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Die Kostenexplosion beim Bahnprojekt Stuttgart 21von 4,5 auf bis zu 6,8 Milliarden Euro hat am Freitag Bundestag und Verkehrsausschuss beschäftigt. Neben Parteiengezänk über die Schuldfrage wächst die Kritik am Verhalten der Bahn.

Stuttgart - Der Verkehrsausschuss des Deutschen Bundestages wird das neue Jahr so beginnen, wie das alte endete: Mit einer Debatte über das Bahnprojekt Stuttgart 21.

Am Freitag haben sich die 37 Ausschussmitglieder von 8 bis 9 Uhr die Planungskatastrophen und die daraus folgende Finanzierungsmisere des Projekt von Bahn-Technikvorstand Volker Kefer schildern. Pro Fraktion reichte die Zeit dann noch für einen Fragesteller. Neue Erkenntnisse konnten die Parlamentarier so nicht gewinnen. Deshalb wird es am 16. Januar eine Fortsetzung geben. Dann erwarte man, dass Bahnchef Rüdiger Grube Antworten liefere.

„Herr Kefer hat versucht, uns zu vermitteln, wie man auf die neuen Zahlen kommt“, sagt das Ausschussmitglied Ute Kumpf. Das sei nicht gelungen, zeigt sich die Stuttgarter SPD-Abgeordnete unzufrieden mit Kefers Auftritt: „Die Bahn war nicht in der Lage, uns zur Sitzung Unterlagen zur Verfügung zu stellen.“ Kefer habe Folien präsentiert. Die Auflistungen der Bahn glichen einem „Verwirrspiel“. Ihre Fraktion werde „eine ganze Latte an Fragen formulieren“, so Kumpf. Die „lapidare Bemerkung“ von Kefer, man wisse doch, dass Großprojekte sich veränderten, hält sie angesichts der von 4,5 auf bis zu 6,8 Milliarden Euro steigenden Baukosten für nicht akzeptabel. „Meiner Meinung nach kann sich das über die 6,8 Milliarden hinaus entwickeln“, sagt die erklärte Stuttgart-21-Befürworterin. Weil nur die Bahn diese Kosten noch stemmen könne stelle sich die Frage, welche Auswirkungen sich bundesweit für den Schienenverkehr ergäben. – Derartige Töne haben bisher nur Gegner des Projekts angeschlagen.

Ein Bahn-Sprecher verteidigte auf Anfrage unserer Zeitung das Vorgehen gegenüber dem Ausschuss. Die Unterlagen seien veröffentlicht worden, die Parlamentarier hätten sie sich im Internet besorgen können. Er räumte ein, dass die Darstellung der Kostenentwicklung (14 Seiten) erklärungsbedürftig sei. Diese Erklärungen werde man geben.

Der Bahn-Vorstand hatte dem Aufsichtsrat am Mittwoch eine Rechnung vorlegt, die auf Zahlen aus dem April 2009 gründet. Die Bahn hatte aber im März 2012 eine neuere Kalkulation veröffentlicht. Diese könne nicht verwandt werden, weil man mit dem Land im Lenkungskreis zu Stuttgart 21 keine Übereinstimmung über die neuen Zahlen erzielen konnte, so der Sprecher. In jedem Fall sei aber klar, dass die Bahn 1,1 Milliarden der Mehrkosten übernehmen wolle und damit ein neuer Puffer für Preissteigerungen und Baurisiken in Höhe von 930 Millionen Euro geschaffen werde. Dann noch fehlende bis zu 1,2 Milliarden Euro sollten die Partner – Land, Stadt, Region und Flughafen Stuttgart – absichern.

„Wir müssen diese Zahlen erst mal verdauen, ich habe keine Lösung“, sagt der Stuttgarter CDU-Abgeordnete Stefan Kaufmann. Er gehört dem Ausschuss ebenfalls an. Wichtig sei für alle Beteiligten, „einen Gerichtsgang zu vermeiden“. Auch Kumpf plädiert für „Abrüstung“. Bahn und Land haben mit Gutachten ihre jeweilige Position untermauert. Die Bahn sieht für das Land die Pflicht, über 4,5 Milliarden Euro hinaus für Stuttgart 21 zu zahlen. Das Land sieht diese nicht und erwartet daher eine Klage der DB.

Der Grünen-Abgeordnete Harald Ebner (Schwäbisch Hall), der ebenfalls dem Ausschuss angehört, erklärte, Kefer habe Gesprächsbereitschaft für den Ausstieg aus Stuttgart 21 signalisiert. Kumpf und Kaufmann sehen das anders, die Bahn dementierte. Klar sei, so Kumpf, dass die Bahn dem Aufsichtsrat „die genauen Kosten einer Rückabwicklung“ nennen müsse. Ein Projektende könne nur „mit allen Beteiligten gesamtverantwortlich verhandelt werden“. Dann, so Kumpf, stelle sich die Frage, „was mit dem Bahnverkehr in Stuttgart geschieht“.

Im Bundestag debattierten alle Fraktionen am Nachmittag in einer von den Grünen angesetzten aktuellen Stunde über Stuttgart 21. Dabei kam es zu gegenseitigen Schuldzuweisungen, wer es wann mit welchem Verkehrsminister befördert und zu wenig kontrolliert habe. Sabine Leidig (Linke) unterstellte dem Bahn-Management eine „planmäßige Kostenlüge“.