So kann man sich keltische Siedlungen vorstellen. Das Bild stammt von der Heuneburg bei Herbertingen. Bis auf die außergewöhnliche Lehmmauer, die auf handwerklichen Wissenstransfer mit Südeuropa schließen lässt, könnten auch die Siedlungen im Raum Sulz, von denen es einige – und einige Fragezeichen – gab, so ausgesehen haben. Foto: Seeger Foto: Schwarzwälder-Bote

Dorothee Ade berichtet im Bürgersaal über die keltische Vergangenheit / Große Ausstellung in Stuttgart

Von Bodo Schnekenburger

Sulz. Es gibt viel zu berichten über das Volk, dessen Spuren bis heute sichtbar sind. Kein Wunder, dass Dorothee Ade locker zwei Stunden über die Kelten erzählen kann, wie mancher am Dienstagabend verwundert feststellte.

Da sind ein paar Sachen zusammengekommen, die sich gegenseitig begünstigen. Eingeladen in den Bürgersaal hatte der Heimat- und Kulturverein. Bei dem steht kommende Woche ein Besuch der großen Keltenausstellung in Stuttgart auf dem Plan, in der auch Funde aus Sulz zu besichtigen sind. Zu besichtigen ist aber noch viel mehr, viel zu viel eigentlich, wie Dorothee Ade meint, und deshalb ist es nicht schlecht, sich vorab ein Bild vom Gegenstand des Besuchs zu machen, sich einen Überblick zu verschaffen. Hatte ja auch unter anderem Goethe schon festgestellt, dass man sehe was man wisse.

Freilich werden nicht alle der an die 50 Besucher – im Bürgersaal im Rathaus reichten die Stühle gerade mal so aus – mit nach Stuttgart fahren. Sie wollten einfach nur so mehr über die Kelten und die Sulzer Vergangenheit erfahren, denn darum ging es. Dass man mit Dorothee Ade eine Spezialistin für die Keltenforschung, auch die experimentelle, gewinnen konnte, war keine schlechte Empfehlung für den Abend, dass Ade ursprünglich aus Sulz stammt, eine weitere glückliche Zutat, und dass sie, zumindest ihrer Erinnerung nach, in Sulz zwar schon referiert hat, allerdings nicht über die Kelten, machte die Sache richtig spannend: "Motivation pur" bei Referentin wie Publikum.

Letzteres wurde zunächst behutsam an die Materie herangeführt. So ausführlich wie es die Zeit zuließ und es das Verständnis für die späteren Ausführungen sinnvoll machte, so verkürzt wie möglich sortierte Ade die Kelten auf der großen Zeitachse ein. Nach der Bronzezeit und kurz bevor die Römer auch am oberen Neckar aufschlugen, beherrschten sie die Gegend, hielten sich in Koexistenz mit den Besatzern aus dem Süden noch eine Zeit und waren dann irgendwann verschwunden. Dass sich gerade dieser Raum quasi im Zentrum des Westhallstattkreises, der sich vom heutigen Lothringen bis hinter Augsburg erstreckt, befindet, macht die Sache doppelt spannend. Und gemessen an den Distanzen, die die Siedlungsgebiete der Weltbürger des ersten vorchristlichen Jahrtausends überbrücken, ist es ja auch ein Katzensprung zur Heuneburg, jener keltischen Burganlage, die als Freilichtmuseum teilweise rekonstruiert wurde. Die Heuneburg ist nicht nur deshalb wichtig. Der bedeutende Fürstensitz, erweitert um die erst später gefundene Stadtanlage mit vielleicht rund 5000 Menschen, könnte, meint nicht nur Ade, das in antiken Texten vorkommende "Pyrene" sein.

Eine bedeutsame Gegend also, in der man sich befindet, und doch gibt es noch viele Fragezeichen: Weshalb siedelten die Kelten im landwirtschaftlich eher schwer zu erschließenden Glatttal mit seinen Seitentälern? Haben die Kelten auf dem Gebiet des heutigen Sulz Sole genutzt und Salz gehandelt? Weshalb gibt es in historischer Sicht Siedlungslücken, wobei die Albeck Spuren durchgehender wenigstens kleiner Besiedlung aufweist? Und warum verschwanden die Kelten irgendwann?

Solche Fragen machen die Erörterung natürlich spannend, zumal die dokumentierten Funde aus Sulz und der Umgebung teilweise zwar als Foto, viele nur als Zeichnung vorliegen, ansonsten aber in Magazinen schlummern, also nicht greifbar sind. Ade allerdings weiß ihre Gäste für die Kelten und die Beschäftigung mit ihnen einzunehmen. Über Siedlungsforschung und Funde beschreibt sie Menschen, die vor zweieinhalbtausend Jahren gelebt haben und gestorben sind, begraben wurden nach diesem oder jenem Kult. So wird Geschichte am Dienstagabend lebendig.