Früh muss in Dürrenmettstetten raus, wer in Empfingen in die Schule will. Foto: Danner

Mit Schülern unterwegs auf der Linie Dürrenmettstetten - Sulz - Empfingen: Elf-Stunden-Tage für Kinder.

Sulz-Dürrenmettstetten - Zwei Flusstäler trennen Dürrenmettstetten von Empfingen. Werden sie auf direktem Wege bei Neckarhausen durchquert, dauert eine Fahrt in einem Bus gute 20 Minuten. Für die Kinder allerdings, die die Werkrealschule in Empfingen besuchen, beginnt jeden Morgen eine knapp einstündige Reise im Linienbus, die sie über Sulz führt. Denn einen direkten Schulzubringer gibt es nicht.

6.20 Uhr – es ist stockdunkel, als die ersten Schüler an der Bushaltestelle in der Ortsmitte von Dürrenmettstetten eintreffen. Die meisten, die hier zusteigen, müssen nur nach Sulz. Sie werden eine halbe Stunde zu früh in der Schule sein. Und dann gibt es noch eine Handvoll aus der Unterstufe der Werk-Realschule. Gerade mal zehn Jahre alt sind die Jüngsten unter ihnen und bereits seit 5.30 Uhr auf den Beinen.

6.28 Uhr – der Bus kommt. Leise und gesittet steigen die Jungen und Mädchen ein, für Randale und Geschubse ist es wohl noch zu früh am Morgen. Trotzdem, so richtig müde wirken die beiden Mädchen in der ersten Reihe gar nicht. Sie sind beste Freundinnen und bereden erst mal, was sich am Wochenende so getan hat.

6.32 Uhr – der Bus quält sich die engen Kurven nach Hopfau hinunter und sammelt dort weitere Schüler auf, die ebenfalls sehr früh aufstehen mussten. Die beiden Mädels ziehen jetzt ihre Jacken aus, es wird warm im Bus. "Also ich hab’ halt 15 Minuten für Frühstücken und Zähneputzen", erklärt die Fünftklässlerin. Manchmal sei sie morgens noch so müde, dass sie schon mal die Treppe hinunterstolpere. Verpasst habe sie den Bus aber noch nie. Dafür sorgt schon der Papa, der im Gespräch mit unserer Zeitung berichtet, dass er es sich beruflich gar nicht leisten könne, den Chauffeur zu spielen. Er fühlt sich mit dem Problem alleingelassen, bei allen beteiligten Stellen habe er schon vorgesprochen, vom Landratsamt über das Schulamt. Doch jeder schiebe es auf den anderen und am Ende sei eben die Regierung schuld. Er mache nun gute Miene zum bösen Spiel. Elf Stunden sei seine Tochter manchmal aus dem Haus, wenn sie Mittagsschule habe. Da müsse sie eben durch.

6.48 Uhr – Halt am Sulzer Bahnhof, großes Gewusel an der Busstation. Hier steigen viele um. Die beiden Mädchen in der ersten Reihe bleiben sitzen. Sie haben gerade mal Halbzeit. Der Fahrer betreibt höfliche Konversation mit einer erwachsenen Frau, die sich verabschiedet. "Hoffentlich bekommen wir nicht noch mal so ein Schneechaos wie letzte Woche", meint sie beim Aussteigen. Das hofft der Busfahrer allerdings auch. Nun werden die weiterführenden Schulen in Sulz angesteuert. "Jetzt müssen wir alles wieder zurückfahren", seufzt eines der Mädchen, als beim Gymnasium fast alle ausgestiegen sind. Nun sind die Glatttal-Kinder im Bus ganz unter sich. Dienstags, so erzählt sie und muss kurz die Hand vor den gähnenden Mund halten, verpasse sie nach der Mittagsschule oft den Anschluss in Sulz. Dann gehe sie mit ihrer Freundin eben einen Lutscher kaufen. Was für die beiden ein spaßiges Abenteuer ist, bedeutet für die Eltern, zusätzlich Zeit zu investieren, denn jemand muss die Kinder schließlich abholen.

