Ein paar Minuten Ruhe: in stressigen Situationen kann eine Gedankenreise helfen. Foto: dapd

Schlaflosigkeit, Kopfschmerzen und Erschöpfung. Regelmäßige Pausen, Entspannungsübungen und Absprachen mit dem Chef helfen.

Kollegen sind im Urlaub, das E-Mail-Fach quillt über, das nächste Meeting ist noch nicht vorbereitet, ein Termin jagt den anderen, zu Hause ist der Kühlschrank leer, und die Kinder müssen auch noch abgeholt werden. Wer sich ständig einen 36-Stunden-Tag wünscht, permanent verschiedene Dinge gleichzeitig erledigt und negativen Stress zum Dauerzustand macht, überfordert sich sowohl körperlich wie psychisch. Die Auswirkungen sind individuell verschieden. Die einen reagieren mit Herzrasen und Schlafstörungen, andere bekommen Magen-, Rücken- oder Kopfschmerzen. Doch nicht nur bei körperlichen Symptomen sollten die Betroffenen wachsam werden, auch bei emotionalen und geistigen Reaktionen. Dazu zählen Nervosität, Konzentrationsschwäche, depressive Verstimmungen, Albträume, Leistungsabfall und Aggressivität.

'Stress bedeutet immer ein Ungleichgewicht zwischen den Anforderungen der Arbeit auf der einen Seite und den persönlichen Fähigkeiten auf der anderen Seite', erklärt Dieter Zapf, Professor für Arbeits- und Organisationspsychologie an der Universität Frankfurt. Die psychischen Belastungen durch Termindruck oder komplexe Aufgaben seien gestiegen. Gleichzeitig gebe es weniger Zeit, um Spannungen und Konflikte zu lösen. 'Damit kommen viele Menschen nicht klar', sagt der Psychologe. Marlen Hupke, Referentin der Leitung des Instituts für Arbeit und Gesundheit der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung in Dresden, bestätigt diese Entwicklung. 'Arbeitsanforderungen, die zur Stressentstehung beitragen können, haben in den letzten beiden Jahrzehnten zugenommen', sagt die Arbeitspsychologin. So müssten Aufgaben heute häufig in kürzerer Zeit bearbeitet werden, und auch die Arbeitsplatzunsicherheit sei in vielen Branchen gewachsen. Organisationsprobleme in Firmen können ebenfalls bei Mitarbeitern Stress auslösen, beispielsweise wenn Verantwortlich- und Zuständigkeiten nicht eindeutig geregelt, Prioritäten und Ziele nicht klar definiert sind. Auch soziale Konflikte mit Kollegen, Kunden oder Vorgesetzten können dazu beitragen. Ein weiterer Stressfaktor sind die permanente Erreichbarkeit und die Vielzahl der Kommunikationskanäle. Bei den Auswirkungen von Stress sei zwischen kurz- und langfristigen Folgen zu unterscheiden.

Langfristig treten gesundheitliche Beschwerden auf

Während kurzfristig vor allem die Konzentration und die Leistungsfähigkeit abnehmen und sich Fehler häufen, treten bei langfristigem Stress verstärkt gesundheitliche Beschwerden auf, die zu erhöhten Fehlzeiten führen. Nach einer aktuellen Studie der AOK führen Zeitdruck und Überlastung am Arbeitsplatz immer häufiger zu psychischen Erkrankungen. Die Stu die ergab, dass Arbeitnehmer im Dienstleistungs-, Verwaltungs- und Versicherungssektor am häufigsten psychisch erkranken. Um dies zu ändern, sollten Stressgeplagte zuerst genau analysieren, welche Faktoren sie belasten, welche Probleme vorhanden sind und welche Ursachen den Stress auslösen.

'Dabei kann überlegt werden, ob die Arbeitsanforderungen verändert werden können, eine Qualifizierung nötig ist oder eine professionelle Beratung aufgesucht werden sollte', sagt Hupke. Es kann helfen, sich in Konfliktsituationen abzugrenzen und sich in stressigen Phasen Prioritäten zu setzen. Hilfreich ist ebenso ein Gespräch mit dem Chef, um die Situation zu ändern, sowie sich soziale Unterstützung zu holen und zum Beispiel mit Freunden oder dem Partner über die Belastungssituation zu sprechen. Wer sich Entspannung gönnt, kann Stress ebenfalls entgegenwirken. Neben Massagen helfen beispielsweise Yoga und Qigong dabei, die Fähigkeit, sich zu entspannen, zu lernen und zu trainieren. Nach der psychotherapeutischen Heilpraktikerin Gabriele Kleefeld aus Stuttgart wächst die Nachfrage nach aktiver Entspannung. 'In meiner Praxis verzeichne ich seit drei Jahren eine deutliche Zunahme von arbeitsplatzbedingten Burn-out-Symptomatiken', sagt die Entspannungstrainerin. Durch das Erlernen von Selbstentspannungsmethoden entdecke man innere Ruhe und Gelassenheit, Energien und Lebensfreude würden mobilisiert und die Gesundheit gefördert. Kleefeld hat speziell für Unternehmen ein individuell angepasstes 'Stress-Watching-Programm', das verschiedene Module beinhaltet. In einem Basismodul informiert Kleefeld die Mitarbeiter über Ursachen, Symptome und Hilfen bei Stress und motiviert sie dazu, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Im Praxismodul analysieren die Teilnehmer mit der Trainerin ihre individuellen Stressauslöser, entwickeln Lösungen und erlernen am Arbeitsplatz einsetzbare Entspannungstechniken. Im Trainingsmodul werden weitere Entspannungsformen zur langfristigen Stressreduzierung eingeübt.

Nach Kleefeld würden zunehmend Unternehmen, deren Mitarbeiter viel Kundenkontakt haben, auf Stressbewältigung achten. Insgesamt fehle jedoch das Bewusstsein für die begrenzte Belastbarkeit. Laut Entspannungstrainer Ulf Mahnstein kann Stress auch durch körperliches Auspowern und Genuss abgebaut werden, beispielsweise durch joggen, Spazieren gehen oder Musik hören. Er weist darauf hin, dass vor allem Bewegung und bewusstes und tiefes Atmen zur Entspannung führen, weil durch sportliche Aktivitäten Stresshormone abgebaut und Spannungen gelöst werden können und die Atmung an das vegetative Nervensystem gekoppelt ist. Wer Massagen bevorzugt, muss darauf auch am Arbeitsplatz nicht verzichten. Im Raum Stuttgart kommt Trainerin Patricia Ankener mit einem mobilen Massagestuhl ins Unternehmen, um die stressbedingten Verspannungen der Mitarbeiter im Nacken und Rücken zu lösen.