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Integration geglückt? Anwohner reagieren frustriert auf Asylbewerber in Nachbarschaft.

Steinach - Die alte Bauernschänke mitten in Steinach steht seit rund einem Jahr nicht mehr leer. Der ehemalige Gasthof ist jetzt Flüchtlingsunterkunft. Für die Anwohner ist die neue Situation, glaubt man den Worten eines Anwohners, keine gute Veränderung.

Im eng bebauten alten Ortskern wirkt die Bauernschänke wie ein behäbiger Platzhirsch. Ordentlich aufgereiht stehen Fahrräder davor, Menschen sind nicht zu sehen und nicht zu hören. Wenn man Johann Maier (Name geändert) auf seine neue Nachbarschaft anspricht, klingt das anders. Er redet viel und gerne und berichtet von seinen Erfahrungen mit den Zuwanderern nebenan. Seinen richtigen Namen will er nicht in der Zeitung lesen. Sein Haus steht direkt neben der "Alten Bauernschänke", die die Gemeinde zur Flüchtlingsunterkunft hat umbauen lassen. Inzwischen seien er und etwa 15 andere Anwohner so frustriert, dass er, sagt er, am liebsten sein Haus verkaufen würde und wegziehen. Nur: Der Wertverlust seiner Immobilie gerade wegen der neuerdings "schlechten Lage" sei zu groß.

Maier klingt klar und überlegt: "Ich helfe allen, die Hilfe brauchen, das war schon immer so", sagt er. Aber was sich nebenan abspiele, das sei nicht mehr schön. Er berichtet von Müll, der aus den Fenstern fliegt, und Zigarettenkippen, die den Boden bedecken. Von Erwachsenen, die tagsüber ums Haus herum sitzen und übermäßig lärmenden Kindern, von lautstarken Telefonaten bis spät in die Nacht.

Maiers Bericht ist ein Zeugnis davon, dass hier zunächst unfreiwillig Kulturen aufeinanderprallen. Als Zuhörer erscheint einem bildhaft ein tiefer Graben zwischen den Erwartungen der Anwohner und dem Verhalten der neuen Nachbarn.

Maier formuliert seine Sätze mit Sorgfalt. Inhaltlich pendelt er zwischen Verständnis für die Situation der Zuwanderer und auch für ihre Not – und dem Ringen um Beibehaltung der nachbarschaftlichen Verhältnisse. Er sagt, er und die anderen Nachbarn könnten ihre Erwartungen, dass jeder sich an die Regeln hält, eben nicht abstreifen. Das betreffe vor allem den Müll und den Lärm. Außerdem den Fleiß, für ihn eine Grundtugend: Wer den ganzen Tag untätig zuhause sitzt, der kann auch mal den Besen in die Hand nehmen und sauber machen."

Er kritisiert auch die freiwilligen Flüchtlingshelfer, die wiederum kein Verständnis für den Groll der Anwohner hätten: "Die kommen ein, zweimal in der Woche, wohnen ganz woanders, ersetzen kaputte Fahrräder und schleppen herbei, was die Leute einfordern", glaubt er zu beobachten. "Wer hier nur ab und zu herkommt, der hat keine Ahnung wie das ist, wenn man nebenan wohnt." Etwa 15 Anwohner fühlten sich massiven Belästigungen durch Lärm und Abfall ausgesetzt – demnächst wollen sie sich mit dem Bürgermeister zur "Dialogrunde" treffen.

Maier versucht die Situation nüchtern zu betrachten: "Manche meiner Nachbarn sind schon radikalisiert", sagt er. Einer greife ohne Scheu zu verbaler Gewalt, wenn es um die neuen Nachbarn geht, bis hin zu dem Ausspruch: "Nicht mehr lange, und ich geh’ da mit dem Baseballschläger rein."

Die Wut scheint groß. Reden will niemand mit den neuen Nachbarn: Die Berührungsangst will niemand aufbrechen. Vom Bürgermeister fühlen sich die Alteingesessenen allein gelassen. Der rede nur davon, dass es die Pflicht der Gemeinden sei, die Kontingente zu erfüllen und empfehle, mit den Flüchtlingen sprechen. "Das lehnen wir ab, dass wir dauern rübergehen, die verstehen uns nicht." Anfangs hätten er und seine Frau gegrüßt, es sei nichts zurückgekommen: Die Männer ignorieren die Frauen und umgekehrt. "Damit können wir nichts anfangen. Ich gehe da nicht mehr rüber, ich fege auch nicht mehr zusammen." Seitdem grüße auch er nicht mehr. Viele der Alteingesessenen hier seien mit den Nerven fertig. Sie ernten Kritik dafür, gelten als intolerant und als Leute, die die Flüchtlinge nicht willkommen heißen. "Aber so eine Belastung würde jeden fertigmachen, nur bei uns heißt es dann gleich: fremdenfeindlich. Dabei nehmen wir Menschen auf, die in Not sind. Hilfe bei Kleinigkeiten würden wir nie verweigern."