7.08 Uhr – der Bus füllt sich wieder. Das Neckartal ist durchquert, die Mühlheimer Kinder steigen zu. Gabriele Henger ist froh, wenn der Bus hier hält. Vergangene Woche, so empört sich die Mutter, habe man die Kinder in der Eiseskälte einfach stehen lassen. Sie und ihr Mann seien berufstätig und darauf angewiesen, dass der Bustransport klappt. Aber mindestens einmal pro Monat müssten sie ihre Arbeit verlassen und die vergessenen Kinder nach Empfingen fahren.

7.15 Uhr – endlich da. Von der Haltestelle in Empfingen müssen die inzwischen ganz still gewordenen Kinder noch ein paar Minuten bis zur Schule laufen. Dank der frischen Luft kommen sie wenigsten halbwegs munter dort an. Mathe steht in der ersten Stunde auf dem Plan und da ist schließlich alle Konzentration gefragt. Ihre kleine Schwester, so erzählt das Mädchen aus der ersten Reihe noch, sollte eigentlich auch die Werk-Realschule besuchen. "Aber meine Mutter meldet sie jetzt an der Sulzer Realschule an, nur wegen dem Bus".

Seite 2: Ortsvorsteher und Eltern unzufrieden

Sulz-Dürrenmettstetten - Als im Spätsommer 2010 die großen Ferien vorüber waren, änderte sich für das Schulsystem der Neckarstadt so allerhand. Die Hauptschulen Sulz, Empfingen und Vöhringen wurden zu einer Grund- und Hauptschule mit Werkrealschule zusammengelegt. Für die Schüler der fünften bis siebten Klassen bedeutet das seither, dass sie allesamt nach Empfingen zur Schule gehen müssen, die Siebtklässler fahren zum Teil nach Vöhringen und ab der achten können dann alle wieder die Sulzer Schule besuchen.

Viel Wasser ist seither die Glatt und den Neckar herunter gelaufen. Doch die Busfahrpläne, die speziell für die Kinder des Glatt-Tals eine schiere Zumutung darstellen, blieben weitgehend bestehen. Alles Aufbegehren der Eltern, aber auch der zuständigen Lehrkräfte half da nicht viel. Für die gerademal zehnjährigen Schüler aus Dürrenmettstetten fährt der Bus weiterhin vor halb sieben ab. Jene, die nach Sulz müssen, können demnächst allerdings ein wenig länger schlafen.

Dabei war seinerzeit alles ganz anders geplant. Denn mit Einführung des neuen Schultyps hatte die Landesregierung auch Gelder versprochen, die einen vernünftigen Buszubringer ermöglichen. Nun hat die Regierung gewechselt, Werk-Realschulen werden wohl wieder abgeschafft und Geld für einen Bus, der nicht zu nachtschlafener Zeit abfährt, war schon vorher keines mehr da. Auch der jüngste Infoabend zu diesem Thema brachte kaum neue Erkenntnisse.

Philippe Düsel, Betriebsleiter der Südwestbus GmbH, erklärte auf Anfrage unserer Zeitung, es habe auch ein Angebot seines Unternehmens an die Stadt Sulz gegeben, einen Extra-Bus fahren zu lassen. Denn bisher, und so kommen diese frühen Abfahrtszeiten zustande, wird lediglich der Linienbus eingesetzt, der auch die Anschlüsse am Sulzer Bahnhof bedienen muss.

Dürrenmettstettens Ortsvorsteher Robert Trautwein hat schon mal von so einem Angebot gehört, von 30 000 Euro soll da die Rede gewesen sein. Das sei für die Stadt natürlich nicht zu schultern. Dennoch wolle man sich mit dem Status Quo nicht zufrieden geben. Unterrichtsentzerrung lautet hier das Zauberwort. Denn die Empfinger Schule habe einen exzellenten Ruf, sowohl was Ausstattung als auch was Lehrkräfte angeht, nur das Hinkommen sei eben ein wenig mühsam. Deshalb gebe es derzeit Gespräche, den Unterricht später beginnen zu lassen, um so auf einen nachfolgenden Bus ausweichen zu können. Das käme sicher Schulleiterin Monika Schneider entgegen, denn auch sie hält dieses frühe Aufstehen in den unteren Klassen für unzumutbar. Für das kommende Schuljahr erwartet sie aus diesem Grund gar Abmeldungen.