Uwe Kopahnke spricht davon, wie sich Justizirrtümer zusammensetzen können

Von Marcella Danner

Sulz/Oberndorf. Im Zweifel für den Angeklagten – und in diesem Fall reichten die Zweifel von Richter Uwe Kopahnke recht weit. Am Donnerstag wurde ein Angeklagter der vorsätzlichen Körperverletzung vorm Oberndorfer Amtsgericht nicht schuldig gesprochen.

An den Ohren soll der 59-Jährige aus einer Kreisgemeinde einen Zwölfjährigen gepackt und hochgehoben haben, sodass der Junge blutende Wunden erlitt. Zudem habe er zwei Hunde auf den Bub gehetzt. Soweit der Vorwurf der Staatsanwaltschaft. Der Angeklagte stritt indes vor Gericht die Tat ab. Er sei in keinster Weise in so einen Vorfall verwickelt gewesen. Am Tatort habe er sich gar nicht aufgehalten. Denn der liege auf dem Nachbargrundstück, und das betrete er grundsätzlich nicht. Und außerdem besitze er nur einen Hund und nicht zwei.

Die polizeilichen Ermittlungen stützen sich auf die Aussage des Jungen. Den Namen des Beklagten habe die Mutter im Nachgang geliefert. Den Mann will sie, gemeinsam mit dem Jungen im Auto unterwegs, erkannt haben, als er kurz nach der Tat mit zwei Frauen beisammen gestanden habe. Ausgestiegen und angesprochen habe sie ihn nicht. Sie fuhr mit ihrem Sohn ins Krankenhaus. In eine andere Richtung sei nicht ermittelt worden, auch die beiden Frauen wurden von der Polizei nicht befragt.

Als der Richter den Jungen im Zeugenstand nun fragte, ob er denn ganz sicher sei, dass der Mann auf der Anklagebank der sei, der ihm weh getan habe, brach der Zwölfjährige in Tränen aus. Eine Verhandlungspause brachte indes neue Erkenntnisse. Denn eine Ohrfeige, die der Bub bereits einmal von einem "ähnlich aussehenden Mann" bekommen habe, sorgte für intensives Geflüster zwischen dem Angeklagten und seinem Anwalt. Schließlich informierte der Verteidiger den Richter darüber, dass "der Volksmund" im Ort darüber rede, der Bruder seines Mandanten habe dem Jungen eine Backpfeife gegeben. Und besagter Bruder sehe dem Angeklagten durchaus ähnlich und besitze zudem zwei Hunde. Über den Fall habe er mit seinem zweieinhalb Jahre jüngeren Bruder nie gesprochen, so der Beschuldigte, er habe überhaupt keinen Kontakt zu ihm.

Mit dieser Aussage konfrontiert, kamen dem Zwölfjährigen dann doch Zweifel. Es könne schon sein, dass es ein Mann war, der dem im Gerichtssaal ähnlich sehe, räumte er ein. Daraufhin plädierte auch die Staatsanwaltschaft auf Freispruch.

Richter Kopahnke begründete sein Urteil zugunsten des Angeklagten mit Zweifeln an dessen Schuld. Der Fall zeige in interessanter Weise, wie Irrtümer – auch Justizirrtümer – sich zusammensetzten.

Die Tat selbst stellte der Richter nicht infrage, den Täter sehr wohl. Da habe ein globaler Verdacht schon im Raum gestanden, es habe "Defizite in den Ermittlungen" gegeben, eine Gegenüberstellung sei nie erfolgt, die Mutter selbst, die den Namen geliefert hatte, habe man nicht direkt vernommen. So sei wie in einem Puzzle etwas mehr oder weniger zusammengeschoben worden, was zunächst auch nahegelegen habe.

Der Staatsanwaltschaft obliegt es nun, Ermittlungen gegen den Bruder des jetzt Freigesprochenen einzuleiten.