Auf viel Interesse stößt ein Vortrag zum Thema Jesiden und IS-Terror. Fotos: Hübner Foto: Schwarzwälder-Bote

Vortrag: Jan Ilhan Kizilhan geht auf Völkermord an Jesiden und die Gewalt des IS ein

Von Stephan Hübner

Über "Jesiden – Geschichte, Religion und der IS Terror" berichtete Jan Ilhan Kizilhan bei den Königsfelder Gesprächen. Er beschrieb deutlich Grausamkeiten gegen die Religionsgemeinschaft.

Königsfeld. Das Haus des Gastes war voll wie selten zuvor. Kizilhan hatte den Termin gewählt um an den Völkermord an Armeniern in der Türkei zu erinnern, der am 24. April 1915 begann. 1,5 Millionen Menschen starben. Es gehe nicht darum, die Türkei schlecht zu machen, betonte er, sondern um das kollektive Gedächtnis der Menschen.

Kizilhan beschrieb die 4000 Jahre zurückreichende Geschichte der Jesiden, ihr an Indien angelehntes Kastensystem und ihre Glaubensvorstellungen. Für die Jesiden sei Genozid nichts Neues. Ehemals gab es Millionen in der Türkei, heute noch 476. Die Menschen seien Zeuge der Vernichtung dieser Religion. Mit dem Problem sei man nun im Irak konfrontiert, in dem 500 000 Menschen flohen.

Kizilhan sprach von einer neuen Dimension des Bösen. Der IS stehe gegen alle Werte, die man hier vertrete. Er sei in sich böse. Die Welt habe ihn bisher absolut unterschätzt. Der IS nutze den Islam als Glaubenskampf, um den es nicht gehe. Er baue ein Terrorsystem auf, um Menschen gefügig zu machen. Die Angriffe in Paris und Brüssel seien sicher nicht die letzten.

Kizilhan beschäftigte sich mit dem Phänomen, dass Terroristen Familien haben und Gefühle zeigen, aber Menschen ermorden, vergewaltigen oder versklaven. Die Opfer würden nicht als Menschen gesehen, sondern als Objekte. Zitate von Opfern beschrieben schrecklichste Schicksale. Kinder, die zum Soldatendienst gezwungen wurden, oder ein Mädchens, das sich mit Benzin übergoss und anzündete, damit man sie nicht mehr anfasst. Eine arabische Frau hielt eine Jesidin fest, während ihr Mann sie vergewaltigte, im Glauben, die Frauen konvertiere so zur Muslima. Kizilhan beschrieb auch Sklavenmärkte, auf denen acht- oder neunjährige Mädchen an 50- oder 60-jährige Männer aus Saudi-Arabien, Kuweit, Ägypten oder Marokko verkauft und unzählige Male vergewaltigt wurden.

Die islamische Welt müsse sich die Frage stellen, ob der IS islamisch sei oder nicht. Wenn er eine Terrororganisation sei, müsse die islamische Welt einen Aufstand betreiben. Kizilhan erinnerte an den Aufruhr wegen Mohammed-Karikaturen. Da sei zu fragen, wo die Millionen Menschen seien, die gegen den Missbrauch auf die Straße gehen. Der Islam müsse noch beweisen, dass der IS nichts mit ihm zu tun habe. Nach Kizilhans Meinung ist der IS eine faschistisch islamisierte Ideologie. Man dürfe nicht zulassen, dass solche Menschen dort wüten. In Bezug auf die Zerstörung von Monumenten sprach er von einer Zerstörung der Menschheitsgeschichte. Ab dem Zeitpunkt des IS beginne für die Anhänger das Jahr Null.

Er beschrieb ein Projekt der Bundesregierung, das mehr als 1000 missbrauchte Frauen nach Deutschland brachte. Seine Hoffnung sei, dass die Jesiden auch in Deutschland eine neue Heimat finden. Derzeit leben hier 120 000 Mitglieder der Religionsgemeinschaft. Wenn sie Teil der Gesellschaft werden wollten, müssten sie einen Teil ihrer religiösen Werte ändern.