SPD-Fraktionschef Claus Schmiedel Foto: dpa

Die "Gutachtenaffäre" und ihre Folgen: Jetzt will SPD-Franktionschef Schmiedel den U-Ausschuss zu den NSU-Morden, gegen den sich seine Partei zunächst wehrte.

Stuttgart - Nach Streitereien zwischen den Fraktionen im baden-württembergischen Landtag soll nun doch ein Untersuchungsausschuss die NSU-Morde aufarbeiten. SPD-Fraktionschef Claus Schmiedel sagte am Freitag in Stuttgart, seine Fraktion werde ein solches Gremium beantragen. Der grüne Koalitionspartner hatte ohnehin einen U-Ausschuss befürwortet, war aber lange auf den Widerstand der SPD gestoßen. Schmiedel begründete das Umschwenken seiner Fraktion damit, dass die Enquete-Kommission, die sich derzeit im Landtag mit den NSU-Morden beschäftigt, zerstritten hat. Sie brauche eine Pause. So war der Vorsitzende der Enquete-Kommission, Willi Halder, am Mittwoch zurückgetreten, die CDU hatte ihre Mitarbeit in der Kommission aufgekündigt.

Schmiedel erklärte, es solle dem Eindruck entgegengewirkt werden, dass man beim Thema NSU keine Aufklärung wolle. „Wir wollen aufklären, soweit es geht“, betonte er. Der U-Ausschuss soll nach seinen Worten unter anderem untersuchen, welche persönlichen Verbindungen der Rechtsterroristen nach Baden-Württemberg existierten und ob es hier Unterstützerstrukturen gab. Auch der Mord an der Polizistin Michele Kieswetter in Heilbronn soll noch einmal genauer betrachtet werden. Liegen die Ergebnisse des Ausschusses vor, soll die Enquete ihre Arbeit wieder aufnehmen und ihren Blick in die Zukunft richten - beispielsweise, was Präventionsfragen anbelangt. Die SPD wird den Vorsitzenden des U-Ausschusses stellen.

Die Enquete-Kommission hatte sich zerstritten. Grund: Der bisherige Kommissionsvorsitzende Willi Halder hatte bei der Landtagsverwaltung ein Gutachten in Auftrag gegeben, um zu klären, wer vor der Enquete-Kommission aussagen darf. Als das Gutachten vorlag, leitete Halder es an den Grünen-Obmann Daniel Lede Abal und zwei weitere Kollegen weiter, bevor es die übrigen Enquete-Mitarbeiter bekamen. Lede Abal bestritt aber zunächst, dass er die Expertise hatte. Die CDU warf Lede Abal Lüge vor und vermutet, dass die Grünen das Gutachten manipulieren wollten. Die CDU wollte zunächst nicht weiter in der Enquete mitarbeiten.

Der Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen-Fraktion, Uli Sckerl, wies den Vorwurf, die Stellungnahme etwa manipuliert zu haben, am Freitag zurück: „Die CDU hat keinen Beweis für diese ungeheure Behauptung. Das ist ehrabschneidend.“

SPD-Fraktionschef Schmiedel machte deutlich, dass er einen Konsens für einen U-Ausschuss anstrebt. Ziel sei es, dass alle Fraktionen dieses Gremium mittragen. Auf die Frage, ob ein U-Ausschuss nicht von Anfang an die bessere Lösung gewesen wäre, sagte der Fraktionschef: „Es konnte ja keiner ahnen, dass diese Enquete-Kommission versemmelt wird.“ Damit zielte er auf den Grünen-Vorsitz des Landtagsgremiums. Mitglieder meinen, dass Halder von vornherein mit der Aufgabe überfordert war.

Den Terroristen des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ (NSU) werden zehn Morde von 2000 bis 2007 zugerechnet - an Kleinunternehmern ausländischer Herkunft und an der Polizistin Kiesewetter. Die Behörden hatten jahrelang nicht erkannt, dass da Rechtsterroristen am Werk waren. Der Bundestag und einige Landtage haben die Vorgänge bereits in Untersuchungsausschüssen aufgearbeitet. Innenminister Reinhold Gall (SPD) kündigte an, die Arbeit des Untersuchungsausschuss „in vollem Umfang“ unterstützen zu wollen.

Die CDU ist nach den Worten ihres Fraktionschefs Peter Hauk unter Bedingungen bereit, den von Grün-Rot geplanten NSU-Untersuchungsausschuss im Landtag mitzutragen. Der Untersuchungsauftrag müsse dann aber auch die Frage enthalten, wie die grün-rote Landesregierung im Herbst 2011 mit der Erkenntnis umgegangen sei, dass Rechtsterroristen hinter einer Mordserie stecken. Sollten die Regierungsfraktionen diese Frage ausklammern, werde die CDU einen eigenen Untersuchungsausschuss beantragen.

FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke begrüßte Schmiedels Vorschlag. Grünen-Bundeschef Cem Özdemir, der wiederholt einen U-Ausschuss in Stuttgart gefordert hatte, meinte: „Es war überfällig, dass die SPD endlich die Blockade gegen einen NSU-Untersuchungsausschuss aufgeben hat und anerkennt, dass auch in Baden-Württemberg die Morde der neonazistischen Terrorbande lückenlos aufgeklärt werden müssen.“ Grünen-Landeschef Oliver Hildenbrand sagte, Schmiedel renne mit seinem Vorschlag bei den Grünen offene Türen ein.