Frank Lamprecht hält auf seinem Hof vom Aussterben bedrohte Haustierarten / Oft Schulklassen zu Besuch

Von Marzell Steinmetz

Sulz. Die Ziegen und Schafe auf der Weide genießen die Sonne. Es sind besondere Rassen, die Frank Lamprecht auf seinem Naturschutzhof am Neckartalradweg hält. Die Ziege, die sich gerade genüsslich in der Sonne rekelt, ist eine Nera Verzasca. "Sie ist schwierig zu halten", sagt Lamprecht, sie soll nämlich ein bisschen streitlustig sein. Aber eigentlich ist sie im Moment nur neugierig.

Die Nera Verzasca gehört zu den vom Aussterben bedrohten Ziegenarten. Genau deswegen hält sie Lamprecht auf seinem Hof, und weil sie auch robust und im steilen Gelände trittsicher ist. Das gilt auch für die österreichischen Tauernschecken, die normalerweise auf Almen gehalten werden. Lamprecht hat von ihnen ebenfalls etliche Tiere in seiner Herde.

Die Ziegen sind derzeit noch mit den Schafen – es sind überwiegen Waldschafe – zusammen. Auch sie sind, verdrängt vom Merino, inzwischen selten geworden, obwohl ihre Vorfahren hier beheimatet waren.

Lamprecht betreibt mit seinen zwei Schafherden mit insgesamt rund 500 Tieren und seinen mehr als 100 Ziegen "Landschaftspflege mit Biss". Die Schafe beweiden vorwiegend Wacholderheiden und Kalkmagerrasen. Sie tragen dazu bei, dass die Flächen freigehalten werden. Auf den trockenen Standorten kann sich so eine artenreiche Flora und Fauna entwickeln.

Während sich die Schafe an Gräsern und Kräutern gütlich tun, verbeißen Ziegen Gehölze. Sie verhindern damit Verbuschungen in den Hangbereichen des Neckars und der Schlichem. Demnächst müssen die Tiere ihre bequeme Weide am Neckar verlassen und wieder auf die kargen Steilhänge ziehen.

"Landschaftspflege mit Biss" hat übrigens noch eine positive Auswirkung. Frank Lamprecht ist auf eine Studie der Stiftung Baden-Württemberg gestoßen. Daraus geht hervor, dass durch extensive Beweidung mit Ziegen, Schafen oder Rindern die "Borrelien-Durchseuchung" der Zeckenpopulation sinkt.

Wo früher Maisäcker waren und intensive Landwirtschaft betrieben wurde, ist ein Naturparadies entstanden. "Das ist ein Kolkrabe", zeigt Lamprecht auf den schwarzen Vogel, der sich gerade auf der Weide niederlässt. Zu ihm gesellen sich zwei kleine Schafstelzen auf der Suche nach Insekten. Lamprecht, ein Vogelkenner, freut sich immer wieder, wenn er den Wiedehopf sieht. Aus der Ferne hört er den Ruf einer Wildtaube. Anfang Mai, weiß er, kommt der Neuntöter, der die Angewohnheit hat, seine Beute auf Dornen aufzuspießen. Uhus und Schwarzspechte sind nicht gerade selten. Eine Mandarinente, die hier eigentlich nicht heimisch ist, hat er auch schon im Neckar schwimmen sehen. Immer wieder fliegen Seeadler durchs Neckartal. Der Biber breitet sich, wie Lamprecht beobachtet hat, weiter aus. Inzwischen habe er sich auch bei Aistaig angesiedelt.

Auf dem Gelände des Hofs sind mehrere Tümpel künstlich angelegt worden. Kaulquappen, Frösche, Kröten und sogar die Gelbbauchunke laichen dort. Das jüngste Hochwasser hat Fische mitgebracht.

Auf der Schweineweide ist die Wilde Karde, eine stachelige Pflanze, sehr häufig: Sie lockt, wenn sie blüht, Schmetterlinge an. Das Schwäbisch-Hällische Landschwein lässt sich von Lamprecht gerne streicheln. Zwei ungarische Wollschweine nähern sich ohne Scheu. Auf ihrer umzäunten Fläche haben die Sauen genug Auslauf. Den haben tagsüber auch die Hühner und der Gockel, der aus eigener Zucht stammt. Zum Tierbestand des Hofs gehören außerdem vier Esel und Pferde. Lamprechts Lebensgefährtin, Tina Ott, setzt diese zu therapeutischen Maßnahmen ein. Sie bietet "Pferdeflüstern für Kinder" an.

Den Naturschutzhof an der Grenze der Sulzer Gemarkung bei Aistaig besuchen oft Schulklassen. Kinder, die in der Schule schwierig sind, verhalten sich auf dem Hof und in der Natur "total umgänglich", sagt Lamprecht.