Johann Maier versucht sich in die neuen Nachbarn hineinzuversetzen, sagt er. Dann landet er wieder bei seiner Auffassung, und er bleibt dabei, dass sich eben alle den Sitten in Steinach, ja in ganz Baden-Württemberg anpassen müssten. Ordnung, Organisation, Ruhe und Sauberkeit: Wer sich an die Grundregeln hält, der kann hier wohnen, lautet der Tenor.

Doch unterschiedliche Menschen leben unterschiedliche Leben. "Das ist nicht so einfach", sagt Adel Daoud, der den Steinacher Zuwanderern im Alltag hilft und rund um die Uhr Anrufe bekommt: Er übersetzt, informiert und hilft bei der Bürokratie. Dabei erfährt er, dass in der Steinacher Containerunterkunft Flüchtlinge seit einem Dreivierteljahr auf Papiere warten, "depressiv und aggressiv geworden sind." Da sei vieles verbesserungsbedürftig. Seit 27 Jahren lebt Daoud in Deutschland, seit sechs Jahren in Haslach. Dass es in einem kleinen Ort wie Steinach schnell zu Konflikten kommen kann, wundere ihn nicht: "Das ist für niemanden einfach."

"Was soll ich dazu sagen?", fragt Frank Edelmann, Bürgermeister der Gemeinde Steinach, fassungslos angesichts der Ablehnung mancher Anwohner um die Bauernschänke. "Wir tun alles, um das zu schaffen, wir stehen im Dialog, wenn uns Probleme zu Ohren kommen, steuern wir nach. Manche Dinge laufen nicht optimal, aber wir tun unser Bestes. Ich kann verstehen, dass manche mit der Veränderung nicht zurecht kommen, bis vor kurzem stand danoch ein leer stehendes Hotel und alles war ruhig."

Edelmann spricht von kulturellen Unterschieden, die man akzeptieren müsse, unterschiedlichen Vorstellungen von Ruhe und von Lärm.

"Was soll ich machen, ich muss mit den Flüchtlingen ja irgendwo hin", sagt er. Der geplante Umbau des Badischen Hofs in Welschensteinach sei ja auch ein Signal für die Steinacher, "dass wir sie nicht allein lassen." Edelmann verschweigt die eigene Ratlosigkeit auf Reaktionen einzelner Anwohner nicht. "Es gibt auch Anwohner, die gehen gegen alles vor, beschweren sich über die Schulkinder auf dem Pausenhof – da fällt mir einfach nichts mehr ein."

Ein anderes Beispiel: In Mühlenbach nutzte vor einiger Zeit ein Anwohner die Frageviertelstunde in der Gemeinderatssitzung, um sich über seine neuen Nachbarn, eine Flüchtlingsfamilie, zu beschweren. Sie starrten ihn an, wenn er auf seinem Balkon esse, auch das nächtliche laute telefonieren kam zur Sprache.

Inzwischen sei das geklärt, sagt Bürgermeister Karl Burger, "wir reden miteinander." 28 Menschen leben zurzeit in der Anschlussunterbringung in Mühlenbach, 22 in einem Haus, das die Gemeinde von privat gemietet hat. Anfang November erwartet Burger eine Familie, für die er bereits eine Wohnung angemietet und möbliert hat.

Burger nimmt seine Bürger in Schutz: "Die Flüchtlinge werden bei uns gut betreut. Es gibt einige, die nicht in den Schwarzwald wollen, die wollten lieber in der Stadt wohnen – aber die merken dann schon, dass sie bei uns gut aufgehoben sind." Die Leute hier seien positiv eingestellt. "Vielleicht sind viele erst einmal abwartend, aber das ist auch die Schwarzwälder Mentalität", so Burger, "wir rennen nicht mit offenen Armen auf andere zu. Aber wir tun, was wir können." Dann fügt er noch an: "Aber alles hat seine Grenzen. Von Seiten der Flüchtlinge besteht manchmal eine Erwartungshaltung, dass sie zum Beispiel jemand zum Einkaufen fährt und solche Dinge. Dann sage ich zu meinen Mitarbeitern: helft, aber lasst euch nicht zu sehr vereinnahmen, die Leute sollen selbstständig werden." Die jüngsten Konflikte seien mit Gesprächen beigelegt worden. "Jetzt müssen wir die Entwicklung eben beobachten."

Auch die Steinacher beobachten die Lage. Am heutigen Donnerstag, 13. Oktober, wollen sich Vertreter der Gemeinde, des Helferkreises und Anwohner zur Dialogrunde im Sitzungssaal des Rathauses treffen. Flüchtlinge aus der Bauernschänke hat die Gemeinde laut Bürgermeister Edelmann nicht eingeladen.