Prozess: Freispruch für Komplizen / Beschädigung eines Geldautomaten räumen beide Angeklagte ein / Opfer erleidet Schulterbruch

St. Georgen/Konstanz (tam). Für dreieinhalb Jahre schickte das Landgericht Konstanz einen 41-jährigen Mann ins Gefängnis, der im Oktober vorigen Jahres in St. Georgen einer 86-jährigen Frau die Handtasche entriss und sie dabei schwer verletzte.

Ob ein mitangeklagter 45-jähriger Mann aus St. Georgen an dem Raub beteiligt war, konnte das Gericht nicht endgültig klären. Man sprach ihn deshalb nach dem Zweifelsgrundsatz frei. Ganz ohne Strafe kam er dennoch nicht davon. Am gleichen Tag hatte er zusammen mit dem 45-Jährigen in einer Kneipe in St. Georgen versucht, einen Geldautomaten aufzubrechen, "weil der mein ganzes Geld geschluckt hat". Für diesen versuchten Diebstahl bestrafte ihn das Gericht mit einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 20 Euro.

Wie berichtet, riss der Jüngere der Seniorin die Tasche vom Arm, als diese sich an jenem Nachmittag gegen 16 Uhr vor dem Schaufenster eines Ladens in der Innenstadt befand. Durch den Ruck stürzte die 86-Jährige so unglücklich, dass sie sich einen komplizierten Schulterbruch zuzog. Seither ist die zuvor noch recht rüstige Frau für bestimmte Verrichtungen des Alltags auf fremde Hilfe angewiesen. In der Tasche befand sich nur ein Regenschirm. Der 41-jährige, vielfach vorbestrafte Angeklagte behauptete zunächst, er könne sich wegen seines Alkoholkonsums nicht mehr an die Tat erinnern. Niemand nahm ihm diese inselhafte Erinnerungslücke ab. Denn er gab selber zu, dass er an bestimmten anderen Tagen wesentlich mehr Bierchen zu konsumieren pflege als er an diesem Nachmittag intus hatte. Letztendlich zeigte er sich dann auch sehr zerknirscht darüber, "dass ausgerechnet mir das passieren muss". Damit meinte er, dass in seiner gesamten kriminellen Karriere Kinder und alte Leute für ihn immer tabu gewesen seien. Sein damaliger Kumpel, der inzwischen im Raum Frankfurt lebt, war angeklagt, ihn zu dem Überfall angestiftet zu haben. Das bestritt der 41-Jährige von Anfang an.

Das Gericht fand zwar etliche ihn belastende Indizien, aber für eine Verurteilung zu einer mehrjährigen Haftstrafe habe das einfach nicht ausgereicht, stellte der Vorsitzende Richter fest. Der Vertreter der Anklage hatte hingegen knapp viereinhalb Jahre Haft gefordert. Die Beschädigung des Geldautomaten räumten beide Angeklagte ein. Viel anderes blieb ihnen auch nicht übrig, da dem Gericht eine Videoaufzeichnung vorlag, auf der sie bei der "Bearbeitung" des Geldspielautomaten zu sehen waren. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.