erzeugten Gänsehaut pur.

Als ein Geniestreich wird das Oktett bezeichnet. Die Streicher lebten es von der ersten bis zur letzten Note und boten wunderschöne Klangnuancierung und leuchtende Tiefe. Kaum zu glauben, man sah ihnen in keinster Weise irgendeine Anstrengung an, nur dass sie Spaß hatten. Insgesamt ein Hörerlebnis erster Güte.

Der nicht enden wollende Beifallssturm ging über zu stehenden Ovationen. Den dritten und vierten Satz des Oktetts, das Scherzo und das Presto bekam das Auditorium als Zugabe nochmals zu hören.