Über solidarische Landwirtschaft und urbane Gärten als zukunftsweisende Impulse sprach Christine Hubenthal (links stehend) beim Forum Pro Schwarzwaldbauern im Brigachhaus. Foto: Hübner Foto: Schwarzwälder-Bote

Christine Hubenthal spricht bei Schwarzwaldbauern über zukunftsfähige Landwirtschaft

Von Stephan Hübner

St. Georgen-Brigach. "Einfach mal anfangen" lautet das Motto der Buchautorin Christine Hubenthal, die beim Forum Pro Schwarzwaldbauern zum Thema "Perspektiven für eine zukunftsfähige Landwirtschaft" sprach.

Reimund Kuner, stellvertretender Vorsitzender des Forums, merkte an, dass von 2001 bis 2012 die Zahl der Bauernhöfe in Baden-Württemberg um 40 Prozent sank. Die 15-prozentige Kürzung der Ausgleichszulage sei genau das falsche Signal.

Hubenthal, mit einem Studium in ökologischer Agrarwissenschaft und einer Lehre zur Landwirtin, lud zur Zeitreise ins Jahr 2099 ein. Sie sprach von Wirtschaft, die nicht auf maximalen Profit Einzelner sondern bedarfsgerechte Versorgung vieler ausgerichtet ist, von Menschen, die sich in kleinen Gemeinschaften organisieren und Bauern, die eng mit Stadtbewohnern kooperieren. Sie fragte, ob dies wirklichkeitsfremder sei als ein Marktdorado, in dem alle Probleme durch technischen Fortschritt gelöst werden sollen.

Wirkliche Visionen kommen zu kurz

Die Nachhaltigkeitsdiskussion sei von der Hoffnung geprägt, dass alles so bleiben könne wie bisher, nur ein wenig ökologischer. Wirkliche Visionen kämen zu kurz. Symbolisch dafür stünden Bioprodukte bei Aldi und Lidl, nach dem Prinzip, je billiger, je besser. Die Reformen der Agrarpolitik 2013 entsprächen vor allem Betrieben, die auf den Weltmarkt ausgerichtet seien.

Man stolpere seit einem Jahrzehnt von einer Krise in die nächste. Widerstandsfähigkeit gegen Krisen sei ein wichtiges Merkmal einer zukunftsfähigen Gesellschaft. Deren Merkmal sei die Zusammensetzung aus vielen kleinen, souveränen Einheiten anstatt einer großen. So könne ein Teil ausfallen, ohne dass es eine Katastrophe gebe.

Es gehe darum, das Vorhandene zum Ausreichenden zu machen, das zu wollen, was man selber erreichen kann. Wichtig sei, dass Menschen das Gefühl haben, etwas bewirken zu können, nicht auf das Leid der Welt zu schauen, sondern sich auf konkrete Möglichkeiten zu konzentrieren.

Alternative Lebensstile werden entwickelt

Alternative Lebensstile müssten entwickelt, ausprobiert und kulturell verankert werden. Solidarische Landwirtschaft und urbane Gärten in Städten seien zukunftsweisende Impulse. Hier werde Gärtnern zum Ausgangspunkt politischen Handelns. Es gehe darum, maßlose Lebensmittelverschwendung einzudämmen und sozialen Reichtum erlebbar zu machen. Stadtgärtner betrieben fundamentale Bildungsarbeit und ließen Menschen den Bezug zu Lebensmitteln entwickeln.

Ein weiteres Beispiel sei die Initiative "Essbare Stadt", bei der auf öffentlichen Flächen Nutzpflanzen angebaut werden. Hubenthal ermutigte dazu, sich mit solchen Projekten auseinanderzusetzen. Das Eintauchen darin sei äußerst aufregend und horizonterweiternd.

"Haben Sie Mut. Die Bedingungen für eine fruchtbare Entwicklung waren nie so gut wie heute. Nicht trotz, sondern gerade, weil die Agrarpolitik so derartig schlechte Bedingun gen schafft." Die Landwirtschaft stehe vor der Herausfor derung, sich neu zu definieren. Bäuerliche Kultur biete sich wie keine andere an, wichtige Impulse zur Steigerung der Widerstandsfähigkeit gegenüber Krisen zu setzen.

In der Diskussionsrunde wurde das Umbruchverbot für Landwirte bemängelt, das einer Enteignung gleichkomme. Angesprochen wurde auch das Problem der Betriebsübernahmen. Laut Hubenthal müsse man Perspektiven schaffen, dann gebe es auch wieder Interesse an einer Übernahme durch die Nachkommen.

Referentin empfiehlt neuen Blickwinkel

Ein Besucher bezweifelte, dass die genannten Initiativen die richtigen Leute erreichen. Es fehle der Dreh, um 90 Prozent der Menschen zu erreichen. Allerdings gab es auch die Meinung, dass mangelnde Wertschätzung das Problem sei und dass deshalb solche Initiativen sinnvoll seien. Es brauche neue Modelle und Leute von außen, um einen neuen Blickwinkel zu haben, so Hubenthal abschließend.