CDU-Landeschef Thomas Strobl zeigt sich gern mit der Kanzlerin – hier in Heilbronn Mitte August Foto: dpa

Zwei Wochen vor der Bundestagswahl soll die Südwest-CDU Geschlossenheit üben: Landeschef Thomas Strobl stellt sich der Wiederwahl. Der Besuch der Kanzlerin kann da nicht schaden.

Stuttgart - Thomas Strobl hat den Termin mit Bedacht gewählt. Auch wenn in der Landes-CDU die Fetzen fliegen – je näher Wahlen rücken, desto geschlossener präsentiert sich die Partei. Auf diesen Effekt setzt der Landeschef der Südwest-CDU auch an diesem Samstag, wenn er beim Landesparteitag in Reutlingen zum vierten Mal als Vorsitzender kandidiert und später auf der Bühne die Glückwünsche von Bundeskanzlerin Angela Merkel entgegennehmen will. Da werden die 350 Delegierten ihn und sich doch nicht blamieren wollen.

Von 98 Prozent wie vor zwei Jahren kann Strobl allerdings nicht einmal träumen. Denn das Verhältnis des Innenministers und stellvertretenden Ministerpräsidenten zur CDU-Fraktion im Landtag ist alles andere als einfach. Bei der Regierungsbildung vor 16 Monaten fühlten sich viele der 42 CDU-Abgeordneten übergangen: mit Strobl, seinem Staatssekretär im Innenministerium, Martin Jäger, sowie Kultusministerin Susanne Eisenmann kamen aus ihrer Sicht zu viele CDU-Regierungsmitglieder von außerhalb. Deshalb wird jede Entscheidung oder auch Nicht-Entscheidung genauestens und misstrauisch verfolgt.

Drei Stellvertreter, vier Bewerber

So etwa vorige Woche, als CDU-Bezirksverbandschef Peter Hauk ankündigte, Nordbaden werde in Reutlingen als einen der drei Stellvertreter von Strobl den Europaabgeordneten Daniel Caspary vorschlagen. Das hätte der Parteivorsitzende unterbinden müssen, erklärten Vertreter des konservativen Flügels, die Casparys Kandidatur als Angriff auf den bisherigen Partei- und Fraktionsvize Winfried Mack sehen. Strobl habe sich jedoch herausgehalten, weil er sich dafür rächen wolle, dass Mack 2011 bei der Wahl zum Nachfolger von Parteichef Stefan Mappus gegen ihn kandidiert habe. Das sei Unsinn, kontert die Gegenseite. Es gehe darum, dass auch Nordbaden wieder in der Parteispitze vertreten sei. Seit dem Abschied von Mappus sei das nicht mehr der Fall. Deshalb sei Casparys Kandidatur weder überraschend noch ungerechtfertigt.

Auch als Minister für Inneres, Digitalisierung und Migration hat sich Strobl in den eigenen Reihen nicht nur Freunde geschaffen. Dass im Zuge der neuerlichen Polizeireform ausgerechnet das Tuttlinger Präsidium geschlossen wird, werteten Guido Wolf, Justizminister und Tuttlinger Landtagsabgeordneter, und einige seiner Getreuen als Retourkutsche. Bei der Mitgliederbefragung 2015 hatte sich die CDU-Parteimitglieder nicht für den Heilbronner Bundestagsabgeordneten Strobl als Spitzenkandidaten entschieden, sondern für den früheren Tuttlinger Landrat Wolf. Der holte bei der Landtagswahl 2016 mit 27 Prozent allerdings das schlechteste Ergebnis aller Zeiten – seitdem haben die Grünen mehr Landtagsabgeordnete als die CDU.

Streit um Flüchtlinge

Die Zusammenarbeit mit den Schwarzen laufe besser als erwartet, heißt es bei den Grünen. Auseinandersetzungen gibt es vor allem bei den Themen innere Sicherheit und Abschiebungen. In Finanzfragen konnten sich die beiden Seiten allerdings gut einigen – es wird mehr Stellen für Polizei und Justiz sowie Umweltschutz geben, viel Geld für die Digitalisierung und für kleinere Projekte.

Die Opposition wirft Hobbytaucher Strobl hingegen vor, dass er bei unangenehmen Fragen gern abtauche. So dauerte es Tage, bis er klarstellte, dass er keinen einzigen Fall kenne, bei dem ein Flüchtling Heimaturlaub gemacht habe. Nach einer Anfrage der AfD hatte er erklärt, so etwas dürfe man Flüchtlingen nicht durchgehen lassen. Auf kommunaler Seite bemängeln manche, dass er sich zu wenig für Details interessiere.

Ursprünglich wollte Strobl, von 2005 bis 2011 Generalsekretär der Landes-CDU, gar nicht in die Landespolitik. 18 Jahre lang saß der gebürtige Heilbronner im Bundestag, zuletzt war er Vorsitzender der baden-württembergischen Landesgruppe. Klar war aber auch, dass er für ein Ministeramt nicht in Frage käme, solange sein Schwiegervater, Finanzminister Wolfgang Schäuble, dem Kabinett angehört. 2015 entschied er sich dann doch für die Spitzenkandidatur – und scheiterte zur Überraschung vieler an Wolf.

Spitzenkandidatur 2021?

Auch Strobl trage Mitverantwortung für die CDU-Wahlniederlagen 2011 und 2016, sagen parteiinterne Kritiker. Der 57-Jährige weiß deshalb nur zu gut, dass er sich seine Machtbasis jetzt sichern muss, wenn er eines Tages Ministerpräsident werden will. Zwar findet die nächste Landtagswahl erst 2021 statt. Doch schon jetzt beschäftigte den einen oder anderen die Frage, wer dann als Vorkämpfer für die CDU in den Ring steigt.

Das Thema Spitzenkandidatur stehe noch nicht auf der Tagesordnung, antwortet Strobl, wenn er nach seinen Plänen gefragt wird. Zugleich betont er dann, dass er seine Partei aber gern „mit Freude und Engagement in das Jahr 2021“ führe. Ein gutes Ergebnis am Samstag wäre ein wichtiges Signal – und könnte ihm vielleicht eine weitere Mitgliederbefragung ersparen.

Denn die Regel, dass der amtierende Ministerpräsident Spitzenkandidat wird, ist außer Kraft gesetzt, weil die CDU seit der Wahl 2011 nicht mehr wie zuvor 58 Jahre lang den Regierungschef stellt. Dass dann eben der stellvertretende Ministerpräsident am Zug ist, sehen längst nicht alle so. Manche meinen, Fraktionschef Wolfgang Reinhart sei der Bessere für diese Aufgabe. Andere sehen in der Bewerbung von Kultusministerin Eisenmann um einen Sitz im Parteipräsidium einen Versuch, sich den Weg zur Spitzenkandidatur zu ebnen.

Neben seinem eigenen Ergebnis wird für Strobls Erfolgsbilanz auch das Abschneiden der CDU im Südwesten bei der Bundestagswahl eine große Rolle spielen. Mehr als 40 Prozent sollten es sein, verspricht Strobl.