Widerstand gegen Stuttgart 21 Foto: dpa

„Juristen zu Stuttgart 21“ kritisieren Vertragsentwurf der Bahn – Regelung der Entschädigung und Haftung werfen Fragen auf.

Stuttgart - Im Auftrag der DB Netz AG beginnt die LBBW Landsiedlung GmbH derzeit damit, an die Grundstückseigentümer entlang der geplanten Stuttgart-21-Tunnelstrecken Vertragsvorschläge zu verschicken. Diese sollen der Deutschen Bahn Nutzungsrechte für den Bau und Betrieb der unterirdischen Trasse im Grundbuch einräumen.

Doch gegen das Vertragswerk regt sich Widerstand: Der 40-köpfige Arbeitskreis der „Juristen zu Stuttgart 21“ kritisiert, dass die Grundstückseigentümer in dem derzeitigen Vertragsentwurf benachteiligt würden.

So bemängeln die Juristen etwa, dass die Pflichten des Grundstückeigentümers zu weit gefasst seien. Unter Paragraf 1 des Vertrags heißt es dazu: „Die Eigentümer verpflichten sich, auf dem oben genannten Grundstück alle Handlungen zu unterlassen, die den Bau, den Bestand, den Betrieb und die Unterhaltung des Eisenbahntunnels stören oder gefährden könnten.“ Welche Handlungen dies sein könnten, regele der Vertrag nicht, kritisiert Uwe Dreiss von den „Juristen zu Stuttgart 21“. Das Problem aus Sicht der Bahn sei, dass die Entschädigungszahlungen höher ausfallen müssten, je mehr Einschränkungen sie den Eigentümern auferlege. Schließlich verliere jedes Grundstück durch derartige „Grundbuchverschmutzungen“ an Wert, betont Klaus Lebsanft, Anwalt für Baurecht und ebenfalls Mitglied im Arbeitskreis. Eine angemessene Entschädigung lasse sich daher nur anhand von konkreten Angaben bemessen.

Was passiert, wenn sich Risse in der Hauswand auftun?

Als einen weiteren kritischen Punkt sehen die Juristen die Frage der Haftung, die unter Paragraf 3 geregelt wird. Was passiert, wenn sich im Zuge der Bohrarbeiten im Untergrund Risse in der Hauswand auftun? Die vorgeschlagene Vereinbarung sehe vor, dass im Falle eines Schadens am Haus nicht die Bahn, sondern das jeweilige Subunternehmen herangezogen werden müsse, sagt Klaus Lebsanft. Dies sei bei einem Großprojekt wie Stuttgart 21 jedoch ein Ding der Unmöglichkeit. „Die Bahn zieht sich damit aus der Verantwortung“, meint der Anwalt.

Sollte eine Einigung über die Beseitigung eines Schadens nicht erfolgen und ein Sachverständiger beauftragt werden müssen, so sieht der Vertragsentwurf vor, dass die DB Netz AG diesen bestimmt. Die „Juristen zu Stuttgart 21“ raten hingegen dringend dazu, die Wahl des Gutachters dem Eigentümer zu übertragen.

Auch die Beweispflicht, die nach derzeitiger Formulierung beim Grundstückseigentümer liegt, sehen die Juristen kritisch: „Wenn ich als Eigentümer etwas will, muss ich die Bahn verklagen“, kritisiert Klaus Lebsanft: „Am Ende bleibe ich dann vielleicht noch auf den Kosten sitzen.“

„Wir wollen, dass sich die Eigentümer Gedanken machen.“

Der Entwurf der Juristen sieht daher vor, dass an den Häusern im Zuge der Bohrarbeiten entstandene Schäden „als durch den Bau bzw. Betrieb verursacht gelten, sofern die DB Netz AG nicht den Nachweis führt, dass dies nicht der Fall ist“.

Es gehe den Juristen keinesfalls darum, gegen Stuttgart 21 vorzugehen, betont Klaus Lebsanft. „Wir wollen, dass sich die Eigentümer Gedanken machen.“ Betroffen seien alle – Gegner wie Befürworter des umstrittenen Bahnprojekts. Sich Gesprächen mit der Bahn zu verweigern sei indes kein geeignetes Mittel zum Widerstand gegen S 21, sagt Lebsanft. Denn das Allgemeine Eisenbahngesetz (AEG) sieht im Falle eines vorliegenden Planfeststellungsbeschlusses für ein Projekt derartige Teilenteignung nun mal vor. Fehlt das Einverständnis des Grundstückseigentümers, kann dennoch unter Vorbehalt eine Erlaubnis erteilt werden, um den zeitlichen Ablauf des Projekts nicht zu gefährden.

Grundstückseigentümer sollten daher unbedingt ihre Interessen vertreten und sich von einem fachkundigen Anwalt beraten lassen, rät Lebsanft. Der Vorschlag der Juristen könne nur als Orientierung dienen, da es bei der Beurteilung der Grundstücke große Unterschiede gebe.

Unter www.juristen-zu-stuttgart21.de können sich Betroffene informieren.