Biogasanlagen produzieren aus natürlichen Stoffen nicht nur Gas, sondern auch Wärme. Allerdings werden nicht nur Abfälle verwendet, sondern häufig auch Mais oder Rüben Foto: dpa

Die Zahl der Biogasanlagen im Land ist in den vergangenen Jahrzehnten stark gestiegen. Sie produzieren umweltfreundlich Energie. Aber auch immer wieder Probleme und Streitigkeiten.

Stuttgart - Einen Satz sagt Werner Lindl immer wieder: „Ich möchte nur, dass Recht und Gesetz eingehalten werden.“ Der 73 Jahre alte Ex-Finanzdirektor und frühere Kommunalpolitiker sitzt in seinem Haus in Bad Friedrichshall (Landkreis Heilbronn). Um ihn herum türmen sich die Unterlagen. Seit sechs Jahren kämpft Lindl gegen eine Biogasanlage in seiner Nachbarschaft. Mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln und einem Großteil seiner Zeit.

Nicht, weil er grundsätzlich gegen diese Art der Energiegewinnung eingestellt wäre, sondern weil er glaubt, die Anlage sei nicht rechtmäßig genehmigt und werde auch nicht gesetzeskonform betrieben. Er wittert nach eigenen Worten Subventionsbetrug. Bisher ist der Kampf erfolglos geblieben. Die vielschichtigen Querelen um die Anlage – nicht nur durch Lindls Wirken – beschäftigen seit Jahren Gerichte, Behörden und Politik.

Ganz außergewöhnlich ist das nicht. Denn im Zuge des deutlichen Anstiegs der Zahl der Biogasanlagen in den vergangenen zwei Jahrzehnten hat sich auch die Zahl der Probleme und Streitigkeiten erhöht. Zuletzt hat ein Fall aus Engstingen auf der Schwäbischen Alb Schlagzeilen gemacht. Dort sind aus einem offenbar noch nicht genehmigten neuen Tank einer Anlage 1,5 Millionen Liter vergorene Speisereste ausgelaufen. Die übel stinkende Brühe hat ein benachbartes Gewerbegebiet überflutet. Die Staatsanwaltschaft Tübingen ermittelt.

9000 Biogasanlagen in Baden-Württemberg

Rund 9000 Biogasanlagen gibt es mittlerweile in Deutschland, jede zehnte davon steht in Baden-Württemberg. Die Technologie gilt als zukunftsweisend, wird dabei doch durch die Vergärung von Biomasse Energie produziert. Dafür werden Abfälle verwendet, Gülle, aber auch nachwachsende Rohstoffe wie Mais. Es gelten strenge Auflagen dafür, regelmäßige Kontrollen sind vorgeschrieben. Doch es gibt auch eine Kehrseite: Bei einer umfassenden Prüfung in den Jahren 2013 und 2014 hat das Umweltministerium bei 42 Prozent der Anlagen im Land Mängel entdeckt. „Die Aktion hat die Sicherheit der Anlagen inzwischen wesentlich erhöht“, sagt ein Ministeriumssprecher. Von Ausnahmen offenbar abgesehen.

„Ein Fall wie der in Engstingen darf nicht sein“, sagt Andrea Horbelt vom Fachverband Biogas. Generell gelte aber: Wenn Mängel vorhanden sind, sei der Großteil davon „nicht dramatisch“. Besonders um die Jahre 2010 und 2011 herum sei viel gebaut worden, da habe es auch immer wieder Ärger mit Anwohnern wegen Ängsten vor Lärm oder Gestank gegeben. Man habe damals teilweise vergessen, die Leute bei den Projekten mitzunehmen. Heute handle es sich in dieser Hinsicht eher um Einzelfälle.

Das liegt auch daran, dass die Bautätigkeit zurückgegangen ist. „Speziell durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz 2014 ist ein gewisser Stillstand eingetreten“, sagt Andrea Horbelt. Die Einspeisevergütung ist nicht mehr so attraktiv wie früher, dementsprechend entstehen immer weniger neue Anlagen. Allerdings habe bei manchem Betreiber in der noch jungen Branche erst ein Lernprozess einsetzen müssen, was das Einhalten von Auflagen betrifft, sagt Horbelt. Das spüre man auch daran, dass die Betreiberschulungen des Verbandes immer besser angenommen würden.

