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Begegnungsgruppe Blaues Kreuz hilft Alkoholkranken seit Vierteljahrhundert bei Bekämpfung ihrer Sucht.

Seit 25 Jahren bietet die Begegnungsgruppe des Blauen Kreuzes in St. Georgen Hilfe für Alkoholkranke und deren Angehörige an. Doch obwohl die Nachsorge laut dem Leiter enorm wichtig ist, hat die Gruppe mit Problemen zu kämpfen.

St. Georgen. "Alkohol ist gesellschaftlich anerkannt, so lange man damit umgehen kann. Kann man es nicht mehr, wird man fallen gelassen wie eine heiße Kartoffel", sagt Gerhard Obergfell. Er sitzt auf einem ausgesessenen, grünen Stoffsofa, die Hände im Schoß gefaltet. Hier, in einem Raum des evangelischen Gemeindezentrums, trifft sich wöchentlich die Selbsthilfegruppe "Blaues Kreuz".

Wird zur Gewohnheit

Mit dem Trinken angefangen hatte Obergfell in den 80er-Jahren. Damals hatte er seinen Job verloren, viel Zeit und einen Nachbarn, der "auch kein Kostverächter war", wie er sagt. Der Griff zur Flasche wurde zur Gewohnheit – bis er schließlich die Reißleine zog. "Ich habe damals noch gar nicht lange exzessiv getrunken", erinnert er sich. "Da ist mir klar geworden: Freund, du bist auf keinem guten Weg".

Sein Hausarzt schickte ihn für neun Wochen zum Entzug, danach fand er in einer Selbsthilfegruppe Halt – bis er Mitte der 90er-Jahre abermals die Kontrolle verlor. "Mittlerweile bin ich sieben Jahre trocken", resümiert er.

Doch nicht immer erkennen Alkoholabhängige ihr Problem. Laut der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen sterben jährlich etwa 74 000 Menschen an Alkoholkonsum, unter anderem in Kombination mit Tabak. Etwa 1,77 Millionen Menschen, so das Blaue Kreuz Deutschland, sind alkoholabhängig. Erst seit 1968 ist die Alkoholsucht in Deutschland als offizielle Krankheit anerkannt.

Entzug folgt Nachsorge

Auf das Erkennen des Problems und den Entzug folgt die Nachsorge. Hier greift das Angebot des Blauen Kreuzes, dessen Gruppe in St. Georgen von Mario Forderung geleitet wird. Der heute 71-Jährige ist selbst trockener Alkoholiker, hat mehrere Entzüge gemacht und mittlerweile eine Ausbildung zum Suchtkrankenhelfer absolviert.

Im Jahr 2005 folgte Forderung auf den bisherigen Leiter Hans-Ekkehard Reimann. Aufgrund seiner persönlichen Mitbetroffenheit gründete der damalige Pastor bei der Evangelische Gemeinde Eben-Ezer 1992 die Begegnungsgruppe in St. Georgen. Hier erfahren nicht nur Alkoholkranke Rat und Hilfe, sondern auch deren Angehörige. Wie wichtig die Nachsorge ist, illustriert Forderung anhand eines Schweizer Käses. Die für das Produkt typischen Löcher vergleicht er mit den vielen kleinen Problemen des Süchtigen. Diese wurden vor der Therapie mit Alkohol "gefüllt", nach dem Entzug sei es wichtig, eine sinnvolle Alternative für das "Stopfen der Löcher" zu finden.

Gefahr eines Rückfalls

"Da besteht auch oft die Gefahr einer Suchtverlagerung", erklärt er. Wenn beispielsweise ein trockener Alkoholiker das Joggen als Ausgleich anspreche, schrillen bei Forderung die Alarmglocken. Was, wenn er sich verletzt? "Die Gefahr eines Rückfalls ist hier groß", sagt der Leiter der Begegnungsgruppe. Viele einzelne Aktivitäten statt einer dominanten – das sei eine bessere Lösung. Obergfell hat im Glauben Halt gefunden. "Mein Betriebshandbuch ist die Bibel", sagt er. Für den Gruppenleiter Forderung hingegen ist der Glaube an Gott keine Voraussetzung, um an der Selbsthilfegruppe teilzunehmen – auch wenn das Blaue Kreuz ein christlicher Suchthilfeverband ist.

"Wichtig ist, dass man eine Befreiung erlebt", so Forderung. Ein spiritueller Zugang könne dabei helfen, das Selbstwertgefühl und die Beziehung zu sich selbst zu verbessern – ob das durch den Glauben oder anderweitig erreicht wird, ist für Forderung zweitrangig.

Eine Handvoll Leute

Doch der Ruf einer möglichen Missionierung – so der Eindruck – scheint der Begegnungsgruppe momentan vorauszueilen. Seit vielen Monaten kommen weniger als eine Handvoll Leute zu den Treffen. "Viele kommen einmal und sagen: Zu den Betbrüdern gehen wir nicht mehr", erzählt Obergfell.

Regelmäßige Teilnahme

An das Auflösen der Gruppe denkt Mario Forderung allerdings nicht. Seit einem Vierteljahrhundert besteht die Möglichkeit zur Begegnung – und das wird auch weiter so sein. "Die regelmäßige Teilnahme trägt einfach viel zur Abstinenz bei", ist der Leiter überzeugt. Und so werden die Treffen weiterhin angeboten, denn wenn auch nur einem Alkoholkranken damit geholfen werden kann, sei das Ziel erreicht. Auch deshalb meint Gerhard Obergfell, der regelmäßig die Treffen besucht: "Wir müssen einfach durchhalten."

Zum 25-jährigen Bestehen der Gruppe gibt es am Sonntag, 12. November, ab 10 Uhr einen Festgottesdienst bei der freikirchlichen Gemeinde Eben-Ezer in der Bahnhofstraße.

Weitere Informationen: Die Begegnungsgruppe "Blaues Kreuz" für Menschen mit Alkoholproblemen und deren Angehörige trifft sich dienstags ab 18.30 Uhr im evangelischen Gemeindehaus bei der Lorenzkirche. Kontakt: Mario Forderung, Telefon 0174/7 02 26 99.