Vortrag: Karin Schmidtke und Peter Schimak referieren im Bürgersaal zur Flüchtlingshilfe

Von Sylvia Fahrland

Einen bewegenden Erfahrungsbericht aus erster Hand von Journalistin und Fotografin Karin Schmidtke aus Schenkenzell bekamen die Besucher bei einem dreistündigen Vortragsabend zu hören.

Sulz. Zur Veranstaltung hatte der Bürgerarbeitskreis mit Unterstützung der Stadt in den Bürgersaal eingeladen. Psychologe Peter Schimak aus Schramberg steuerte Erklärungen aus fachlicher Sicht bei.

Zweimal hat sich Karin Schmidtke aus Schenkenzell bereits mit Hilfsgütern entlang der Balkanroute auf den Weg gemacht, aufgerüttelt durch ein Foto aus den Nachrichten vom August. Vor dem Hintergrund von Stacheldraht und Tränengas rannte ein blutüberströmter Vater mit Kleinkind auf dem Arm schreiend weg. Als Journalistin und Fotografin habe sie Informationen vor Ort sammeln und "wenn ich schon hinfahre, dann auch ein paar Hilfsgüter mitnehmen" wollen.

Bald stapelten sich bei ihr Säcke und Kartons mit Spenden. Die erste Tour mit einem Miettransporter startete am 1. Oktober und dauerte 14 Tage. Im Flüchtlingscamp Opatovec ließ sie sich beim kroatischen Roten Kreuz akkreditieren, erhielt eine Helferweste, die sie auch beim Vortrag trug, schmierte Brote, verteilte Wasser, Schuhe und warme Kleidung und half mit, Not und Elend der Flüchtlinge zu lindern, so gut es eben ging. Oft fehlte es selbst am Nötigsten. Dann wurden die Füße desinfiziert, trockene Socken und eine Plastiktüte darüber gezogen, kaputte Schuhe mit Klebeband umwickelt und nasse Schuhe wieder angezogen.

Die zweite Tour mit noch mehr Spenden und vielen Schuhen im zusätzlichen Anhänger führte Schmidtke Ende November bis nach Dimitrovgrad in Serbien. Selbst bereits Großmutter, hatte Schmidtke ein großes Herz für Kinder und setzte ihre Kasperle-Handpuppe ein, um Kontakt zu den Kleinen im Flüchtlingslager aufzunehmen. Sie lenkte ab, wenn Wunden versorgt wurden, spendete ein kleine Freude in großem Elend und genoss dank der Figur eine Art Narrenfreiheit und einen hohen Wiedererkennungswert, wenn sie sich durchs Lager bewegte.

Fotos nur heimlich mit dem Handy gemacht

Fotos konnte sie nur heimlich mit dem Handy machen – die große Kamera hätte ihr die Polizei im abgeriegelten Camp sicherlich abgenommen. Da harrten Menschen bei strömendem Regen im Freien aus, hatten sich tagelang ohne Essen durch die Wälder geschlagen, waren von der Polizei in Mazedonien oder Bulgarien ausgeraubt und verprügelt worden und hatten andere auf der Flucht sterben sehen. Der Syrer Magdy Daaboul war Schmidtke aufgefallen, weil er bei der Flucht übers Meer seine Geige retten konnte. Auch er war in Sulz zu Gast, erzählte von seinem Schicksal und dankte für die Unterstützung in Deutschland, vor allem "von seiner deutschen Mutter" Karin Schmidtke.

Immer wieder kam während des Vortrags Psychologe Peter Schimak zu Wort. So erklärte er unter anderem, nicht jeder, der Furchtbares erlebt habe, sei auch traumatisiert. Zu einer echten Traumatisierung komme es in Situationen, die schier unerträglich seien und wenn man weder kämpfen noch flüchten könne.

Auch die individuelle Vorgeschichte spiele eine Rolle. Trotz extremer Umstände können selbst Kinder lernen, Dinge zu verarbeiten, brauchen aber dabei die entsprechende Begleitung. Nicht nur als Flüchtling, auch als Helfer müsse man viel aushalten und sich vor Augen führen, dass hinter allem der Überlebenswille stecke. Trotzdem müsse man beim Versuch, den Notleidenden das Dasein so erträglich wie möglich zu machen, Grenzen akzeptieren lernen und sich selbst schützen.

Spendenaufruf verhallt nicht ungehört

"Es kann nicht sein, dass man in Europa, nur 1200 Kilometer von hier, Menschen sterben lässt, während man bei uns Weihnachten feiert und dabei die Geschichte von Maria und Josef auf Herbergssuche hört", insistierte Karin Schmidtke am Ende. Sie wünsche sich, dass die Europäische Union viel mehr zusammensteht und miteinander anpackt. Ihr Appell an die Anwesenden: "Wir alle stehen in der Pflicht." Auch ihr Spendenaufruf verfehlte seine Wirkung nicht, und spontan konnten fast 350 Euro gesammelt werden als Mietunterstützung für das Haus im serbischen Dimitrov grad, in dem internationale, ehrenamtliche Helfer unterkommen können.