Die Fantas 1992 vor dem legendären Kartenhäusle am Kleinen Schlossplatz Foto: Michael Lutz

Die Fantastischen Vier feiern Silberhochzeit und spielen auf ihrer 25-Jahr-Rekord-Tour Ende des Jahres gleich dreimal daheim in der Schleyerhalle. Angefangen hat alles 1989 in einem Kindergarten in Wangen, wie sich die frühen Fans im Internetforum des Stuttgart-Albums erinnern.

Stuttgart - Viermal 25 macht 100. Stuttgarts erfolgreichste Band hat – wer hätte das gedacht? – die hundertjährige Blüte erreicht. Als Smudo, Michi Beck, Andy Ypsilon und Thomas D. (drei Abiturienten und ein Friseur) im Jahr 1992 mit „Die da“ bis auf Platz zwei der deutschen Hitparade kamen, dachten viele, die Fantastischen Vier sind mal wieder Stars auf Abruf. Die deutschen Hip-Hop-Pioniere indes ahnten womöglich schon, dass noch lange was geht. „Der Traum geht weiter, weil der Zauber wirkt“, heißt es in dem Lied „Der Krieger“.

Mit dem Zauber fing es am 7. Juli 1989 an – bei einem Konzert in einem stillgelegten Kindergarten im Stadtteil Wangen. Thomas Weinhold war dabei, wie er auf der Facebook-Seite des Stuttgart-Albums berichtet: „Ein gigantischer Auftritt – die Jungs nannten sich Terminal Team.“ Dass die vier Rapper mal zum Teil der Stadtgeschichte werden sollten, war selbst in den fantastischsten Träumen nicht vorstellbar. Sie waren die ersten, die mit Erfolg vormachten: Hiphop, die Musik der schwarzen Slums, funktioniert auch auf Deutsch. Die Begegnung mit ihrem Manager Andreas „Bär“ Läsker war das zweite Wunder. Der Rest ist Legende.

Die Fantas riefen dazu auf, die Sonne zu spüren. Dazu gab’s klare Anweisungen: „Spiel in deinem Leben auf jeden Fall die Hauptrolle!“ Später sangen sie: „Die Jungs haben sich kaum verändert, außer den Augenrändern.“ Große Ereignisse wie eine Silberhochzeit werfen ihre Schatten unter die Augen. Und es sind wie früher die kleinen Tricks, die das Leben leichter machen: „Lern zu lieben, wen du siehst, und dazu gibt es einen Trick - sag schnipp dippeldidip!“

Lang ist’s hier, dieses schnipp-dippeldidip, aber es dippeldidipt noch immer. Längst gehören die Vier zu Stuttgart wie der Fernsehturm und ’s Rössle. „Was wäre mein Leben ohne euch?“, fragt Saskia Ringwald im Internetforum des Stuttgart-Albums und erinnert sich: „Erstes Konzert, erster Rausch, erstes Autogramm. Anfang der 1990er vor dem Stuttgarter Rathaus während einer Demo-Veranstaltung (ich glaube wegen des Golf-Kriegs). Vom Hiphop nie mehr weggekommen, dafür aber vom Alkohol. Und das Autogramm hat Mama direkt weggewaschen, das nervt heute noch.“

Die Demo, an die sich Saskia Ringwald erinnert, war ein „Aktionstag gegen Hass und Gewalt“. Es gab einen Massenansturm, wie die Stuttgarter Nachrichten am 22. Januar 1993 berichteten, dafür sei der Marktplatz zu klein gewesen: „Schon früh musste die Polizei die Zugänge absperren.“ Polizeireporter Wolf-Dieter Obst fragte in unserem Blatt: „Warum hatte der Landtag als Veranstalter nicht den größeren Schloßplatz gewählt?“ Mit diesem Andrang habe man nicht rechnen können, erklärte ein Sprecher der Landtagsverwaltung, „das hat eine unglaubliche Eigendynamik entwickelt“.

Auf der Titelseite der Stuttgarter Nachrichten war ein Foto des vollgestopften Marktplatzes zu sehen. Eigentlich sollten die Fantas auf Seite. So war es mit der jungen Band ausgemacht, weshalb sie genau zum vereinbarten Zeitpunkt die Bühne betrat. Doch dann wählte die Redaktion im Pressehaus das beeindruckende Foto der Masse für den Titel aus. Die Fantas kamen auf die erste Lokalseite. „Es ist gut, dass so viele da sind, um für Menschlichkeit einzutreten“, sagte Smudo, „hört auf, den Kopf zu rasieren.“

Ihre Verbundenheit mit ihrer Heimatstadt hatten sie schon im ersten Erfolgsjahr 1992 bewiesen. Die Fantas ließen sich vor dem legendären Kartenhäusle am Kleinen Schlossplatz fotografieren. Es war die Zeit, als man nicht im Internet seine Ticketwünsche anklickte – das Konzerterlebnis begann beim kollektiven Anstehen vor dem berühmtesten Betonkasten der Stadt. Der Stuttgarter Rapper Max Herre hat diesem Ort eine tolle Hymne verliehen. Auszug aus dem Lied „1ste Liebe“: „Erinner mich, wie wir am Kleinen Schlossplatz rumgesessen sind. Ich zwar zwölf und Rollerskater, Cryptos, breite Achsen unter ollen Tretern, fuhr mit 50 Sachen down und mich hat’s gebrettert, hab mein Arm geschreddert.“

Max Herre stand den Fantas schon in frühen Jahren nahe, wie Internetbesucher des Stuttgart-Albums bemerkt haben. Auf dem Foto vom Auftritt der Fantastischen Vier 1992 im Club On-U an der Theodor-Heuss-Straße, das auf der Facebook-Seite unseres Geschichtsprojekts gepostet wurde, haben etliche Fans Max Herre als Zuschauer erkannt. Er ist zwischen Thomas D. und Smudo zu sehen, sitzt hinter der Band. Damals war er 20 Jahre alt. Einige Zeit später schrieb der „Spiegel“ über ihn: „Herre ist die Identifikationsfigur einer Generation, die die Zeit der Hausbesetzungen nur aus Erzählungen der Eltern kennen.“ Aber eines eint sie: Ihre erste Liebe heißt Stuttgart.

Diskutieren Sie mit im Internet: www.facebook.com/Album.Stuttgart. Schicken Sie historische Fotos an: info@stuttgart-album.de. Das Stuttgart-Album ist als Buch im Silberburg-Verlag erschienen.