St. Georgen - Die Grässlin GmbH streicht am Standort St. Georgen und Peterzell Stellen. Das Unternehmen spricht von "finanziellen Schwierigkeiten" – und setzt künftig beim Thema Produktion auf Mexiko.

Die Nachricht verbreitete sich am Freitagmorgen wie ein Lauffeuer: Der in St. Georgen ansässige Spezialist für Zeitschalttechnik verlagert zentrale Teile der Produktion nach Mexiko. Knapp 150 Mitarbeiter beschäftigt die Firma in St. Georgen. Drei Viertel der Mitarbeiter in der Produktion und den produktionsnahen Bereichen sehen sich nun mit der Kündigung konfrontiert.

Auch im Rathaus wurde man von der Entscheidung des Unternehmens überrascht. "Ich habe es auch erst heute per Mail erfahren", sagte Bürgermeister Michael Rieger auf Nachfrage. "Das ist höchst bedauerlich für uns." In erster Linie denke man nun an die Betroffenen, die ihren Arbeitsplatz verlieren.

Zukunft der Firma soll gesichert werden

Als Begründung für die strategische Neuausrichtung führte das Unternehmen an, damit die Zukunft des Betriebs langfristig zu sichern. In den vergangenen Jahren habe man einen "deutlichen Umsatzrückgang" verzeichnet. In der Folge sei der Konzern vor "finanziellen Herausforderungen" gestanden. Dieser Rückgang werde nicht zuletzt dem deutschen Standort zugeschrieben, der nicht wettbewerbsfähig genug sei.

Es ist eine Entwicklung innerhalb des Unternehmens, die sich bereits seit der Übernahme im Jahr 2000 durch die Firma General Electric ankündigte. Damals beschäftigte die Firma rund 450 Mitarbeiter an ihren zwei Standorten in Peterzell und St. Georgen. Eine Zweigniederlassung in der Schweiz wurde im Zuge der Übernahme an die in Schonach ansässige Firma SBS-Feintechnik veräußert, Teile der Produktion nach Asien ausgelagert.

Im Juni 2007 wechselte Grässlin abermals den Besitzer. Die US-Firma Intermatic Inc., einer der weltweit größten Hersteller von Zeitschalttechnik, kaufte das 1956 gegründete Familienunternehmen. Die Produktion verlagerte sich von Asien nach Mittelamerika. Ein Arbeitsplatzabbau war laut dem Unternehmen allerdings bislang nicht damit verbunden.

Für den Wirtschaftsstandort St. Georgen ist der nun geplante Stellenabbau ein herber Schlag. Die Argumente, die das Traditionsunternehmen anführe, so der Bürgermeister, müsse man akzeptieren. "So schlimm das auch für uns ist", sagte er. Wenn es einer Firma wirtschaftlich nicht gut gehe, könne er als Bürgermeister nichts tun. "Da habe ich null Möglichkeiten."

Verlagerung erfolgt bis Mitte kommenden Jahres

Die Umstrukturierung soll bis Mitte 2018 abgeschlossen sein. Die Kündigungen treten bis Ende Juni 2018 in Kraft und betreffen konkret Mitarbeiter der Abteilungen Fertigung, Spritzerei, Qualität, Werkzeugsbau und Industrial Engineering. Wie das Unternehmen versicherte, soll der Firmensitz in St. Georgen bestehen bleiben. Geplant sei, den Fokus auf die Produktentwicklung zu legen und diese weiter auszubauen.

Da die Produktion zum größten Teil im Werk in Peterzell angesiedelt ist, liegt eine Schließung und die Verlagerung an den Standort in St. Georgen nahe. Gut unterrichteten Kreisen zufolge soll das Gebäude in Peterzell verkauft werden.

Bürgermeister Michael Rieger hat indes im Gespräch mit unserer Zeitung den betroffenen Mitarbeitern von Grässlin seine Unterstützung zugesichert. Nächste Woche wolle er mit seinen Mitarbeitern Lösungsansätze besprechen. "Ich denke auch, dass Arbeitkräfte in St. Georgen gesucht werden. Das ist ein kleiner Hoffnungsschimmer meinerseits", sagte er. Möglich wäre eine Plattform seitens der Stadt, um suchende Unternehmen und Mitarbeiter zusammenzuführen. "Ich bin gerne bereit, da was zu machen", meinte er.

Um St. Georgen als Wirtschaftsstandort macht sich der Bürgermeister dennoch keine Sorgen und nennt das Gewerbegebiet Hagenmoos als gutes Beispiel. "Der Standort ist attraktiv. Wir sind gut aufgestellt", sagt er. Für die Grässlin-Mitarbeiter, die nun vor der Kündigung stehen, ist das ein kleiner Lichtblick.

Kommentar: Tiefpunkt

Von Nadine Klossek

Synergieeffekte, Entwicklungsmöglichkeiten, Visionen – glaubt man den Pressemitteilungen des Unternehmens, steht Grässlin durch die Umstrukturierung eine goldene Zukunft bevor. Die Frage ist nur: für wen? Die Entscheidung hat angesichts der langen Firmengeschichte einen bitteren Beigeschmack. Von ehemals 450 Mitarbeitern wird nach den Kündigungen im kommenden Jahr wohl nur noch eine zweistellige Zahl übrig bleiben. Ein Unternehmen aus Übersee tut sich eben leicht darin, Mitarbeiter aus dem fernen Schwarzwald zu entlassen. Hauptsache, die Zahlen stimmen. Knapp 60 Jahre nach der Gründung ist von dem einstigen Familienunternehmen nicht mehr viel übrig. Die Talfahrt für Grässlin dauert damit wohl weiterhin an. Und während die Chefetage positiv in die Zukunft blickt, bleiben viele Mitarbeiter auf der Strecke.