Von links: Paul Müller, Vorsitzender des Heimat- und Kulturvereins Sulz die beiden Töchter von Paul Kälberer Margarete Kälberer und Christine Dietz mit Enkel Leo Tilman Schmid, Sohn des Literaten Paul Schmid Foto: Vollmer Foto: Schwarzwälder-Bote

Tilman Schmid gibt Lesung im Paul-Kälberer-Atelier in Glatt / Ehefrau fällt in pietistisch geprägter Stadt auf

Von Hanni Vollmer

Sulz-Glatt. Im Paul-Kälberer-Atelier war am Sonntag Tilman Schmid Gast zu einer Lesung aus den Werken seines Vaters Paul Schmid alias Peter Strick. Die freundschaftliche Verbundenheit zwischen Kunstmüller Schmid, 1895 geboren und dem 1896 geborenen Kunstmaler Kälberer bildete den biografischen Rahmen der fesselnden Lesung.

Weit über den Raum Sulz hinaus ist der 1977 verstorbene Paul Schmid für seine schwäbischen Mundartgedichte im "Starken Tubak" und für treffsichere lyrische Analysen des Zeitgeistes bekannt. Bereits 1916 hatte Schmid seine ersten Sonetten im Lazarett geschrieben. Der Gedichtzyklus "Brüder" entstand nachdem sein achtzehnjähriger Bruder Artur in der Schlacht an der Somme tödlich verwundet wurde. Laut eines damals erschienenen Presseartikels gehörten seine Gedichte zu den schönsten seiner Zeit.

Schmid hatte in Tübingen und Berlin Germanistik studiert. Nach dem ersten Weltkrieg schlug er die Laufbahn zum Schriftsteller ein und lernte dabei Joachim Ringelnatz und Ludwig Thoma kennen. Nach dem Tod seines Vaters war er aufgrund der Wirtschaftskrise gezwungen, die elterliche Kunstmühle weiterzuführen. Zeit seines Lebens hatte er sich jedoch der Dichtung verschrieben.

In der Kunstmühle und im Atelier Kälberer tauschten sich Literat und Maler öfter lebhaft aus, da sie viele Berührungspunkte hatten. Zum einen die Verarbeitung des Krieges, den Verlust des jeweiligen Bruders, den Kirchenaustritt sowie die Liebe zur Heimat. Zum anderen die bildnerische und die schriftstellerische Kunst, denn Paul Schmid war von den neusachlichen Formprinzipien in Kälberers Bildern angezogen und dieser von der dichterischen Kraft der Verse. Bereits der griechische Dichter Simonides von Keos sagte: "das Gedicht ist ein sprechendes Bild, das Gemälde schweigende Poesie".

Tilman Schmid rückte die Reime wieder neu ins Licht. Auch Selbstironie fehlte nicht "Und fragt Ihr: Kann man beides machen? Ein nahrhaft’ Mehl, ein gut’ Gedicht? So mein ich: Von den beiden Sachen hat Mehl bei weitem mehr Gewicht." In "Die Neckarkorrektur" erzählt Schmid von der Begradigung des Neckars in den 1950er Jahren. Die natürliche Neckarbiegung und die Idylle des Mühlkanals waren mit einem Schlag dahin.

Die mit Witz geschriebenen Verse, untermalt von mancher Anekdote aus dem Leben des Sulzer Ehrenbürgers, genossen die Zuhörer sichtlich. Reichlich Applaus für Gedichte von poetischer Stärke, die das schwäbische Kleinstadtleben mit wachem Geist und spitzer Feder aufzeigen.

Anschließend ging es in den ursprünglich belassenen Garten zu Häppchen und Getränken und weiteren Anekdoten. Die Rede war dann auch von Margot, der 24 Jahre jüngeren Ehefrau Schmids. In dem pietistisch geprägten Städtle, fiel die gebürtige Stuttgarterin mit ihrem Kurzhaarschnitt, der schicken Kleidung und den lackierten Fingernägeln auf.