Ralf Laschimke und Maria Burger stehen vor dem Denkmal des Fürsten Meinrad II. von Hohenzollern-Sigmaringen, der 1708 das Hüttenwerk Laucherthal – heute die Zollern GmbH + Co. KG – gegründet hat. Der Ochsenhautbarren, der vor dem Denkmal steht, ist aus Kupfer. Die Abbildungen unten zeigen (von links) in holzkohlehaltige Lehmformen gegossene Ochsenhautbarren und bun ingots; das Eingießen von vier Kupferschmelzen an den Ecken einer Ochsenhautgießform und eine Versuchsanordnung für das Gießen von Kupfer in eine Ochsenhaut-Gießform aus kohlenstoffhaltigem Lehm. Fotos: Laschimke Foto: Schwarzwälder-Bote

Ralf Laschimke aus Straßberg hat herausgefunden, wie bronzezeitliche Kupferbarren gegossen wurden

Von Martin Kistner

Straßberg. Ralf Laschimke, Straßberger Burgherr, vormaliger Vorsitzender des Arbeitskreises Jan von Werth und promovierter Metallurg, hat sein Fachwissen in den Dienst seiner historischen Interessen gestellt – und die Archäologie einen guten Schritt vorangebracht.

Vor sechs Jahren zeigte das Deutsche Bergbaumuseum in Bochum in einer Sonderausstellung die Fracht eines der ältesten Schiffe, die jemals gefunden wurden: Der Segler, der um 1300 v. Chr. bei Uluburun vor der türkischen Mittelmeerküste unterging, führte Luxusgüter wie Glas, Elfenbein und Ebenholz, aber auch Oliven, Granatäpfel, Harz und Keramik mit sich. Vor allem aber Metall: Kupfer und Zinn, die beiden Bestandteile der Legierung Bronze, die damals der avancierteste Werkstoff der Menschheit war. Gewichtigster Teil der Fracht waren 354 sogenannte "Ochsenhautbarren" aus zyprischem Kupfer, jeder eine rund 25 Kilogramm schwere Platte, geformt wie ein abgezogener Tierbalg – daher der Name "Ochsenhautbarren".

Auch Ralf Laschimke hörte von der Ausstellung. Gelegenheit zu einer Reise in den Ruhrpott fand er nicht, aber er kontaktierte Ausstellungsmacher Professor Andreas Hauptmann, den Leiter der Forschungsstelle Archäologie am Bergbaumuseum. Ihn interessierte das Gussverfahren, dass die Hersteller der Ochsenhautbarren anwandten – doch Hauptmann musste ihn enttäuschen: Es gab Theorien, aber keine, die entscheidende Detailfragen stimmig beantwortete.

Laschimke ließ das keine Ruhe. 39 Jahre lang war der Metallguss sein Metier bei der Firma Zollern in Laucherthal gewesen; er hatte das technische Wissen, den historischen Hintergrund und als Ruheständler die Zeit, um der Sache auf den Grund zu gehen. Außerdem hatte er in seinem einstigen Arbeitgeber einen Partner, der ihm großzügig Manpower, Materialien, Labors und Werkstätten zur Verfügung stellte, und in der Diplomchemikerin Maria Burger, seiner Nachfolgerin bei Zollern, die kongeniale wissenschaftliche Partnerin.

Die wichtigste Frage ist die nach der Konsistenz

Die wichtigste bis dato ungelöste Frage im Zusammenhang mit dem Kupfer der Ochsenhautbarren – übrigens nicht nur derer aus dem Wrack von Uluburun – betrifft seine Konsistenz: Es ist porös wie ein Schwamm, und vieles spricht dafür, dass das gewollt war: Ochsenhautbarren lassen sich problemlos zerbrechen und zerkleinern; das erleichterte die Weiterverarbeitung. Wie kommt solch eine luftige Struktur zustande? Nur wenn während des Gusses, genauer: während des Erkaltens des Kupfers Gas entsteht, das im erstarrenden Metall Blasen bildet. Aufgrund eines archäologischen Fundes in einem syrischen Palast – ein in Kalkstein gemeißeltes Ochsenhaut-Negativ – hatte man angenommen, dass die Barren in mehrfach verwendbaren Kalksteinformen gegossen worden seien.

Laschimke und Burger machten die Probe aufs Exempel. Sie besorgten sich Travertin, der dem syrischen Kalkstein ähnelte, höhlten und gossen ihn mit Kupfer aus. Das Ergebnis: Erstens wurde das Kupfer nicht porös, denn es entstand zu wenig Gas – und zweitens setzte das Kupfer dem Kalkstein so zu, dass er sich nicht wiederverwenden ließ. Laschimkes Schlussfolgerung: Die syrische Hohlform taugte vielleicht für Kulthandlungen – aber gewiss nicht für die industrielle Produktion der Antike.

Was gab es für Alternativen? Moderne Gießereitechnik versucht Gasbildung in der Schmelze zu vermeiden; Laschimke und Burger strebten also das genaue Gegenteil dessen an, was sie vom Beruf her gewohnt waren.

Um Kupferschmelze zum "Sprudeln" zu bringen, braucht man Wasser und Kohlenstoff – sie reagieren bei hoher Temperatur miteinander; dabei entstehen Kohlenmonoxid und Wasserstoff. Letzterer verbindet sich wiederum mit Kupferoxid, und dabei bildet sich in der Schmelze Wasserdampf, der nur so lange entweichen kann, bis das Kupfer zu erstarren beginnt und eine "Außenhaut" ausbildet. Danach ist Schluss – das Resultat sind Blasen im Metall.

Ein 500 Jahre altes Rezept versprach viel

Beim Versuch, diesen Effekt zu erzielen, stießen Laschimke und Burger ausgerechnet bei Georg Agricola, dem Renaissance-Gelehrten und Vater der Montanwissenschaft, auf ein 500 Jahre altes Rezept, das ihnen vielversprechend erschien: eine Mischung aus Lehm und pulverisierter Holzkohle, luftgetrocknet, aber mit Restfeuchtigkeit. Agricola nennt diese Mixtur "Gestübbe"; Laschimke und Burger testeten sie – mit durchschlagendem Erfolg: Wie erhofft "sprudelte" das Kupfer, als Wasser- und Sauerstoff sich zu Wasser verbanden.

Um die luftgetrocknete Form nicht zu beschädigen, gossen Laschimke und Burger das flüssige Kupfer nicht senkrecht in die Form, sondern flach von den vier Ecken her – und hatten damit en passant eine Erklärung für die eigenartige Form der Ochsenhautbarren gefunden: Die vier Zipfel haben nicht, wie bisher angenommen, mit etwaigen Vorteilen beim Transport zu tun, sondern mit dem Guss: Sie sind Stummel der Gusskanäle.

Was sagt die Fachwelt zu diesen Erkenntnissen? Laschimke hat sie selbst 2011 auf einem Kongress für experimentelle Archäologie in Schleswig vorgestellt und Professor Hauptmann im Mai bei einem Symposium in Nikosia, der Hauptstadt des einstigen Kupfer-Dorados Zypern.

Die Reaktionen waren so ermutigend, dass Ralf Laschimke und Maria Burger schon jetzt das nächste Projekt ins Auge fassen: Den Guss haben sie mit antiken Mitteln zuwege gebracht – für die Kupferschmelze dagegen verwendeten sie einen Elektroofen. Das ist der nächste Schritt: eine Schmelze mit den Mitteln der Bronzezeit.