Mehrere Boote mit einer Lehrerin und Jugendlichen sind bei dem Unwetter am Mittwoch gekentert. Foto: Hopp/Danner

Schulklasse wird auf dem Neckar von Gewitter überrascht. Kanuverleiher weist Vorwürfe von sich: "Unwetter war nicht vorhersehbar."

Sulz-Fischingen/Horb - Am Neckarufer bei Fischingen wuselt‘s nur so. Kurz vor den Ferien hat der Kanuverleih Neptun alle Hände voll zu tun. Schulklassen verlegen ihre Wandertage aufs Wasser, Firmenmitarbeiter treffen sich zum Betriebsausflug zur Flussfahrt. Inhaber Klaus Weiblen und seine Mitarbeiter sind schwer beschäftigt. Sie weisen ein, helfen beim Anlegen der Schwimmwesten, lassen die Boote zu Wasser und holen die Kunden nach deren Ankunft in Horb wieder ab.

Gegen Mittag kommt die erste Gruppe zurück. Menschen mit zufriedenen Gesichtern steigen aus dem kleinen Bus. "Es war sehr schön", sagen sie. Jetzt wollen sie noch grillen.

Vom Unwetter am Mittwoch ist am Donnerstagvormittag nichts mehr zu sehen. Dass eines im Anzug war, habe er auch nicht kommen sehen, sagt Klaus Weiblen. Wie berichtet, kenterten einige Boote, Schüler und eine Lehrerin retteten sich bei Horb ans Ufer, wurden dort von der Polizei aufgelesen und in den Räumen eines Einkaufsmarkts mit warmem Tee, trockener Kleidung und belegten Broten versorgt. Vier Realschüler aus Neuffen kamen sogar mit Unterkühlung ins Krankenhaus. Der Hagel hatte sie zudem malträtiert.

Von einer anderen Gruppe gibt es gestern schwere Vorwürfe. Matthias Rehfuß von der Stadtverwaltung Calw schreibt eine E-Mail an unsere Redaktion. Mit seinen Kollegen hatte er eine Kanufahrt auf dem Neckar gebucht. Auf die Frage, was denn zu tun sei, falls man in ein Gewitter käme, habe man zur Antwort bekommen: "Was wollen Sie denn machen – weiter paddeln. Ein Ausstieg bei Gewitter ist nicht möglich. Auf dem Neckar sind Sie am sichersten. Es ist noch nichts passiert, aber da kommt heute auch nichts."

Von den zwölf Booten, mit denen die Mitarbeiter des Fachbereichs Steuerung und Service der Calwer Verwaltung unterwegs war, seien allerdings nur zwei ans Ziel gekommen. Dramatische Szenen hätten sich abgespielt. Umgestürzte Bäume hätten den weiter fahrenden Boten die Durchfahrtsmöglichkeit versperrt. Während des Unwetters habe eine Kollegin Kontakt mit dem Veranstalter aufgenommen. Dessen einzige Sorge sei gewesen: "Wo sind meine Boote?«.

Klaus Weiblen betreibt seinen Kanuverleih seit 32 Jahren. Über derlei Vorwürfe kann er nur den Kopf schütteln. Als besagte Gruppen den Ablegeplatz in Fischingen verließen, "da war hier blauer Himmel«. Als er das Unwetter nahen sah, habe er weitere Betriebsausflügler nach Hause geschickt. "Sicherheit geht vor. Das tun wir uns doch gar nicht an. Wenn da was passiert?«

Der Horber Feuerwehrkommandant Markus Megerle hat die Situation ähnlich erlebt. Als die Unwetterwarnung bei der Feuerwehr angekommen sei, war es quasi schon da. "Dann ging alles Schlag auf Schlag."Die massive Gewitterzelle habe sich sehr schnell gebildet. "Die Vorwarnzeit war sehr kurz."So sei wohl auch für den Veranstalter schwer einzuschätzen gewesen, was da auf die Region zukomme, nimmt er den Kanuverleiher in Schutz.

Von einem Unglücksfall, der Gott sei Dank gut ausgegangen sei, spricht die Pressestelle der Polizeidirektion Tuttlingen. "Da sind wir alle froh darüber."Es liege keine Straftat vor, die grobe Fahrlässigkeit voraussetze. Alles andere sei nicht Sache der Polizei, sondern eine privatrechtliche Geschichte.

An Klaus Weiblen selbst hat sich gestern jedenfalls niemand mehr gewandt. Seine Boote habe er selbst zusammensuchen müssen, die umgestürzten Bäume habe er beseitigt.

Er erinnert sich gut an den Anruf der städtischen Mitarbeiterin aus Calw. Natürlich habe er zuerst gefragt, ob jemand verletzt sei. Das sei aber verneint worden. Und wenn er nachfrage, ob die Boote noch auf dem Neckar trieben, habe das den Hintergrund, dass er der Polizei Entwarnung geben könne, falls die Kanus gesichtet würden. Es könnte ja schließlich auch jemand vermisst sein. Die Beamten lobt Weiblen sehr. Sie hätten sich ihm gegenüber sehr freundlich verhalten und noch mitgeholfen, Paddel einzusammeln. Einen Vorwurf habe ihm auch von Polizeiseite aus niemand gemacht.

Vergangenes Jahr habe er seinen Verleih an zwei sehr umsatzstarken Tagen vor den Ferien geschlossen. Obwohl das Wetter schön war. Der Wasserstand war ihm zu hoch. Da habe ein bereits mit seiner Schulklasse angereister Lehrer sogar noch gefragt, ob es denn nicht doch gehe. Schließlich seien die Schüler ja schon in der Oberstufe. "Auf so etwas lasse ich mich gar nicht ein." Dann muss Weiblen los. Die nächste Gruppe wartet schon ungeduldig darauf, endlich aufs Wasser zu kommen.

Info: Feuerwehr

Mehrere Boote mit einer Lehrerin und Jugendlichen kenterten zwar vor Horb, alarmiert wurde jedoch per Notruf die Feuerwehr in Sulz. Die Abteilung der Kernstadt und die Fischinger Abteilung rückten mit jeweils zwei Fahrzeugen aus.

"Wir haben die Strecke zwischen Fischingen und Horb abgesucht", berichtet der zweite stellvertretende Stadtbrandmeister Marcus Gnirß. Das Problem sei gewesen, dass man nicht genau wusste, wo sich die Unfallstelle befunden habe. Die Feuerwehr brach ihren Einsatz ab, als die Meldung kam, dass die Schüler und die Lehrerin aus dem Wasser waren.

"Ich selber wäre nicht auf den Neckar gegangen", meint Gnirss mit Blick auf die nachmittags aufgezogenen dunklen Wolken. Die Sulzer Feuerwehr ist bei dem Unwetter noch zu einem Einsatz nach Dunningen gerufen worden. Die Menschenrettung habe aber Vorrang gehabt, sagt Gnirß.