Vororttermin der Stuttgarter Stadträte im Stadtbezirk West mit Anwohnern und Handwerkern zum Thema Parkraummanagement. Foto: Peter Petsch

Die Parkregeln, die im Stuttgarter Westen seit Anfang März 2011 gelten, sollen von Oktober 2015 an auf die Stadtbezirke Mitte, Nord, Süd, Ost und Bad Cannstatt ausgeweitet werden - obwohl rund die Hälfte der Handwerksbetriebe im Westen unzufrieden mit dem System sind.

Die Parkregeln, die im Stuttgarter Westen seit Anfang März 2011 gelten, sollen von Oktober 2015 an auf die Stadtbezirke Mitte, Nord, Süd, Ost und Bad Cannstatt ausgeweitet werden - obwohl rund die Hälfte der Handwerksbetriebe im Westen unzufrieden mit dem System sind.

Stuttgart - Werner Friess hat eigens für den Besuch des Gemeinderatsausschusses für Wirtschaft und Wohnen seine Werkbank sauber gemacht. Aber auch auf der Straße vor seiner Firma Friess & Merkle Elektroanlagen sieht es sehr aufgeräumt aus. Keine Autos, die in zweiter Reihe stehen, sogar freie Parkplätze sind noch zu haben. Und das, obwohl wir mitten im Herzen des Stuttgarter Westens sind, einem Problembezirk für Autobesitzer. Denn Parkplätze sind rar.

Doch seit der Einführung des sogenannten Parkraummanagements habe sich einiges getan, sagt Friess. „Tagsüber findet man nun immer Parkplätze – für uns als Firma sind die Parkregeln eine Erleichterung“, sagt er. Das hört der Ausschuss für Wirtschaft und Wohnen gerne, haben sich die Mitglieder des Gemeinderats doch in den Westen begeben, um „Einblicke zu bekommen und Bewertungen zu hören, um gegebenenfalls nachsteuern zu können“, wie der Vorsitzende des Ausschusses, der Erste Bürgermeister Michael Föll (CDU), sagt. Zumal die Parkregeln auch auf die anderen Innenstadtbezirke und Bad Cannstatt ausgeweitet werden sollen.

Auch deshalb hat die Kreishandwerkerschaft Stuttgart im September 2013 eine Umfrage unter Handwerksbetrieben im Stuttgarter Westen gestartet, bei der die Auswirkungen des Parkraummanagements auf die Firmen abgefragt wurden. 1004 Handwerksbetriebe aus 76 verschiedenen Gewerken gibt es im Stuttgarter Westen. Alle wurden angeschrieben – Rückmeldung gab es aber nur von 57 Betrieben (5,7 Prozent). 50 Prozent dieser Betriebe haben einen Parkausweis beantragt, 50 Prozent nicht.

Auswirkung auf Kunden

Die Auswirkungen der Regeln auf ihre Kunden bewerten die Betriebe zu 35 Prozent als negativ, zu 35 Prozent als positiv, 30 Prozent meinen, die Kunden spürten keine Auswirkungen.

„Wir haben kaum Kundenverkehr“, sagt Friess. Das sieht bei einem Friseur etwa ganz anders aus. Und während sich der eine freut, dass nun tagsüber wieder Parkplätze zu haben sind, beklagt der andere, dass die Kunden ausblieben, weil sie nichts für das Parken zahlen wollen – zumal das Parken am Tag nie ein großes Problem war. Abends und nachts ist die Parksituation für Handwerker kein Problem, aber Friess sieht dann, „dass auch heute noch die Anwohner immer verzweifelt ihre Runden drehen“.

Auswirkung auf Mitarbeiter

Die Auswirkungen der Parkregeln auf ihre Mitarbeiter bewerteten die Betriebe zu 51 Prozent als negativ und zu zwölf Prozent als positiv. 37 Prozent gaben an, die Parkregeln hätten keine Folgen für ihre Mitarbeiter.

