Will frischen Wind auch in seiner Partei: CDU-Landeschef Thomas Strobl. Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Grün-Schwarz: Designierter Regierungs-Vize über Haushaltslöcher, Investitionen und das Profil der CDU.

Stuttgart - Grüne und CDU hätten bei den Koalitionsverhandlungen unangenehme Themen wie Haushalt und Finanzen nicht einfach ausgeklammert wie Grün-Rot vor fünf Jahren, sagt CDU-Landeschef Thomas Strobl. Nächste Woche wird er zum stellvertretenden Ministerpräsidenten ernannt.

Herr Strobl, wie wollen Sie verhindern, dass die CDU dasselbe Schicksal wie die SPD als Juniorpartner einer Koalition mit den Grünen ereilt?

Wir hatten jetzt Verhandlungen zwischen zwei etwa gleich starken Partnern, und es wird auch künftig immer klar sein: Das sind die Grünen, das ist die CDU. Da wird nichts vermischt. Schon die Verhandlungen liefen nach meinem Eindruck anders als 2011. Damals haben sich Grüne und SPD sehr schnell aneinander gekuschelt. Man hat damals unangenehme Themen wie Haushalt und Finanzen einfach ausgeklammert, was sich bitter gerächt hat. Grün-Rot hinterlässt ein jährliches Haushaltsdefizit, das bis 2020 auf mehr als drei Milliarden Euro ansteigt. Da haben wir uns diesmal keinen schlanken Fuß gemacht.

Sie sagen doch genauso wenig wie Grün-Rot, wo Sie sparen wollen.

Wir haben unmissverständlich miteinander verabredet: Die Schuldenbremse wird eingehalten – ab 2020 gibt es definitiv keine Neuverschuldung mehr. Um das zu unterstreichen, werden wir die Schuldenbremse auch in die Landesverfassung schreiben.

Wenn es ans Sparen geht, werden Sie um die Ausgaben für das Landespersonal nicht herumkommen. Vor der Wahl hat die CDU lautstark kritisiert, dass Grün-Rot damit das Verhältnis zu den Beamten zerrüttet habe. Wie wollen Sie dieses Verhältnis bessern, wenn Sie nun selber ans Gehalt von Lehrern und Polizisten gehen?

Zunächst einmal: Wir sind und wir bleiben gern im Gespräch mit den Beamten. Das ist mir ein persönliches Anliegen, dass die Staatsdiener in Baden-Württemberg hoch motiviert sind und mit Freude in die Arbeit gehen. Klar ist, kein Beamter wird weniger Geld in der Tasche haben als vorher. Es geht aber darum, in welchem Tempo und in welcher Höhe Gehaltssteigerungen erfolgen.

Die Einstiegsgehälter für Beamte bleiben abgesenkt?

Nein. Wir werden die Absenkung der Eingangsbesoldung rückgängig machen. Wegen der prekären Haushaltslage können wir das aber nur in Stufen schaffen. Wir beginnen mit den Mangelberufen – wie Ingenieuren, IT-Spezialisten oder auch Sonderschullehrern – und etwa zum Ende der Legislaturperiode wird die Absenkung rückgängig gemacht sein.

Wenn Sie so wenig Geld haben: Wie wollen Sie den Riesenschritt bei der Digitalisierung hinbekommen, den Sie versprochen haben?

Wir haben verabredet, 325 Millionen Euro für die Digitalisierung auszugeben. Es ist entscheidend wichtig, dass wir das Land zukunftsfähig machen.

Im Vergleich zu Bayern, das für sein Digitalprogramm 1,8 Milliarden ausgibt, ist das wenig.

Man muss sich immer genau anschauen, was da alles hineingerechnet wird. Wir jedenfalls haben den Betrag, der bisher jährlich zur Verfügung stand, ungefähr verzehnfacht. Gewünscht hätte ich mir freilich mehr – aber der Haushalt ist, wie gesagt, in einer prekären Lage.

Wofür konkret wollen Sie das Geld ausgeben? Vor allem für den Netzausbau?

Ein Teil wird in Forschung und Entwicklung fließen. Wir wollen, dass das schnelle Internet in ganz Baden-Württemberg sehr schnell Standard wird. Wir wollen auch, dass schon die Zehnjährigen mit den enormen Chancen und auch mit den Risiken bei diesem Thema vertraut gemacht werden. Deswegen wird es die Informationstechnologie verstärkt in den Schulen geben. Wir beenden die Kreidezeit an den Schulen.

Aber steht das nicht alles unter einem Finanzierungsvorbehalt, wie es im Koalitionsvertrag heißt?

Nein. Diese Mittel sind gesetzt, genauso wie zum Beispiel die 84 Millionen für den Kinderbildungspass, die 500 Millionen für die Infrastruktur und die 1500 zusätzlichen Vollzeitstellen für die Polizei.

Der Wahlkampf war vom Thema Flüchtlinge dominiert. Bei der Präsentation des grün-schwarzen Koalitionsvertrags spielte dieses Thema aber nur eine Randrolle.

Das kann ich so nicht bestätigen. Wir haben verabredet, dass wir ein Integrationsgesetz für Baden-Württemberg machen wollen, denn Migration und Integration werden in den nächsten Jahren ganz große Herausforderungen sein. Darin sollen zwei Dinge zum Tragen kommen: Wer eine Bleibeperspektive hat und sich integrieren will, dem reichen wir die Hand, und zwar so schnell wie in keinem anderen Bundesland. Wer aber glaubt, dem Staat auf der Nase herumtanzen zu können, den werden wir schnell und konsequent spüren lassen, dass dies nicht akzeptiert wird.

Wenn die Themen Integration und Migration so wichtig sind – weshalb trennen Sie dann diese Aufgaben nach Innen- und Sozialministerium und lösen das Integrationsministerium auf?

Migration und Integration sind zwei unterschiedliche Dinge. Ob das bisherige Mini-Integrationsministerium von Grün-Rot der Weisheit letzter Schluss war, darf man schon mal hinterfragen.

Thema Ministerien: Sie haben bei der Präsentation des Koalitionsvertrags das Thema Frauen im Kabinett erfolgreich weggedrückt – schaffen Sie es, den Wunsch der Frauen zu erfüllen, dass sie die Hälfte der Ministerposten erhalten?

Ich habe für die Ungeduld der Frauen großes Verständnis. Personalfragen werden aber noch nicht beantwortet. Nur so viel: Das Thema war und ist mir als CDU-Landesvorsitzender wichtig und es wird mir auch als stellvertretender Ministerpräsident wichtig sein. Im Koalitionsvertrag haben wir übrigens deutliche Schwerpunkte gesetzt, die von den Frauen in der CDU sehr begrüßt wurden – das reicht vom Landtagswahlrecht bis hin zu einer gezielten Förderung von Familien und Kindern.

Die CDU hat die Wahl auch deshalb verloren, weil ihr die Frauen über 60 nicht mehr die Treue gehalten haben. Wie groß ist die Bereitschaft, die CDU zu modernisieren?

Die Wahlforscher sagen uns, dass die Über-60-Jährigen uns mit der Begründung nicht gewählt haben, dass die CDU etwas eingestaubt sei. Deshalb müssen wir die Fenster und Türen aufmachen und ein bisschen frische Luft rein lassen.   Die Fragen stellten Rainer Pörtner, Arnold Rieger und Maria Wetzel.