Der Bonner Pädagoge Hans-Josef Biegert referiert auf Einladung der ADHS-Selbsthilfegruppe VS-Schwenningen an den Zinzendorfschulen. Foto: Zinzendorfschulen Foto: Schwarzwälder-Bote

Angehende Erzieher und Betroffene bekommen Entlastungsstrategien von Fachmann Hans-Josef Biegert / Strukturen das A und O

Königsfeld. Rund fünf Prozent aller Kinder und Jugendlichen leiden unter ADHS. Für Eltern und Pädagogen ist es nicht immer einfach, ihnen und den Mitschülern gleichzeitig gerecht zu werden. Was genau ADHS ist und wie man damit umgehen kann, erklärte der auf dieses Syndrom spezialisierte Lehrer und Schulleiter Hans-Josef Biegert aus Bonn angehenden Erzieherinnen an den Zinzendorfschulen in Königsfeld.

Unter den rund 80 Zuhörern waren neben Eltern und Lehrern auch zahlreiche Schüler der Fachschulen zu dem Vortrag gekommen, denn auch sie werden später im Beruf ziemlich sicher mit ADHS-Kindern zu tun haben.

"Psychisch auffällige Kinder stellen die schwierigste Herausforderung für gemeinsames Lernen dar", sagte Biegert. "Ein ADHS-Kind bringt den Laden jeden Tag durcheinander." ADHS, das sei eine Mischung aus Unkonzentriertheit, Impulsivität und Hyperaktivität, "wobei das mit der Unkonzentriertheit auch nicht immer stimmt", räumte er ein. "Geben Sie einem ADHS-Kind einen Gameboy oder eine Playstation, kann es sich wunderbar konzentrieren."

Die ständige negative Rückmeldung erwachsener Bezugspersonen, seien es Lehrer oder Eltern, führe zu einer Beeinträchtigung des Selbstbildes, was die Probleme für die betroffenen Kinder und Jugendlichen noch verstärkt.

Biegert stellte seinem Publikum imposante Zahlen vor: Von Kindern ohne ADHS haben 6,5 Prozent bereits in der Grundschule Probleme – mit ADHS sind es 30 Prozent. 35 Prozent aller ADHS-Kinder besuchen eine Sonderschule, sonst läge die Quote bei drei Prozent. 20 Prozent seien notorische Schulschwänzer (fünf Prozent ohne ADHS), 80 Prozent werden mindestens ein Mal nicht in die nächste Klasse versetzt (24 Prozent) und 31,1 Prozent verlassen die Schule ohne Abschluss (4,4 Prozent bei Kindern und Jugendlichen ohne ADHS). Dennoch dürfe man nicht vergessen, dass Kinder mit ADHS im gesamten Spektrum des Intelligenzquotienten zu finden seien.

Weil ADHS eine Selbstregulierungsstörung sei, bräuchten betroffene Kinder eine Fremdregulation. "Man muss ihnen Strukturen geben", sagte Biegert. Das könnten bestimmte Rituale sein wie das Aufstehen, wenn der Lehrer in die Klasse kommt oder auch die stillen fünf Minuten, mit denen an den Zinzendorfschulen traditionell die erste Stunde am Morgen beginnt. Innerhalb einer Schulstunde steige der Lärmpegel ohnehin, deshalb sei es wichtig, auf einem möglichst niedrigen Lärmniveau zu starten. "Man muss also zunächst eine Situation erschaffen, mit der ein Unterricht überhaupt erst möglich ist, und diese dann aufrechterhalten."

Im Umgang mit ADHS-Kindern empfiehlt Hans-Josef Biegert ein auf drei Säulen aufbauendes Konzept: Es müssten Selbstregulationsfähigkeit, die Anpassungsfähigkeit sowie das Selbstbild und die Selbstwirksamkeit der Kinder und Jugendlichen gefördert werden. Schließlich gelte: "Nicht das ADHS ist das Problem, sondern wie wir damit umgehen."