Voll besetzt sind vor allem von Pädagogen aus der Bergstadt die Besucherplätze im großen Rathaussaal. Foto: Vaas Foto: Schwarzwälder-Bote

Bergstadt will ein Schulnetzwerk schaffen / Alle Bildungseinrichtungen bleiben erhalten und kooperieren

Von Dieter Vaas

St. Georgen. Was wird aus den Schulen der Bergstadt? Eine Lösung scheint gefunden. Der Gemeinderat stimmte einem Projekt zu, das Modellcharakter weit über die Region hinaus hat. Alle Bildungseinrichtungen bleiben erhalten und kooperieren. Die Umsetzung soll möglichst schnell beginnen.

Die Landesregierung favorisierte anfangs die Gemeinschaftsschule, so Bürgermeister Michael Rieger. Da St. Georgen alle Bildungseinrichtungen anbieten kann, wollte sich damit keiner richtig anfreunden. Was für Mönchweiler ideal war, hätte in der Bergstadt den Wegfall der Robert-Gerwig- und der Realschule bedeutet. Da Realschulen künftig auch den Hauptschulabschluss anbieten müssen, stünde die Werkrealschule ohne ein Gegensteuern im Schuljahr 2021/22 leer. Das neue Konzept des Schulnetzwerks greife aber nur, wenn die Eltern auch mitziehen. Veränderungen erforderten Mut. Es gehe jetzt erst richtig los, auch bei der Geldbeschaffung.

Zukunft der Betriebe und Dienstleister

Demografischer Wandel und Wirtschaftlichkeit richten sich meist nicht nach dem Kind. Anders in St. Georgen, betonte die geschäftsführende Rektorin der Bergstadtschulen und Leiterin der Realschule, Hedwig König. Es gehe auch um die Zukunft der Betriebe und Dienstleister. Der Gemeinderat wolle alle Abschlüsse erhalten. Die Industrie stehe voll hinter der Werkrealschule, wie eine Umfrage ergab. Der starke Schulstandort soll bleiben. Im gesamten Schwarzwald-Baar-Kreis hätten nur vier Kommunen etwas Vergleichbares.

Um jedem Kind seine passende Schule bieten zu können, sei das Netzwerk erforderlich. Es soll die Übergänge erleichtern und alle Chancen ausnutzen. Jedes Kind erhält die persönliche Orientierung für eine lokale Entwicklung. Deshalb ist auch ein gemeinsamer Auftritt bei der Bildungsmesse vorgesehen.

Alle jungen Leute sollen den Schulstandort als liebenswert entdecken. Allein an der Realschule ist der Anteil der Einpendler bei 45 Prozent. Dies unterstreiche, wie wichtig der Schulstandort ist. Alle Schüler sollen Nähe und Einbindung erfahren. Sie sollen sich mit ihrer Schule identifizieren. Die Persönlichkeit werde gestärkt. "Wir kennen unsere Schüler und diese kennen sich untereinander", sagte König. Das Vereinsleben in der Bergstadt sei ein starkes Pfund. Die Vielfalt der Schulen werde der Vielfalt der Schüler gerecht und durch die Kooperation noch gestärkt.

Vor zehn Jahren rechtzeitig reagiert

Ralf Heinrich, Leiter des Gymnasiums, outete sich als Gegner von Gemeinschaftsschulen. Das geplante Schulnetzwerk sei viel näher an den Kindern. Die neueste Reform der Landesregierung bringe eindeutig Vorteile. "Das Thomas-Strittmatter-Gymnasium wäre heute tot, wenn es vor zehn Jahren nicht reagiert hätte", zeigte er sich überzeugt. Die Bergstädter seien weiter als andere Schulen. Jetzt müsse gebaut werden. Es werde noch heftige Diskussionen geben. "Kinder und Jugendliche bringen Lachen in die Stadt", betonte Heinrich.

Jörg Westermann, Rektor der Robert-Gerwig-Schule, setzt auf die Steuerungsgruppe. Alle Schulen in der Bergstadt, einschließlich der Förderschule, seien sehr aktiv. Ganz wichtig ist ihm die Durchlässigkeit der verschiedenen Bildungseinrichtungen. Der Elternwunsch stimme nicht immer unbedingt mit dem Schulwunsch überein. "Wenn dann die Kinder fallen, sollen sie bei einem Wechsel weich fallen", forderte er. Wer vom Gymnasium durchgereicht werde, bekomme in der Werkrealschule kaum noch einen Fuß auf den Boden.

Eine weitere Herausforderung sei die Abschaffung der Sonderschulpflicht. Die RGS sei hier bereits einen Schritt weiter und habe eine Inklusionsklasse. Die Eltern hätten aber keinen Rechtsanspruch auf eine bestimmte Schule. Seine Erfahrung zeige zudem, dass eine ganz große Mehrheit der betroffenen Eltern ihre Kinder lieber in die Christy-Brown-Schule nach Villingen schickten.

Ralf Schneider, beim Staatlichen Schulamt in Donaueschingen Fachbereichsleiter für Grund-, Werkreal-, Real- und Gemeinschaftsschulen, lobte die profunde Expertise, die sehr stimmig sei. Verwaltung und Gemeinderat seien sehr gut beraten. Das Konzept habe Augenmaß. "Die Handlungs- und Entscheidungsmöglichkeiten bleiben bei den Eltern." So einen Entschluss hätte er gerne auch von anderen Entscheidungsträgern, unterstrich er.

Joachim Kleiner (Freie Wähler) freute, "dass die Robert-Gerwig-Schule bleiben darf". Er sei sehr stolz über die positive Ausstrahlung des Vorhabens über die Stadtgrenzen hinaus. Durch Baumaßnahmen müsse die Attraktivität mindestens gehalten, wenn nicht gar gesteigert werden. Vor allem dachte er dabei an eine Mensa.

Viel Neues durch das Land förderbar

Michael Rieger zeigte sich zuversichtlich: "Es ist viel Neues durch das Land förderbar."

Manfred Scherer (CDU) sind die kurzen Wege der Kinder verbunden mit dem Gefühl für Heimat wichtig. Wer in St. Georgen zur Schule gehe, habe eine ganz andere Bindung an die Stadt. Das neue Modell gefalle ihm weit besser als eine Gesamtschule. Bemerkenswert sei, wie groß schon heute die Bindung zwischen Industrie und Schulen sei.

Für Oliver Freischlader (SPD) ist es nicht selbstverständlich, wenn so gut funktionierende Einrichtungen zusammenrücken. Es zeichne St. Georgen aus, dass ein umstrittenes Thema so konstruktiv angegangen werde. Schon frühzeitig könnten die jungen Leute erfahren, welche Chancen in der Bergstadt stecken.

Jochen Bäsch (FDP) hatte nach eigenem Bekunden mehrfach geglaubt, es gehe nicht mehr weiter. Jetzt sei eine sehr gute Lösung gefunden. Es sei nicht einfach, die politischen Vorgaben zu erfüllen. "Wir stehen ganz am Anfang. Die Arbeit geht erst richtig los."

Gabriele Elsäßer (Freie Wähler) mahnte an, bei den Kontakten zur Arbeitswelt die kleinen Betriebe nicht zu vergessen.