Luca Strehle, seit zwei Jahren Chef bei dem angeschlagenen Familienunternehmen Strenesse, will mit seiner Firma die Kurve kriegen Foto: StN

Luca Strehle ist seit zwei Jahren Chef bei dem Modeunternehmen Strenesse. Im April hat die Traditionsfirma Insolvenz in Eigenverwaltung angemeldet. Das heißt: Strehle muss die Firma aus den roten Zahlen hieven und vor der Pleite retten. Im Interview sagt er, wie.

Luca Strehle ist seit zwei Jahren Chef bei dem Modeunternehmen Strenesse. Im April hat die Traditionsfirma Insolvenz in Eigenverwaltung angemeldet. Das heißt: Strehle muss die Firma aus den roten Zahlen hieven und vor der Pleite retten. Im Interview sagt er, wie.
Herr Strehle, wie gefällt Ihnen die neue Garderobe vom Fußball-Bundestrainer?
(Lacht) Jogi Löw war schon besser angezogen. Der blaue Strenesse-Pullover etwa ist Legende. Ich habe auch drei davon.
Seit Mai 2013 kleidet Hugo Boss die DFB-Elf ein. Eigentlich hätte Ihr Ausstattungsvertrag doch die Fußball-WM eingeschlossen, oder?
Das stimmt. Wir haben den Vertrag nach vier Jahren vorzeitig gekündigt. Seit meinem Amtsantritt vor zwei Jahren fokussieren wir uns stärker. Fußball ist ein Thema, das vor allem auf Männer abzielt. Wir wollen uns künftig aber wieder deutlich mehr auf Damenmode konzentrieren, die gut 90 Prozent unseres Geschäfts ausmacht und für die Strenesse auch steht. Darum habe ich nach der Europameisterschaft beschlossen, die Kooperation zu beenden, obwohl der Vertrag die WM 2014 eigentlich eingeschlossen hat.
Hat sich die Zusammenarbeit nicht gelohnt?
Das Ausstatten hat einfach nicht die richtige Zielgruppe bedient. Zudem ist es auch teuer, einen DFB-Kader einzukleiden. Es geht nicht nur um die Spieler, sondern um insgesamt bis zu 70 Personen, die insgesamt drei Outfits gestellt bekommen. Das geht bei einer kleinen Firma ins Geld. Dazu kommt, dass Ausstatter im Vergleich zu Sponsoren sehr eingeschränkte Rechte haben. Ich durfte beispielsweise die Bilder des Trainers oder der Spieler, die unsere Outfits getragen haben, nicht nach meinen Wünschen verwenden. Rückblickend hat sich die Kooperation nicht gelohnt. Und Strenesse wird traditionell eher mit Kunst-, Kultur- und Literatur-Sponsoring in Verbindung gebracht. Das wollen wir jetzt wieder stärken. So hat neulich in Cannes der „Fack ju Göhte“-Star Elyas M’Barek Strenesse getragen.
Es heißt, Sie seien vom Erfolg überrascht worden und hätten nicht reagieren können.
Wie gesagt, der blaue Kaschmir-Pullover ist Legende und hängt mittlerweile im DFB-Museum. Aber Sie haben recht. Beim ersten Spiel hat Jogi Löw den blauen Pullover angehabt und gewonnen. Die Mannschaft ist abergläubisch und wollte, dass er das Outfit künftig bei jedem Spiel trägt, bis sie verlieren. Dadurch ist der Pulli so berühmt geworden. Das konnten wir nicht voraussehen, hatten nicht genug auf Lager und konnten die Nachfrage nicht zu 100 Prozent bedienen. Wir rechnen pro Saison mit 400 solcher Pullis, konnten rund 1800 verkaufen, hätten allerdings mindestens 3000 absetzen können.
Der neue Ausstatter Hugo Boss wächst seit Jahren mehr oder weniger konstant. Was macht das Unternehmen richtig, was bei Ihnen nicht rund läuft?
Boss wächst vor allem durch den Umsatz mit der zunehmenden Zahl an eigenen Läden. Das ist eine Strategie, die wir auch verfolgen – wenn auch im Kleinen. Vor der Jahrtausendwende hatten wir gar keine eigenen Läden, inzwischen macht der Umsatz mit eigenen Shops rund 25 Prozent vom Gesamtumsatz aus. Dieses Verhältnis würde ich gern so halten, die Höhe der Umsätze muss aber kräftig wachsen. Hugo Boss hatte von Anfang an eine klare Positionierung der Marke. So ähnlich also wie Strenesse – nur dass wir auf die Damenmode fokussiert sind.
Warum läuft es bei Ihnen dann nicht?
Es ist gigantisch gelaufen – bis vor acht Jahren. Dann sind wir in alle Wirtschaftskrisen geschlittert, die es gab. So wollten wir ausgerechnet im September 2001 in den USA durchstarten. Nach dem 11. September allerdings brach dort das Geschäft von heute auf morgen in sich zusammen. Wir hatten es bis dahin in alle wichtigen Kaufhäuser geschafft – und sind ab dem 12. September überall wieder rausgeflogen. So stark war das Misstrauen gegenüber Fremdmarken. Das hat uns Millionen gekostet. Wir haben auch intern Fehler gemacht, die dem Entzweien der Familie geschuldet sind. Meine Eltern waren der Motor der Firma. Als ihre Ehe auseinanderging, hat sich das natürlich negativ auf die Firma ausgewirkt. Innerhalb der Belegschaft haben sich damals Lager gebildet, das hat die Firma gelähmt.
