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Jürgen Gräf hört zum Monatsende altershalber auf / Im ländlichen Raum ist es schwierig , Nachfolger zu finden

Von Dieter Vaas und Stephan Hübner

St. Georgen. Zahnarzt Jürgen Gräf schließt altershalber seine Praxis – ersatzlos. "Es gibt aber weiter genug gute Zahnärzte in St. Georgen", versichert er. Seine Patienten haben noch eine kleine Auswahl bei der Suche nach einem Ersatz.

Jürgen Gräf studierte Zahnmedizin in Münster, wo er auch promovierte. Zwei Jahre lang war er als Assistent in einer Praxis in Crailsheim tätig. Im Süden gefiel es ihm. Als begeisterter Skifahrer suchte er die Nähe der Alpen. Den Schluchsee hatte er bereits gesehen. Seine Frau Birgit kannte Villingen von einem Urlaub mit den Eltern her. Auf der Suche nach dem geeigneten Ort, um eine Praxis zu eröffnen, fiel die Wahl auf St. Georgen. "Hier war noch Bedarf", erinnert sich der Zahnarzt.

Und so ließ sich das Ehepaar im Jahr 1978 in die Bergstadt nieder. 300 bis 400 Patienten versorgte Jürgen Gräf pro Quartal in den Räumen am Bärenplatz. Bis zu vier Mitarbeiterinnen unterstützten ihn. Jetzt sind es noch zwei. Eine geht in den Mutterschutz, die Kollegin hat bereits eine neue Anstellung gefunden.

Lange hat Jürgen Graf nach einem Nachfolger gesucht, dafür sogar extra einen Kurs besucht. Als sich abzeichnete, dass es nicht klappen könnte, hängte er noch zwei Jahre Arbeit dran. Im Mai ist er 67 Jahre alt geworden. Da personelle Veränderungen ins Haus standen, fiel der Entschluss zur Berufsaufgabe etwas leichter. "Es ist die richtige Zeit", sagt er, räumt aber "gemischte Gefühle" durchaus ein. Die angenehmen Patienten werde er ganz sicher vermissen.

Behandlungszimmer werden ausgeräumt

Am 26. Juni ist mit dem Ende des Quartals endgültig Schluss. Es kommen Spezialisten und räumen die drei Behandlungszimmer und den Rest der Räume aus. Sie verwerten, was noch zu verwerten ist. Dann erinnert nichts mehr an die Praxis, in der so mancher ins Schwitzen geriet. Trotzdem werden die meisten Patienten den sehr ruhigen, kompetenten Zahnarzt und seine sehr kurzen Wartezeiten sehr vermissen.

Die beiden Dortmunder Birgit und Jürgen Gräf sind im Schwarzwald schnell heimische geworden. Der Sohn und Tochter leben beide in der Gegend von Pforzheim. Durch den Sohn haben die Gräfs auch eine süße Enkelin. Im Brigach wohnen sie im schmucken Eigenheim und wollen dort noch lange bleiben. Langweilig wird’s dabei nicht, zumal es einen großen Garten zu versorgen gilt.

Jürgen Gräf gehört die gesamte Saison über zudem zu den eingefleischten Schwimmern im Klosterweiher: "Ich vertrage das Chlor der Schwimmbäder nicht. Da ist der Weiher eine gute Sache". Er spielt gern Tennis. Früher gehörte auch Volleyball zu seinen Hobbys. Im Winter ist Gräf nach wie vor sehr gerne auf der Loipe.

Zurück nach Dortmund geht’s auf keinen Fall, "außer um die Schwiegermutter und ein Heimspiel des BVB zu besuchen, das reicht", sagt Gräf schmunzelnd. Früher waren die beiden Gräfs eingefleischte Dortmund-Fans. Heute ist ihnen der FC Freiburg wichtiger und näher. Dessen Außenverteidiger Christian Günter gehört zu den Gräf-Patienten.

Teilweise schon Patienten von Gräf übernommen hat die Praxis von Wolfgang Wagner. Es gibt dort mittlerweile auch eine Zahnärztin, weshalb weiterhin neue Patienten aufgenommen werden. Die Wartezeit wird mit einem Monat oder weniger angegeben. Auch die Praxis von Thomas Trunk nimmt neue Patienten auf. Die nächsten Termine sind aber erst Ende Juli verfügbar.

Keine Auskünfte zur Wartezeit gab es in der Praxis von Reiner Bergis und Thomas Müller, weil dies vom jeweiligen Sachverhalt beim Patienten abhänge. Hier werden noch neue Patienten angenommen.

Neuaufnahme von Patienten schwierig

Anders sieht es in der Praxis von Michael Rediker und Sabine Cochlovius aus. Rediker übernahm die Praxis 1989. Sollte nun auch Gräf aufhören, hätten seitdem fünf Praxen geschlossen, lautet hier die Bilanz. Eine Neuaufnahme von Patienten sei fast nicht möglich, so Rediker. Man habe sich entschlossen, zumindest Patienten aufzunehmen, die schon einmal im Rahmen des Notdienstes von Gräf kamen. Allerdings habe seine Praxis schon bei der Schließung der Leber-Praxis einen Aufnahmestopp verhängt.

Allgemein sieht Rediker mittel- bis langfristig große Probleme, weil kleinere, ländliche Praxen nicht mehr veräußerbar seien. Auch jüngere Kollegen zu bekommen, sei oft nicht möglich. Hinsichtlich eines Verkaufs seiner eigenen Praxis zeigte sich der mittlerweile 57-Jährige deshalb sehr pessimistisch.