Bürgermeister Gerd Hieber (rechts) verabschiedet seinen langjährigen Kämmerer Michael Lehrer mit einem Präsent. Foto: Cools

Mann der Zahlen feiert seinen Abschied. Ab Anfang Juli Bürgermeister in Aichhalden.

Sulz - Wenn Gemeinderat Klaus Schätzle aus dem Nähkästchen plaudert und Thorsten Utz von der Finanzverwaltung der Stadt zu Seefahrt-Allegorien greift, dann kann es nur eins bedeuten: Kämmerer Michael Lehrer sagt Sulz Lebewohl.

"Geld verdirbt den Charakter", sagt ein Sprichwort. Doch wenn man Bürgermeister Gerd Hieber fragt, dann trifft das auf seinen Sulzer Kämmerer überhaupt nicht zu. Zig Millionen Euro habe er quasi treuhänderisch zum Wohle der Stadt verwaltet. Umso stärker sei nun der Einschnitt, denn Lehrer verlässt Sulz. Anfang Juli tritt er seine Stelle als Bürgermeister seiner Heimatgemeinde Aichhalden an – nach 15 Jahren bei der Stadt Sulz nicht nur für ihn eine große Umstellung.

Lehrers bemerkenswerter Lebenslauf, gab Hieber einen kurzen Abriss, stütze sich auf mehrere Säulen. Als gelernter Bürokaufmann bei einem Fliesenleger-Betrieb habe er sich praktisches Wissen angeeignet. Empathie lernte der Sulzer Kämmerer beim Zivildienst in der Schwerstbehindertenpflege. Danach stieg er in den Verwaltungsdienst ein. 2002 begann Lehrer als Sachbearbeiter in der Finanzverwaltung der Stadt Sulz, ehe er 2010 Kämmerer wurde.

Damit feierte er am Mittwoch nicht nur den Abschied aus Sulz, sondern auch 25-jähriges Dienstjubiläum sowie 15 Jahre Dienst bei der Stadt Sulz. In all der Zeit habe es sowohl gute Nachrichten wie bestätigte Förderungsbescheide, als auch Hiobsbotschaften wie eine negative Zuführungsrate im Haushalt gleich zu Beginn seiner Amtszeit gegeben. "Nicht alles war rosig", meinte Hieber.

Seriös, aber nie bierernst

Neben seinen Aufgaben als Kämmerer habe er sich stark bei den Eigenbetrieben der Stadt eingebracht. Auf den ersten Blick scheine das nicht zusammenzupassen: der nüchterne Kämmerer mit sozialem Engagement. Doch Lehrer habe Sulz im wahrsten Sinne des Wortes eines Besseren "belehrt".

Klaus Schätzle oblag es, im Namen des Gemeinderats ein paar Worte zu sagen. Er hatte gut recherchiert und einen Blick hinter die öffentliche Person Michael Lehrer geworfen. So verstecke sich hinter dem Schein des soliden Kämmerers, dessen Beruf eher als spießig und Inbegriff der Seriosität gelte, eine Spielernatur, die das Risiko suche. Seine Reaktion auf die Notlandung, die er bei einer Ballonfahrt einlegen musste, zeige, dass dieser Kämmerer es faustdick hinter den Ohren habe.

Bei einer Mischung aus Kompetenz, Seriosität und Freundlichkeit sowie dem Bestreben, auch in der schwierigsten Situation noch einen Ausweg zu finden, sei Lehrer jedoch nie rechthaberisch oder bierernst gewesen.

"Er ist der Experte, der auch gern zum dritten Mal widerborstigen Gemeinderatsmitgliedern einen Sachverhalt erklärt", sagte Schätzle treffend. Dass er neben seinem Amt als Kämmerer seit 1999 Mitglied im Aichhalder Gemeinderat sei, zeige: "Die Wichtigkeit seiner Aufgabe ist ihm bewusst." Schätzle sei nun hinter das Geheimnis des Kämmerers gekommen. Es liege in der sogenannten "Good governance", die das gute Steuerungs- und Regelungssystem eines Staates bezeichnet. "Er hat die Prinzipien der Transparenz und Partizipation verfolgt, indem er nicht aufgehört hat, Menschen zu erklären, was er tut und sie dahin mitzunehmen".

Kein leichter Start

Als im wahrsten Sinne des Wortes atemberaubender Autofahrer ist Michael Lehrer Thorsten Utz von der Finanzverwaltung im Gedächtnis geblieben. Er bezeichnete den Kämmerer als "scheidenden Kapitän" – in Anlehnung an dessen Vorlieben für Seefahrt-Allegorien –, der seine Crew stets ans rettende Ufer gebracht hätte.

Zum Schluss ergriff Lehrer das Wort. Sulz habe Spuren bei ihm hinterlassen, wenn es zu Beginn auch Kratzer und Beulen gewesen seien. Denn der Start gestaltete sich nicht einfach. "Ich habe fast den Vorstellungstermin beim Verwaltungsausschuss versemmelt", erinnerte er sich.

Eine einprägsame Erfahrung sei auch eine Waldbegehung in Bergfelden gewesen. Nach zwei Stunden Geruckel auf einem Traktoranhänger, der über die schlaglochübersähte Straße fuhr, sei ihm aufgegangen, dass die Mittel für die Straßensanierung wohl doch nötiger waren als gedacht. Sieben Jahre lang sei er zudem "Spielertrainer" im Team der Finanzverwaltung gewesen. Bei der Sozialstation habe er Gelegenheit gehabt, auf das Schicksal der Sulzer einzuwirken.

Nie vergessen werde er den Vertrauensvorschuss, den er in Sulz erhalten habe. Diesen, so lautete sein "letzter Wille", solle die Stadt auch seinem Nachfolger zukommen lassen.