Im Altenberger Biathlonsstadion schauen sich die Sulzer zusammen mit Bürgermeister Thomas Kirsten (Mitte, links daneben Ged Hieber) die deutschen Meisterschaften der Jugend an. Foto: Steinmetz

Altenberg hat die Chancen nach der Wende genutzt. Stadt bekommt hohe Zuschüsse. Tourismus ist der wichtigste Wirtschaftszweig.

Sulz/Altenberg - Semmel-Milda ist ein Original. Sie heißt so, weil sie in Schellerhau, einem Ortsteil der Sulzer Partnerstadt Altenberg, Brot und Brötchen ausgetragen hat. Sie ist freundlich und beliebt, auch weil sie mit niemandem verbandelt ist, wie sie versichert. Ein Stück weit begleitet Semmel-Milda die Sulzer, die am Tag der deutschen Einheit gerade erst am Hotel in den Bus eingestiegen sind. Sie erzählt von der Wende. Von einem Tag auf den anderen, sagt sie, "hat sich unser Leben total verändert. Es war alles anders im Osten, sogar das Toilettenpapier. Das neue Deutschland ist reißfester."

Semmel-Milda ist aber ganz zufrieden, wie es dann gekommen ist. "Wir haben wieder Bodenhaftung. Es gibt Ärzte, eine Busverbindung nach Dresden, wenn wir Kultur brauchen, und Einkaufsmärkte sind auch da. Es ist bestens für uns gesorgt." Und das Wichtigste für sie: "Wir haben kleine Schellerhauer, das ist die Zukunft."

Aber die war vor 25 Jahren sehr ungewiss. Den 31. März 1990 hat sich der Altenberger Bürgermeister Thomas Kirsten gut gemerkt. An diesem für Altenberg historischen Datum wurde der letzte "Hunt" gefördert. Das Zinnerzbergwerk, das sich nicht mehr rentierte, musste geschlossen werden. 2000 Menschen lebten unter und über Tage vom Erz- und Zinnabbau. Diese Arbeitsplätze gingen in den nächsten zehn Jahren ganz verloren. Die Gemeinde musste sich umorientieren.

Von Umweltzerstörung keine Spur mehr

1990 hatte Altenberg 50.000 Übernachtungen im Jahr. "Es hat keiner gesehen, welche Chance das ist", erinnert sich der Bürgermeister. Die Stadt Altenberg hat sie ergriffen, wandelte sich vom Bergbauort zur Kur- und Sportstadt. Es musste viel in die Infrastruktur investiert werden. Waren die Häuser und Plätze noch in den frühen 1990er-Jahren grau und schmutzig, die Bäume des Erzgebirges sichtbar krank und die Luft mit Schadstoffen aus dem benachbarten Tschechien belastet, so ist das heute ganz anders. Peter Vosseler, der als Bürgermeister die Städtepartnerschaft mit Altenberg vor 25 Jahren auf den Weg gebracht hat, genoss am Wochenende bei Wanderungen die frische Luft und die Landschaft. Auch Ute Schrön, damals Stadträtin, kann sich nur wundern, wie sich die Natur im Erzgebirge erholt hat.

Das wissen die vielen Besucher zu schätzen. Im vergangenen Jahr hatte Altenberg 500 000 Übernachtungen und mehr als 650 000 Tagesgäste. Der Tourismus bringt 60 Millionen Euro Umsatz, bietet 2000 Menschen Arbeit – und damit ist der Arbeitsplatzverlust durch die Schließung des Bergwerks wieder ausgeglichen. Altenberg hat mit fünf Prozent mittlerweile die niedrigste Arbeitslosenquote des Landkreises.

Der Busfahrer bringt die Sulzer zum botanischen Garten in Schellerhau. 1906 ist er gegründet worden. Anfangs war es ein kleiner Versuchsgarten, heute wachsen auf 1,5 Hektar 1400 verschiedene Pflanzenarten, darunter 50, die auf der roten Liste stehen. 15 000 Besucher bestaunen jährlich die Anlage. Bürgermeister Kirsten spricht von einem Kleinod, das allerdings die Gemeinde, wie andere Sehenswürdigkeiten auch, viel Geld kostet.

Stadt bekommt hohe Zuschüsse

Altenberg hat mittlerweile 22 Stadtteile, die ihre eigenen Ansprüche stellen. Der Wildpark in Geising, der es im vergangenen Jahr auf 60 000 Besucher brachte, trägt sich mehr oder weniger selbst. Die Unterhaltungskosten für die Eishalle in Geising liegen bei 150 000 Euro jährlich. Die Oberbärenburger haben einen Aussichtsturm, ähnlich wie in Dürrenmettstetten, errichtet.

Auch Schlösser sind im Stadtgebiet. Eines davon ist das Schloss mit Museum und Falknerei in Lauenstein.

Altenberg mit seinen insgesamt 9000 Einwohnern und einer Gemarkungsfläche von 150 Quadratkilometern hat natürlich auch Pflichtaufgaben. Zu diesen zählt die Feuerwehr. Im Stadtgebiet verteilt sind 15 Abteilungen, jede wolle ein Feuerwehrhaus haben. 25 Feuerwehrfahrzeuge sind zu unterhalten. "Die Feuerwehr ist eine heilige Kuh", sagt Kirsten.

Die Kommunalpolitiker sind hellhörig, wenn Kirsten von Zuschüssen erzählt – sei es für die teuren Sportanlagen, Feuerwehrhäuser, die Glasfaseranbindung auch der kleinsten Ortschaften oder den Dorf- und Spielplatz für 500 000 Euro in Liebenau. Bis zu 80 Prozent Fördermittel macht Kirsten locker. Da kann man schon neidisch werden.

Zwei Tage lang hat sich der Altenberger Bürgermeister um die Partnerstädter persönlich gekümmert. Nach zwei Übernachtungen in einem Hotel in Schellerhau fahren die Sulzer mit vielen Eindrücken heim. Eines ist ihnen dabei auch klar geworden: wie wichtig Willkommenskultur ist.