Familien ziehen in provisorische Unterkunft in Steinach. Menschen erzählen, wie es ihnen geht. Hoffnung auf normalen Alltag.

Steinach - Flüchtlingsfamilien aus Syrien, Afghanistan, dem Irak und Afrika sind vor rund einem Monat in eine provisorische Unterkunft in Steinach gezogen. Bei einem Besuch haben wir nachgefragt, wie die Dinge sich entwickeln und wie es den Menschen geht.

Es ist klirrend kalt, der Festplatz ist vereist. Kein Mensch ist unterwegs. Vor der Tür stehen drei Frauen, barfuß trotz der Kälte. Um zwischen Küche und Schlafcontainer hin und herzulaufen, ziehen sie sich nicht extra die Schuhe an. Fragt man nach Stefan Schmider, sehen die Frauen einander an und deuten zum Ende des langen Flurs.

»Wir sind mitten drin im Prozess«, sagt Stefan Schmider über die Situation. Als Sozialarbeiter des Landratsamts Offenburg unterstützt er die Flüchtlinge und bietet zwei mal pro Woche eine zweistündige Sprechstunde an. Im letzten der Container wurde ein provisorisches Büro für ihn eingerichtet. Die Heizung funktioniert tadellos.

»Die Syrer nehmen mich hier ziemlich in Beschlag«, sagt Stefan Schmider lachend. Er hilft beim Beantworten der Post, weil die Menschen die deutschsprachigen Formulare nicht verstehen. Am Nachmittag wird er den Rektor des Haslacher Bildungszentrums treffen und dort die schulpflichtigen Flüchtlingskinder zum Unterricht anmelden.

Der Sozialarbeiter hilft bei Organisation und Orientierung. Er kümmert sich, wenn es um Kindergartenplätze oder Bankkonten geht. Er vermittelt, wenn um Fahrräder gestritten wird oder wenn es an etwas fehlt. »Da verhalten sich die Menschen völlig unterschiedlich«, sagt Schmider. Von großer Offenheit bis zu großem Rückzug gebe es alles. Zu manchen sei es schwer, Kontakt auf zunehmen, da sie sich nicht zeigten. Andere wiederum nutzen seine Anwesenheit, stellen Fragen, verlangen nach ärztlicher Versorgung. Auch jetzt steht eine Frau mit Baby auf dem Arm in Schmiders »Sozialcontainer« und fragt nach einem Arzt für ihr krankes Kind. Der Termin sei längst vereinbart, sagt er, sie müsse sich noch etwas gedulden.

Für die Zuwanderer bedeutet die Zeit im Provisorium bislang vor allem eines: warten in drangvoller Enge. Die Steinacher zeigen viel Engagement, ein 15-köpfiger Helferkreis kümmert sich um die Familien und Bürgermeister Frank Edelmann bemüht sich um eine Vorbereitungsklasse an der Schule. An der Wand hängt eine Einladung vom Sportverein mit Sportangeboten für Kinder und Erwachsene. Schmider erzählt, dass auch Vereine die Menschen schon zu Festen eingeladen hätten und ihnen die Einrichtungen des Orts offenstünden. Gerade bringt eine Steinacherin einen Karton mit Schulsachen vorbei, eine Spende. Morgens hätten zwei Beamte von der Haslacher Polizei vorbeigeschaut und sich bei ihm vorgestellt.

Einige der Zuwanderer fahren mit dem Zug regelmäßig nach Offenburg zum Deutschkurs. Einer Frau aus Afghanistan kann Schmider versichern, dass sie einen Deutschkurs in Steinach besuchen kann. Sie sagt, sie sei sehr froh darüber.

Im improvisierten Schlaf-, Ess- und Aufenthaltszimmer von Sahar und ihrer Familie steht bereits Tee in drei Sorten auf dem Tisch: »Rot, grün oder normal?«, fragt das zwölfjährige Mädchen auf Englisch. Stühle und Teetassen werden den Besuchern gereicht, »welcome, welcome«. Die Afghanin Sahar lebt mit ihrer Mutter, Großmutter und Tante hier. Oma und Tante sitzen auf dem Bett, ihre Mutter setzt sich dazu an den Tisch und berichtet von ihrer Berufstätigkeit in Afghanistan, wo sie Beiträge für Radio und Magazine erstellt habe. Sie zieht einen Speicherstick aus der Tasche ihres Mantels: »Darauf ist mein ganzes Arbeitsleben«, sagt sie.

Die Unterkünfte sind spartanisch eingerichtet: Vier Schlafplätze in teilweise dreifachen Stockbetten, eine Wand mit Spinden, gegenüber Tisch und Stühle, ein Kühlschrank in der Ecke.

Bei einer nigerianischen Familie ist es noch dunkel hinter der Tür, ein paar Minuten lang reagiert niemand auf Stefan Schmiders Klopfen. Dann geht die Tür auf und der Besuch wird nachdrücklich hereingebeten und an den Tisch gesetzt. Der Familienvater kann von Februar an beim Hausacher Second-Hand-Kaufhaus »Guck rein« arbeiten und ist erst einmal froh darüber, dass er etwas tun kann, wie er sagt. Für einen Euro pro Stunde kann er dort jobben. Seine Frau will anfangen Deutsch zu lernen, die Familie hofft, dass die Kinder bald Schule und Kindergarten besuchen können.

Der Mann starrt auf den Tisch. Das Warten sei zermürbend, seine Frau, er und seine Kinder blieben den ganzen Tag drin und täten nichts. Längerfristig suche er eine richtige Arbeit, er würde jede Arbeit annehmen: Putzen, Hausmeisterdienst, elektrische Arbeiten. Er steht auf und zieht eine Bescheinigung aus dem Schrank: Auf einem Blatt Papier ist festgehalten, dass er während der Zeit seiner letzten Station in Mannheim beim Roten Kreuz in der Essenausgabe half.

So wie dem Mann aus Nigeria geht es vielen Flüchtlingen, die derzeit in den Unterkünften einer unsicheren Zukunft entgegensehen. Am dringendsten scheint der Wunsch nach einer festen Alltagsstruktur und nach dem Ende des tatenlosen Wartens. Sahars Mutter äußert trotzdem Verständnis. Es könne nicht immer alles sofort geschehen, sie seien vor allem froh, in Sicherheit zu sein.

Seit die Steinacher Unterkunft im Dezember bezogen wurde, hat sich an der Zusammensetzung der Flüchtlinge nichts geändert. »Man muss sich arrangieren«, findet die zwölfjährige Sahar und spricht wie eine Erwachsene. Demnächst wird sie hier in die Schule gehen und sagt, das mache sie nervös. »Aber ich freue mich auch, ich mag die Schule und habe sie vermisst. Und ich mag den Schnee.«