In der Nähe von der Stelle, an der Wilhelm Umbrecht den Standort der Allerheiligen-Kapelle vermutet, hat er den geborgenen Teil des Maßwerks eines Seitenfensters aufgestellt. Ein Kreuz erinnert seit dem Abbruch 1812 an das Kirchlein, aus dem Pieta und Kruzifix heute in der Glatter Pfarrkirche zu sehen sind. Foto: Umbrecht/ Schnekenburger

Der von Wilhelm Umbrecht in Glatt aufgestellte Teil eines Maßwerks erinnert an das 1812 abgerissene Kirchlein.

Sulz-Glatt - Nein, es ist kein Zierrat, der da hinter dem durchbrochenen Mäuerchen eines Privatgartens steht. Das Sandsteinobjekt gehört seit Jahrhunderten irgendwo dorthin. Was da aufgestellt wurde, ist nämlich das Maßwerk eines der Fenster der Allerheiligenkapelle.

"Allerheiligenkapelle"? Die gibt es schon lange nicht mehr. Vor gut 100 Jahren wurde das Kirchlein abgebrochen. Bereits ein Chronikeintrag von 1832 weist weit zurück. Dort ist eine Zeichnung eines Kirchleins mit zwei gotischen Spitzbogen- und einem Rundfenster in der Fassade eingerahmt von dem Text: "Die Kapelle Allerheilligen in Glatt, ein Zufluchts Orth, in Seel und Leibesnöthen in der vergangenen Zeit".

Schon lange treibt die Geschichte des, wie es in einer anderen Beschreibung heißt, "Stockkirchleins" Wilhelm Umbrecht um. Nicht, dass ihn die Geschichte des Ortes im Allgemeinen oder die Geschichte der Kleindenkmale im Besonderen kalt ließen. Aber hier, in Allerheiligen, der Siedlung die in alten Karten immer von Glatt getrennt und mit eigenem Namen aufgeführt wird, ist er geboren. Einen Steinwurf von dem Platz entfernt, wo er die abgegangene Kirche verortet. Auf einer Karte um 1842 bezeichnet er den Ort – und benennt dafür gute Gründe. Zum Beispiel eine Fläche, die man heute als "Baulücke" bezeichnen würde, die Nähe zum zwischenzeitlich ebenfalls abgebrochenen Mesner-Haus von Allerheiligen, das Kreuz, das Mesner Joseph Bach, der die Kapelle auf Abriss gekauft hatte, 1812 an Stelle des Kirchleins errichten ließ. Das heute an der Allerheiligenstraße zu sehende Kreuz ist die 1898 auf Stiftung von Ottilia Kummer erneuerte Kreuz.

Doch es gibt noch mehr von diesem Kirchlein, das 1490 anstelle eines Bildstocks gebaut – daher "Stockkirchlein" –, 1809 für baufällig befunden und schließlich 1812 abgebrochen worden war. Zu berichten ist beispielsweise, dass Joseph Bachs Vater Lorenz, früher selbst Mesner von Allerheiligen, im Jahre 1809 den zur Kirche gehörenden Besitz für 600 Gulden gekauft hatte – und noch einmal nachlegen musste. Geschlossen wurde die Kirche erst 1811. Neben dem vor knapp einem Vierteljahrhundert auf dem Grundstück Allerheiligenstraße 34 gefundenen Maßwerk, das von einem Steinmetz gekauft und jetzt als Leihgabe zur Verfügung gestellt wurde, gibt es noch weitere Zeugen des Kirchleins. Die Pieta vom Seitenaltar der Glatter Pfarrkirche, da steht die Jahreszahl 1565 im Raum, stand einst in der Allerheiligenkapelle. Auch der vom Altarkruzifix, berichtet Umbrecht, ist aus der Kapelle. Wer sich aufmerksam umschaut, wird auch ein kleines Firstkreuz entdecken, das mit Allerheiligen in Verbindung gebracht wird. Und schließlich gibt es noch das Bildstöckchen an der Einmündung der Allerheiligen- in die Oberamtstraße. An Stelle der Lourdes-Madonna wurde hier früher eine Muttergottes im Strahlenkranz verehrt, die ebenfalls der Allerheiligenkapelle zugeschrieben wird. Sie ist im Besitz des Neffen der Stifter des Bildstöckchens, inzwischen restauriert und soll, so sieht es Pfarrer Sigisbert Schwind, dem die Figur gehört, nach seinem Tod wieder den Weg zurück nach Glatt finden.

Unklar ist der Verbleib eines Glöckchens, das für 20 Gulden nach Fischingen verkauft worden war. Klar ist dagegen, dass am Kirchlein vorbei auf dem "berüchtigten Diebstaig" fragwürdige Gesellen unterwegs Richtung Oberhof waren. Klar ist auch, weshalb sich Umbrecht so um das Erbe kümmert: "Fäden spinnen". Denn zerstört ist schnell. Vergessen auch. Und wenn dann keine Fäden in die Vergangenheit mehr da sind, wird es für später Interessierte schwierig, Anknüpfungspunkte zu finden.