„Die meisten kennen mich“: Frank-Walter Steinmeier hat sich am Freitag im Landtag rund 170 von der SPD geladenen Gästen vorgestellt, darunter viele der 80 Wahlleute zur Bundesversammlung. Foto: dpa

Der Kandidat für das Bundespräsidentenamt, Frank-Walter Steinmeier, macht auf seiner Vorstellungstour Station in Stuttgart. Der Noch-Außenminister verteidigt die mühsamen Entscheidungsprozesse in der Politik.

Stuttgart - „Die meisten kennen mich“, sagt Frank-Walter Steinmeier und lässt den Blick übers Auditorium schweifen. Nun ja, dass die 170 geladenen Gäste bis zum Zerreißen gespannt wären, endlich den Kandidaten fürs Bundespräsidentenamt zu erleben, lässt sich nicht gerade behaupten. Die meisten hatten mit dem SPD-Politiker halt schon zu tun. „Ich war mit ihm auf Auslandsreisen“, sagt etwa Peter Kulitz, bis vor kurzem Präsident des Industrie- und Handelskammertags. „Ich kenne ihn vom Kirchentagspräsidium“, berichtet Landesbischof Frank Otfried July. Und die Sozialdemokraten, die zu der Veranstaltung in der Landtagslobby eingeladen hatten, kennen ihn sowieso.

Wer wirklich noch nicht das Vergnügen hatte, dem hilft Steinmeier auf die Sprünge: „Das ist der mit den schlechten Nachrichten abends in der Tagesschau.“ Das alte Amt kann der 61-Jährige eben nicht so schnell ablegen, auch wenn er in seiner 40-minütigen Rede bekennt, dass er nicht als Außenminister geboren sei. Er war ja auch mal Kanzleramtsminister, gilt als Architekt der Agenda 2010, was ihm die Linke noch heute übel nimmt und ihn deshalb am 12. Februar nicht wählen will. Auch Landespolitiker sei er mal gewesen, sagt der gebürtige Detmolder.

Deutschland und die Welt

Doch Steinmeiers Thema ist längst Deutschland und die Welt. Und da weiß der langjährige Chefdiplomat von eklatanten Unterschieden zu berichten: „Das Bild von Deutschland im Ausland ist ganz anders als unser Selbstbild.“ Stark und sozial werde die Nation von außen gesehen, dabei blicke sie doch im Innern oft so ängstlich in die Zukunft. Dabei kommt Steinmeier auf die Populisten zu sprechen, die Angst säten, Lügen verbreiteten und überhaupt den etablierten Politikbetrieb ablehnten.

Alle wissen, ohne dass Steinmeier es sagt, dass gerade er als Prototyp dieses Betriebs gilt. Als einer, der Kompromisse schmiedet – und in der Tagesschau dann doch die schlechten Nachrichten verkünden muss. Doch gibt es dazu eine Alternative? Steinmeier hat sich vorgenommen, als Bundespräsident gerade für dieses Ringen mehr Verständnis zu wecken. „Ich will ein Gegengewicht gegen die grenzenlosen Vereinfacher setzen“, sagt er. Schwarz und weiß, das Richtige und das Falsche – gebe es weder in der Außen- noch in der Innenpolitik, sagt der gelernte Jurist. Und dann nennt er als Beispiel das deutsche Verhältnis zur Türkei, das viele angesichts der diktatorischen Entwicklung am Bosporus am liebsten auf Null stellen würden. Doch die dortige Opposition sage ihm: „Tut das nicht.“ Denn das raube ihr noch mehr Einfluss.

Politik ist komplex

Vielleicht seien manche in der Gesellschaft einfach überfordert von der Komplexität vieler Phänomene, sinniert Steinmeier. Vielleicht müsse die Politik auch stärker darauf hinweisen, was erwünschte und was tatsächlich zur Verfügung stehende Alternativen seien. Die Fliehkräfte in der Gesellschaft, und nicht nur in der deutschen, sind dem Kandidaten sehr wohl bewusst – auch wenn er bekennt, „noch keine klare Diagnose“ stellen zu können. Die entscheidende Frage ist für ihn: „Was ist am Ende der Kitt, der die Gesellschaft jenseits aller Trennlinien zusammenhält?“

Eine Antwort hat Steinmeier darauf noch nicht. Dennoch zeigen sich die allermeisten im Auditorium von ihm überzeugt. CDU-Fraktionschef Wolfgang Reinhart sagt lobend: „Nur wer Mut hat, macht Mut.“ Ministerpräsident Winfried Kretschmann gefällt Steinmeiers Faktenorientierung. „Ich kenne im Augenblick keinen besseren Kandidaten als ihn“, sagt auch der Grünen-Abgeordnete Markus Rösler – auch wenn er beim Kandidaten ein umweltpolitisches Defizit entdeckt. Landtagspräsidentin Muhterem Aras kann sich Steinmeier „gut als Bundespräsident vorstellen“. Ihr hat besonders gefallen, dass er „Mutmacher“ sein will. FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke will zwar erst abwarten, was die Liberalen am kommenden Montag mit Blick auf die Bundesversammlung ihren Wahlleuten empfehlen. Doch auch er traut Steinmeier das Amt des Bundespräsidenten zu.