Noch sehr rege ist Ruth Kramer aus St. Georgen, die heute 90 Jahre alt wird. Foto: Hübner Foto: Schwarzwälder-Bote

Heute feiert sie ihren 90. Geburtstag / Im Ökumenischen Gemeindezentrum engagiert

Von Stephan Hübner

St. Georgen. Stolze 90 Jahre alt wird heute Ruth Kramer. Trotz ihres Alters ist die Jubilarin noch sehr aktiv.

Das Licht der Welt erblickte die 90-jährige als Ruth Bläsing in Liependorf im Kreis Friedeberg. Der Ort hat eine lange Geschichte, wie Ruth zu berichten weiß. Er wurde 1764 vom "alten Fritz", also Friedrich II. von Preußen, gegründet.

In Liependorf besuchte Ruth die Schule und half ihrem Vater in der Landwirtschaft. Nach der Kapitulation der Deutschen wurde die Familie vom polnischen Militär ausgewiesen und musste Hab und Gut zurücklassen. Ruth war damals gerade 20 Jahre alt.

Ein mühsamer zwölftägiger Fußmarsch führte nach Berlin, wo man bei einem Freund unterkam. 1946 ging es nach Deersheim im Harz. Dort lernte Ruth ihren Mann Hans kennen, den sie 1948 heiratete. Ein Jahr später wurde ihre Tochter geboren. Leider dauerte die Ehe nur 15 Jahre. Hans starb schon 1963 an Krebs, als die Tochter gerade 14 Jahre alt war, für beide ein Schicksalsschlag.

Ostdeutschland nicht allzu lange Zuhause

Ostdeutschland blieb nicht allzu lange das Zuhause. Da ihr Mann von der Volkspolizei bedrängt wurde, machte sich die Familie 1955 "klammheimlich" davon, nach Gomaringen im Landkreis Tübingen. Dort arbeitete Ruth 30 Jahre lang in einer Miederfabrik. Einen Euro Stundenlohn bekam sie anfangs dafür. Das Doppelte gab es für eine besondere Aufgabe, wofür sie aber die Erlaubnis ihres Mannes brauchte. Es ging um Modellstehen in neuen Miedern. Die mussten alle neu gemacht werden, weil statt der bis dahin gebräuchlichen Stäbe das Material "Helanca" aufkam. Bis zu ihrem Rentenalter stand Ruth "für die Herren im weißen Kittel" Modell. Noch heute bezieht sie als ehemalige Angestellte vergünstigt Mieder.

Nach ihrem Rentenbeginn lag Ruth keineswegs auf der faulen Haut. So engagierte sie sich zwölf Jahre lang in der Nachbarschaftshilfe. Wegen einer Thrombose entschieden Tochter und Enkel 2001, dass sie nicht mehr in der bisherigen Wohnung leben sollte, die nur über eine Wendeltreppe erreichbar war. So zog sie nach St. Georgen, wohnte zwei Jahre in der Luisenstraße und danach im Haus ihres Enkels, wo sie noch heute lebt.

Trotz einer künstlichen Hüfte hält es Ruth auch heute nicht lange in der Wohnung. Sie legt viel Wert darauf, draußen zu sein, "egal bei welchem Wetter". Gut 40 Minuten ist sie täglich mit unterwegs und hat sogar ein Handy um im Notfall Hilfe rufen zu können.

Immer noch hilft Ruth im Haushalt ihres Enkels, früher auch im Garten. Noch bis vergangenen Herbst nähte Ruth viel selbst, aber nun lassen die Augen nach, so dass das nicht mehr möglich ist. Dafür versorgt sich Ruth immer noch selbst, backt Brot und kocht Marmelade. Erst vor ein paar Tagen wieder 140 Gläser.

Ruth engagiert sich zudem im Ökumenischen Gemeindezentrum in Haus-, Gesprächs- und Frauenkreis. Einmal pro Woche spielt sie mit Freundinnen "Rummikub". Alle zahlen einen Euro ein, "das hauen wir dann auf den Kopf", so Ruth munter.

Gefeiert wird der Geburtstag im Herbst, weil dann noch ein paar andere Feiern anstehen. Ganz sicher werden ihre Verwandten, darunter zwei Urenkel, zu Besuch kommen.