Interessiert sich Gabriele Strehle jetzt noch für den Verlauf der Firma?
Sie ist nach wie vor an der Firma beteiligt und nimmt Termine wie Hauptversammlungen wahr, die sich aus der Beteiligung ergeben. Mehr aber auch nicht. Deutlich aktiver ist da mein Vater.
Was heißt das?
Na ja, wir telefonieren mindestens dreimal in der Woche. Er ist einfach ein guter Sparringspartner für mich, der 30 Jahre Erfahrung in der Firma mitbringt und zudem Vorsitzender des Aufsichtsrats ist.
Michael Pluta, den Sie als Sanierungschef in den Vorstand geholt haben, hat mal gesagt, dass es problematisch ist, wenn das alte Management bei einer Restrukturierung an Bord bleibt, weil es in 95 Prozent der Fälle ein Teil der Krise sei. Hat er Ihnen das auch schon gesagt?
(Lacht) Wir gehören natürlich zu den anderen fünf Prozent. Michael Pluta und ich haben uns lange unterhalten und sind uns einig, dass wir den richtigen Weg eingeschlagen haben. Ich habe das Management in den vergangenen beiden Jahren komplett ausgetauscht. Wir haben die Kollektion verschlankt und auf den Strenesse-Look fokussiert. Das hat uns im Handel und bei den Kunden viel Applaus gebracht, und wir sind operativ auf einem sehr guten Weg. Aber wir konnten die Altlast der Schulden nicht wirklich loswerden. Deshalb habe ich mich für die Sanierung in Eigenverwaltung entschieden. Jetzt können wir uns wieder auf das Modemachen konzentrieren und gewinnen durch das Einfrieren des Schuldendienstes jeden Tag enorm an Liquidität.
Wie groß sind die Schulden?
Rund 18 Millionen Euro. Am Ende des Verfahrens wird das Geld hoffentlich zu einem gut Teil zurückgezahlt.
Was macht Sie so zuversichtlich, dass Sie einen Investor finden?
Ganz unabhängig von unserer Finanzsituation ist und bleibt Strenesse eine starke Marke. Seit Jahren bekommen wir immer wieder Anfragen von Investoren. Aber jetzt müssen wir erst einmal unsere Hausaufgaben machen und wieder in die Gewinnzone kommen. Ab August rechnen wir wieder mit einem kleinen Gewinn, ich will aber wieder nachhaltig profitabel sein. Wenn wir schon die Anteile an unserem Lebenswerk abgeben, dann soll Strenesse zukunftssicher sein – und nicht nur materiell. Wir haben bisher Anfragen von Hunderten Investoren gesammelt.
Wie viele von denen sind interessant?
Wir haben wahrscheinlich eine Handvoll potenziell interessanter Investoren. Wahrscheinlich. Wir konzentrieren uns aber nun zunächst auf die Sanierung und werden uns in der zweiten Jahreshälfte gezielt mit der Investorensuche auseinandersetzen. Wir suchen einen strategischen Investor mit langfristigen Interessen, der unsere Vision teilt und bereit ist, Geld zu investieren. Aus welchem Land er kommt, ist da zweitrangig.
Ist es eine Bedingung, dass der neue Investor den Stammsitz in Nördlingen belässt?
Es ist durchaus wichtig, dass Nördlingen der Stammsitz bleibt. Wir werden dort zwar kleiner und nutzen nur noch die Hälfte der Kapazitäten des Gebäudes. Aber Nördlingen ist schon immer der Firmensitz gewesen und soll es auch bleiben.
Andere alte Zöpfe dagegen wollen Sie abschneiden. Was sind die wichtigsten Punkte?
Wir wollen Strenesse moderner machen und internationaler. Wir sind heute in 28 Ländern vertreten, trotzdem machen wir 70 Prozent des Umsatzes in Deutschland. Ich will den Auslandsanteil auf 50 Prozent erhöhen. Unsere wichtigsten Märkte sind nach Deutschland Schweiz und Österreich, Japan, Russland und USA. Und das sind auch die Länder, in denen wir jetzt Fahrt aufnehmen wollen.
Wie sollen sich die Umsätze bei den Outlets entwickeln?
Wir machen knapp über die Hälfte des Umsatzes, den wir selbst mit eigenen Läden generieren, in den Outlets. Unser Ziel ist es, dieses Verhältnis zu verschieben. Die Anzahl der Outlets wollen wir von 15 um einige reduzieren. Die Zahl der eigenen Läden soll dagegen wachsen. Wir trauen uns zu, in der nächsten Zeit zwischen zwei und drei Shops im Jahr aufzumachen. Allerdings denken wir hier zunächst vor allem an Österreich, die Schweiz und Russland, wo wir noch nicht mit eigenen Läden vertreten sind.
Werden Sie während der WM Fußball schauen, oder bekommen Sie da schlechte Laune?
Natürlich schaue ich die WM – und werde den blauen Pullover tragen.