Im September ist der Grundstein für den neuen Bahnhof gelegt worden. Das Bauvorhaben könnte bis 2024 dauern. Foto: dpa

Wirtschaftsprüfer sehen die Kosten des Projekts überwiegend im Finanzierungsrahmen, monieren aber den Bauzeitverzug um bis zu drei Jahre.

Stuttgart - Der Aufsichtsrat der Bahn AG kommt am 13. Oktober erneut zusammen, um sich mit dem Infrastrukturprojekt Stuttgart 21 zu beschäftigen. Hauptpunkt ist das bereits im Frühjahr vom Kontrollgremium in Auftrag gegebene Gutachten der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG. Die Vorzeichen für die Sitzung stehen günstiger, als es die jüngste Bestandsaufnahme des Projekts durch den Bundesrechnungshof vermuten ließ.

Die Bonner Behörde, die vor allem die Haushalts- und Wirtschaftsführung des Bundes kritisch unter die Lupe nimmt, kam nicht auf die vom Aufsichtsrat 2013 maximal erwarteten rund 6,5, sondern auf nahezu zehn Milliarden Euro Bau- und Finanzierungskosten. Der Rechnungshof summiert in seinem vertraulichen Papier an den Haushaltsausschuss des Bundestages zahlreiche Risiken, Verzögerungen, aus seiner Sicht zu gering bewertete Nachträge und von der Bahn nicht berücksichtigte Zinskosten. Und die Rechnungsprüfer sehen „Unzulänglichkeiten“ bei der korrekten Verwendung von Bundeszuschüssen für das Projekt.

Der Gegensteuerungsbedarf ist hoch

Das Gutachten von KPMG und dem Schweizer Ingenieurbüro Ernst Basler bestätigt den Rechnungshof nicht. Es sieht Stuttgart 21 laut „Süddeutscher Zeitung“ bei 6,3 bis 6,7 Milliarden, in Betrieb gehen sollen Tiefbahnhof und Strecke zwischen Ende 2022 und Ende 2024. Diese Daten liegen sehr nahe an denen, die Bahn-Vorstand Volker Kefer dem Aufsichtsrat im Juni präsentiert hatte. Er musste damals weitere Risiken und einen enormen „Gegensteuerungsbedarf“ von 524 Millionen Euro einräumen. Die Summe muss eingespart werden, um das Projekt bei jenen 5,987 Milliarden Euro zu halten, die der Aufsichtsrat (aus dem Gesamttopf von 6,526) bisher freigegeben hat. Außerdem sei eine Eröffnung Ende 2023 wahrscheinlicher als Ende 2021.

Über die verschärfte Lage informierte Kefer Ende Juni auch den mit Vertretern von Land und Stadt und Region Stuttgart besetzten Lenkungskreis für Stuttgart 21. Zum KPMG-Gutachten gab er sich in der Pressekonferenz nach der Sitzung am Flughafen prophetisch: „Was wir noch laufen haben im Moment ist eine vom Aufsichtsrat induzierte externe Nachschau unserer Berichterstattung. Da sie auf derselben Datenbasis aufbaut, gehen wir davon aus, dass sie unsere Berichterstattung bestätigt“. Die Bestandsaufnahme der Bahn, geleistet vor allem von der Stuttgarter S-21-Projektgesellschaft unter Leitung von Manfred Leger, erscheine allen plausibel. Die Kosten- und Risikoentwicklung, so Kefer damals, „finden wir nicht wirklich überraschend“.

Der Lenkungskreis trifft sich am 7. November

Kefer kann sich durch KPMG bestätigt fühlen, auch wenn die Wirtschaftsprüfer kritisieren, Risiken seien unterschätzt worden. Ob er damit auch die Mitzahler überzeugen kann? Der Lenkungskreis mit Verkehrsminister Winfried Hermann, Stuttgarts OB Fritz Kuhn (beide Grüne) und Regionalpräsident Thomas Bopp (CDU) tagt am 7. November in den Räumen der Bahn in Stuttgart. Die Stadt habe ein „elementares Interesse daran, dass der neue Bahnhof fristgerecht 2021 fertig wird“, sagt Kuhns Sprecher. Man erwarte, dass das Gutachten am 7. November erläutert werde.

Minister Hermann will sich eine eigene Meinung bilden und verwies am Freitag bei der Frage nach der Diskrepanz der KPMG- und Bundesrechnungshof-Zahlen auf womöglich unterschiedliche Ansätze. Risiken, die mit unter 50 Prozent Eintrittswahrscheinlichkeit bewertet würden, rechne die Bahn gar nicht in ihre Kalkulation ein.

Gegner laden in Landesvertretung ein

Die Projektgesellschaft, die mit die Grundlagen für die Prüfung lieferte und die Schweizer Ingenieure bei einem Gang durch die Tunnelbaustellen begleitete, wollte am Freitag keinen Kommentar zum Gutachten abgeben. Es sei „streng vertraulich“.

Äußern werden sich die Gegner des Projekts. Und zwar am 10. Oktober in der Vertretung des Landes Baden-Württemberg in Berlin. Sofern er nicht zum Umsturz aufruft, kann dort jeder Tagungsräume anmieten. Man habe übers Jahr 900 Veranstaltungen, die Gegner hätten angefragt, Lage (am Tiergarten) und Preise des Hauses seien attraktiv, heißt es in der Vertretung. Das Aktionsbündnis der Gegner will den Aufsichtsräten einschärfen, dass sie mit ihren Entscheidungen ein Projekt unterstützten, das aktienrechlich – wenn man den Zahlen des Rechnungshofes folge – gar nicht weitergeführt werden dürfte. Mit fast zehn Milliarden sei es für die Bahn nicht wirtschaftlich. Das Aktionsbündnis sieht die Aufsichtsräte damit in der Haftung.