Bund der Steuerzahler greift ein

Nach dem Vorfall in Engstingen hat sich der Bund der Steuerzahler eingeschaltet. In einem Brief ans Umweltministerium fragt er an, wie man dort die Risiken für die Steuerzahler einschätze – und greift auch die Streitigkeiten in Bad Friedrichshall auf. Er will wissen, wie man im Ministerium zum Vorwurf stehe, auch für die dortige Anlage liege keine ausreichende Genehmigung vor. Man stimme derzeit hausintern eine Antwort ab, heißt es in Stuttgart. Auch der Vertrauensanwalt des Landes, an den sich Werner Lindl gewandt hat, hat sich der Sache angenommen. Diverse Fragen seinerseits zu Bad Friedrichshall sind ans Innenministerium gegangen. Zudem nimmt der Naturschutzbund das Projekt derzeit unter die Lupe.

Lindls Chancen auf Erfolg stehen dennoch schlecht. Diverse Staatsanwaltschaften, Gerichte und Behörden haben sich bereits mit dem Fall befasst. Überall ist Lindl gescheitert. Mal, weil er eigentlich nicht klageberechtigt war, mal, weil man seinen Argumenten nicht gefolgt ist. Zwei Petitionen beim Landtag sind erfolglos geblieben. Mitstreiter haben nach und nach aufgegeben.

Zurückziehen will sich der streitbare Mann dennoch nicht. „Ursprünglich ging es mir nur um die Zufahrt zu der Anlage durch meine Straße. Aber dann bin ich tiefer in die Sache eingestiegen und habe gesehen, was alles schief gelaufen ist.“ Seine Hauptvorwürfe lauten: Die installierte Leistung der Anlage sei größer als genehmigt. Und: Die sogenannte Privilegierung, die der Anlage Vorteile verschafft, sei nicht gegeben. Hierfür müsste der beteiligte Landwirt eine Mehrheit der Anteile halten. Das sei aber zumindest in einer ersten Gesellschaft, die in die Insolvenz gegangen ist, nicht der Fall gewesen. Dafür gibt es Beweisunterlagen. Zudem mussten die Betreiber später eine Geldstrafe bezahlen, weil sie die erlaubte Produktionsmenge überschritten haben. Streitigkeiten und Prozesse begleiten die Anlage bis heute – inzwischen verkehren auch die beiden ursprünglichen Gründer nur noch per Anwalt miteinander. Die Auseinandersetzungen beschäftigen jede auch nur annähernd zuständige Behörde zwischen Bad Friedrichshall und Stuttgart.

Erfolglos durch alle Instanzen

„Wir überwachen die Anlage regelmäßig. Die Betreiber müssen monatliche Nachweise über die produzierte Menge vorlegen“, heißt es im Regierungspräsidium Stuttgart. Weitere Überschreitungen habe es nicht gegeben, auch die Voraussetzungen für die Privilegierung sehe man als erfüllt an. „Wir können die Vorwürfe nicht nachvollziehen. Die Anlage hat allen Kontrollen standgehalten“, sagt auch Bad Friedrichshalls Bürgermeister Timo Frey. Für die einmalige Überschreitung habe es ein „sattes Bußgeld“ gegeben. Bereits bekannte Einwände werde man nicht mehr weiter kommentieren, denn der Vorgang sei geeignet, „die Verwaltung lahmzulegen“. Wenn es allerdings neue Erkenntnisse gäbe, sei man gesprächsbereit.

Die Stuttgarter KWA Contracting AG betreibt die strittige Anlage mittlerweile gemeinsam mit dem ortsansässigen Landwirt. „Sie wird rechtmäßig betrieben“, sagt Vorstand Stefan Groos. Im ersten Jahr habe man Probleme gehabt, die Grenzen einzuhalten, das sei aber abgestellt. „Wir sind mehrfach überprüft worden und betreiben eine technisch vorbildliche Anlage“, so Groos. Den Feldzug gegen das Projekt könne er nicht mehr nachvollziehen: „Das wurde doch erfolglos durch alle Instanzen getrieben.“

Den Fall zu den Akten legen will Werner Lindl trotzdem nicht. „Ich möchte nur, dass Recht und Gesetz eingehalten werden“, sagt er. Der Kampf gegen die Biogasanlage in Bad Friedrichshall wird also weitergehen.