Hier kommt nicht der Tiger, sondern sauberer Diesel in den Tank. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Hunderte von Fahrzeugen sind auf dem Vorfeld des Stuttgarter Flughafens unterwegs. Diese Flotte soll umweltfreundlicher unterwegs sein. Deshalb setzt der Flughafen auf Elektroantrieb, aber auch auf synthetischen Diesel.

Stuttgart - Was Walter Schoefer meinte, war zwar klar, auch wenn die Wortwahl – sagen wir – etwas unglücklich war und jede Frauenbeauftragte hellhörig gemacht hätte: „Jungfernbetankung“ nannte der Flughafenchef unter dem Gelächter der Anwesenden jenen Vorgang, bei dem Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) und er am Donnerstag Nachmittag das erste Flughafenfahrzeug mit synthetischem Diesel betankten. Der Einsatz des klimaschonenden Kraftstoffs sei ein weiterer Schritt auf dem Weg, Stuttgart zum nachhaltigsten Flughafen Europas zu machen, sagte Hermann, der auch Aufsichtsratsvorsitzender der im Besitz von Land und Stadt befindlichen Flughafen-GmbH ist. Und Schoefer sprach von der „enormen Bedeutung“, die die Umstellung habe. „Der saubere Dieselkraftstoff kann auch zur erheblichen Entlastung der Innenstädte von Luftschadstoffen beitragen“, sagte er.

Kraftstoff senkt Luftbelastung

Der aus Rest- und Abfallstoffen sowie Pflanzenöl hergestellte C.A.R.E.–Kraftstoff reduziert die Kohlendioxid-Emissionen um etwa 70 Prozent, die von Stickstoffdioxiden und Feinstaubpartikel um rund 30 Prozent. Diese am Prüfstand gemessenen Verbesserungen will der Lieferant Tool-Fuel Services GmbH in den kommenden Wochen durch Testfahrten in Stuttgart, die wissenschaftlich begleitet werden, im Probebetrieb erneut nachweisen lassen. „Wir wollen sehen, wie sich unser Kraftstoff im Vergleich zu herkömmlichem Diesel verhält“, sagt Alexander Stöhr von Tool-Fuell.

Der Energiehändler EDi aus Öhringen betankt seine Fahrzeuge schon länger mit dem C.A.R.E.-Diesel, lagert und vertreibt den Kraftstoff an Privatleute, die seine Kundenkarte haben, etwa Landwirte und Kommunen. Öffentlich an jeden verkaufen darf er ihn wegen mangelnder Zulassung noch nicht. „Der Vorteil ist, dass bestehende Tankanlagen problemlos genutzt werden können und die Diesel-Fahrzeuge nicht umgerüstet werden müssen“, sagt Geschäftsführer Roland Weissert: „Ich tanke damit auch meinen 5er-BMW“. Preislich liege der Kraftstoff 16 Cent über normalem Diesel, aber im Bereich von Premiumkraftstoffen der großen Anbieter. Toll-Fuel vertreibt den Kraftstoff, der wasserklar, winterfest und lange lagerbar ist, vor allem auch an Motorbootbesitzer.

Hermann: Alle Optionen ziehen

Verkehrsminister Hermann betonte, dass er allein in synthetischen Kraftstoffen keine Lösung sehe, um den Verkehr klimafreundlicher zu machen und die Schadstoffe zu reduzieren. „Wenn wir Mitte des Jahrhunderts klimaneutral mobil sein wollen , müssen wir alle Optionen ziehen“, sagte er, „dazu gehören Elektro-, Hybrid-, Ergas- und Brennstoffzellenfahrzeuge.“ Aber auch im Kraftstoffbereich gehe mehr. Den Einsatz von synthetischem Diesel sehe er vor allem in Sonderanwendungen „in schweren Fahrzeugen, für die es keine elektrische Lösung gibt“, sagte Hermann.

Wie beispielsweise am Flughafen: Dort werden die gesamte Vorfeldflotte der Flughafengesellschaft und ihrer Tochtergesellschaften, die die Flieger abfertigen, aber auch der Fuhrpark von Drittfirmen und Cateringbetrieben mit dem synthetischen Treibstoff betankt. Auch die Winterdienst-, Räum- und Feuerwehrfahrzeuge haben den sauberen Diesel im Tank, zudem Boden- und Notstromaggregate. „Bei flughafenspezifischen Sonderfahrzeugen fehlt es derzeit an Alternativen zum Verbrennungsmotor“, sagte Schoefer, „mit dem neuen Kraftstoff wollen wir diese Lücke schließen“. Ansonsten setze er weiter auf Elektrifizierung des Fuhrparks. So werde sich die Zahl der Passagierbusse mit Elektroantrieb bis zum Jahresende von sechs auf 16 erhöhen. „Für uns ist der neue Diesel ein Riesenschritt“, sagte Schoefer. Er wird freilich auch schon am Flughafen Hamburg verwendet. Der Einsatz in Stuttgart musste vom Umweltministerium genehmigt werden, da er nur in geschlossenen Fuhrparks und Flotten erprobt werden darf.

Schoefer: Aus Jungfern- wird Druckbetankung

Für Schoefer ist der saubere Diesel mehr als eine Übergangslösung, ein Airbus werde schon mit synthetischem Kraftstoff geflogen. Und auch verbal rüstete der Flughafenchef nach: Er sprach nicht mehr von Jungfern-, sondern von Druckbetankung. >