Das Problem: Die Mitarbeiter haben kein Anrecht auf einen Anwohnerparkausweis und müssen fürs Parken somit jeden Tag eine Parkgebühr zahlen. „Meine Leute – ich habe insgesamt 25 Angestellte – kommen entweder mit den öffentlichen Verkehrsmitteln, oder sie parken außerhalb des Gebiets, in dem das Parkraummanagement greift, und laufen her“, sagt Friess.

Die Auswirkungen davon bekommt auch Gerd Kopf zu spüren. Sein Betrieb, die Schreinerei Kopf, liegt im Gewerbegebiet Unter dem Birkenkopf. Dieses liegt außerhalb, aber genau am Rand des Parkraummanagements. „Wir bekommen den ganzen Ausweichverkehr, den Überlauf ab“, sagt Kopf.

Die Schreinerei ist der zweite Betrieb, dem der Ausschuss einen Besuch abstattet, er ist „die andere Seite der Medaille“, wie Föll sagt. Denn Gerd Kopfs 20 Mitarbeiter und seine Kunden finden keine Parkplätze mehr bei der Schreinerei, seit es die neuen Parkregeln gibt. Zwar ist auch Kopfs Werkbank blitzeblank, bei den Parkplätzen hingegen sieht es unübersichtlicher aus. „Das Problem wird sich durch die Ausweitung des Parkraummanagements noch verschärfen – ich wünsche mir, dass die Parkregeln auch hier eingeführt werden“, sagt Kopf.

Der Kreishandwerksmeister Alexander Kotz merkt selbstkritisch an, dass man tatsächlich lange Zeit Firmen in Gewerbegebiete gelockt habe mit der Aussicht, dort beste Voraussetzungen für sich und ihre Kunden vorzufinden. „Jetzt ist zumindest das Argument, dass man dort unproblematisch parken könne, hinfällig.“

Auswirkung auf Betriebe

49 Prozent der Betriebe schätzen die Auswirkungen der Parkregeln als negativ für den Betrieb ein, 24 Prozent als positiv. 27 Prozent gaben an, keine Auswirkungen zu spüren.

Werner Friess hat es konkret mit zwei verschiedenen Auswirkungen zu tun: Er muss 1600 Euro pro Jahr für Sonderparkausweise für Gewerbetreibende und eine Ausnahmegenehmigung für Handwerkernotdienste ausgeben. Dafür bekommt er nun aber „fast immer“ einen Parkplatz vor dem Haus seiner Kunden. „Ich nehme die Kosten deshalb gern in Kauf“, sagt er. Kotz wirft ein, dass für manch einen Betrieb dies aber durchaus „eine stolze Summe“ sei.

Gerd Kopf, der sich als Nahversorger für den Westen sieht, muss ebenfalls Sonderparkausweise für Gewerbetreibende kaufen. Er regt an, einen „Flottenrabatt“ einzuführen. Gut findet er, dass die Parkregeln „die Konkurrenz von außerhalb aus dem Westen raushalten“.

Kopf übrigens hat seinen Fuhrpark von rund zehn Fahrzeugen erst kürzlich um ein Elektroauto erweitert. „Wollen Sie wissen, was der größte Kaufanreiz war? Dass ich damit überall umsonst parken kann“, sagt er.

Fazit

Welche Anregungen kann der Ausschuss mitnehmen – auch für die geplante Erweiterung der Parkregeln? Aus der Umfrage geht unter anderem hervor, dass auch die anderen Handwerker die Kosten für die Sonderparkausweise als Belastung empfinden und die Kunden den Ärger über die Parkkosten am Betrieb auslassen. Zudem gibt es Problemfälle wie Bäckereien, deren Angestellte wegen des frühen Arbeitsbeginns nicht mit dem öffentlichen Nahverkehr anreisen können, oder Autowerkstätten, die für die abgestellten Autos ihrer Kunden Parktickets ziehen müssen. Außerdem, so der Wunsch, soll eine Ausnahme für das Gewerbegebiet Unter dem Birkenkopf geschaffen werden, um die Ausweichparker rauszuhalten. Gerd Kopf nickt und wischt über die Werkbank.