Frauen mit Fahrradschloss leisten Widerstand gegen Stuttgart 21. Foto: StN

Wer sich festkettet, um die Polizei bei der Räumung aufzuhalten – ist das eine Straftat des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte oder gar Nötigung? Oder lediglich eine „körperliche spektakuläre Meinungsäußerung“, um auf Missstände aufmerksam zu machen? Zwei Gegnerinnen des Bahnprojekts Stuttgart  21 sehen letztere Antwort als richtig an.

Stuttgart - Wer sich festkettet, um die Polizei bei der Räumung aufzuhalten – ist das eine Straftat des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte oder gar Nötigung? Oder lediglich eine „körperliche spektakuläre Meinungsäußerung“, um auf Missstände aufmerksam zu machen? Zwei Gegnerinnen des Bahnprojekts Stuttgart  21 sehen letztere Antwort als richtig an. Die 51 und 49 Jahre alten Frauen müssen sich indes wegen ersteren Vorwurfs vor der 41. Berufungskammer des Landgerichts verantworten.

„Was Gewalt ist und was nicht, das ist hier die spannende Frage“, sagte Vorsitzender Richter Gless beim Prozessauftakt. Amtsrichter hatten sich zu Beginn letzten Jahres festgelegt: Die Frauen waren wegen Widerstands zu Geldstrafen zu 30 beziehungsweise 40 Tagessätzen verurteilt worden. Die 51-Jährige hätte, wegen einer anderen Verurteilung 1200 Euro, die 49-Jährige 1000 Euro zahlen müssen. Beide legten Berufung ein – und versuchen nun das Landgericht zu überzeugen.

Die Frauen hatten bei der Räumung des Südflügels am 13. Januar 2012 und der Polizei-Großaktion im Schlossgarten am 15. Februar 2012 mit auffälligem Protest „ein Zeichen setzen“ wollen. Sie waren jeweils mit einem Fahrradschloss am Hals angekettet. Eine symbolische Handlung, betont die 49-jährige Haushälterin. „Friedlich und gewaltfrei“, sagt sie. Die 51-Jährige, beruflich technische Zeichnerin und ehrenamtlich Pflegerin von kranken Tieren, habe „einen sichtbaren Beitrag zur Aufklärung leisten“ wollen. Immer sei ihnen klar gewesen, dass sie weder Abriss noch Baumfällungen hätten verhindern können.

Die 51-Jährige würde das auch immer wieder tun: „Zivilcourage ist für unsere Demokratie lebenswichtig“, sagt sie. Mit solchen spektakulären Aktionen sei erst das entsprechende Medienecho zustande gekommen. „Es ist ja leider so, dass Fakten über Missstände alleine nicht interessieren“, so die Angeklagte, „ein Plakat wird doch nicht so wahrgenommen.“

Dass die Aktionen als Gewalt gewertet würden, ist für die Frauen völlig unverständlich. „Der Gewaltbegriff wird verzerrt, nur um uns zu verurteilen“, sagt die 51-Jährige. Man habe sich gegenüber den Polizisten, die sie von den Schlössern befreiten, kooperativ verhalten, die Beamten seien sehr freundlich gewesen. Von Gewalt keine Spur. Der Prozess wird fortgesetzt.