Herrscht auf der Autobahn durch Straßburg bald Tempo 70? Dieser Vorschlag kam aus dem Rathaus, um die Luftqualität in der Elsassmetropole zu verbessern. Foto: Schauer

Straßburgs Ärzte machen im Kampf gegen zu hohe Grenzwerte mobil. Unterstützung aus dem Ortenaukreis.

Straßburg - Ende März und Anfang April ist die Luft in der Elsassmetropole alarmierend schlecht gewesen – jenseits jeglicher gesetzlicher Grenzwerte. Straßburgs Mediziner wollen dem nicht mehr länger zuschauen und haben eine Online-Petition verfasst. Im Rathaus waschen die Verantwortlichen ihre Hände in Unschuld – die Autobahn sei an allem schuld. Und die schlechte Luft aus Deutschland.

"Wir Straßburger Ärzte weigern uns, zu dem Problem öffentlicher Gesundheit gleichgültig zu sein", heißt es in der Petition, die seit Mitte April im Netz steht. "Gesundheit muss bei Entscheidungen zur Luftverschmutzung Priorität haben. Wir fordern die Stadt Straßburg und den Staat auf, effizient zu handeln." Mit einem Dutzend Studien im Anhang belegen sie die vielfachen Gesundheitsrisiken. "Die Sterberate wegen Schadstoffen in der Luft steigt ohne Ende. Straßburger leben deswegen im Schnitt acht bis zwölf Monate weniger als die Menschen im Rest von Frankreich", betont Thomas Bourdrel von "Strasbourg respire" (Straßburg atmet). Das Kollektiv hat die Petition auf den Weg gebracht.

Zuerst waren es 67 Ärzte, die die Beschwerde unterschrieben haben. Mittlerweile sind es 110 Mediziner. "Am 19. März war Straßburg die Stadt mit der höchsten Luftverschmutzung in der Nation", erklärt Bourdrel. "Es war, als würde man in einem 20-Quadratmeter-Zimmer mit acht Rauchern sitzen. Aber: Alle reden bei diesem Thema immer nur über Paris."

Kaum haben die Ärzte ihren Unmut online geäußert, reagierte Straßburgs Oberbürgermeister Roland Ries. Und Robert Herrmann als Präsident der "Eurométrople" ging sofort in die Offensive. "Wir halten seit Jahren viele Autos aus der Innenstadt raus, Tram und Vélo haben Vorrang", erklären die Politiker. " Die Luft in der Stadt ist besser geworden. Aber da ist noch jede Menge zu tun."

Im Rathaus zeigt man mit dem Finger auf die Autobahn: Mehr als 160 000 Fahrzeuge donnern dort jeden Tag an der Stadt vorbei – oder sogar durch Straßburg durch. Ries setzt daher auf die "große Umgehung Ost", die als "GCO" seit 1999 diskutiert wird. Herrmann wies gar darauf hin, dass 60 Prozent der Schadstoffe in der Stadtluft aus dem unmittelbaren Umfeld und sogar von weiter weg kämen. Frankreichs Umweltministerin Ségolène Royal sagt seit Tagen, dass die in ganz Nordfrankreich hohen Belastungen der jüngsten Zeit "quasi aus dem nördlichen Europa importiert gewesen seien". In Straßburg sieht man sich seit jeher im geografischen Kessel zwischen Schwarzwald und Vogesen gefangen. Sprich: Die schlechte Luft weht aus Deutschland rüber.

Alain Jund, Beigeordneter Bürgermeister für Umwelt, will am Verkehrsfluss drehen und greift auf altbewährte Methoden zurück: "Tempo-30-Zonen, bei hohen Schadstoffwerten abwechselnd tageweise Kennzeichen mit geraden und ungeraden Zahlen fahren lassen, keine Diesel-Autos in der Stadt, auf der Autobahn im Stadtbereich nur Tempo 70 – und das ist erst der Anfang." Diese Ideen aus dem Rathaus sind "Strasbourg respire"aber noch nicht genug – die Ärzte wollen den Druck erhöhen und bitten jetzt auch Nicht-Mediziner, die Petition zu unterschreiben. Zudem sollen auch Ärzte und Bewohner des Ortenaukreises mitmachen. David Axelos aus dem Ortenau-Klinikum Kehl findet das prima. Er, der mit dem "Vélo" täglich von Straßburg nach Kehl fährt, weiß, dass die Luft nun mal nicht am Rhein haltmacht. Weil Axelos als ein Straßburger von der Petition gewusst hat, unterschrieb er bereits Mitte April.

Seit Jahresbeginn wurden die Grenzwerte in Straßburg schon an 25 Tagen überschritten. Eine europäische Verordnung erlaubt das nur an 35 Tagen im Jahr. Oberbürgermeister Ries hat nun eine Konferenz zu diesem Thema angekündigt.

Weitere Informationen: www.strasbourgrespire.fr