Erster Weltkrieg führt zur Verbannung nach Sibirien / Manfred Bökenkamp spricht über das Leben im Osten

Von Stephan Hübner

St. Georgen. Auf eine "eurasiatische Reise" nahm Manfred Bökenkamp die Besucher eines Rote-Raute-Treffs des Schwarzwaldvereins mit.

Weit herumgekommen sind Bökenkamp und seine Vorfahren. Sein Großvater mütterlicherseits brach 1899 für ein deutsches Handelshaus von Hamburg in Richtung Wladiwostok auf. Dieser Tätigkeit machte der erste Weltkrieg ein Ende. Der Großvater wurde verhaftet und nach Sibirien verbannt, verliebte sich dort und zeugte zwei Kinder.

Referent wird in China geboren

Bei Ausbruch des Bürgerkriegs ging es zunächst nach Irkutsk, später nach China, wo Bökenkamp geboren wurde. Dass er kein Chinesisch spricht hat mit dem Bau der transsibirischen Eisenbahn zu tun. Denn die wurde durch China getrieben, wo es auch eine russische Stadt gab.

Die Zeiten wurden für Bökenkamp nicht ruhiger. So starb seine Mutter krankheitshalber, der Vater wurde 1945 von den Russen gefangen genommen und starb ebenfalls. So war er mit der Großmutter und zwei weiteren Enkeln allein in China, bis ein Schiff aus Hamburg die Deutschen im Jahr 1950 holte.

Bei Pflegeeltern wohnend lernte er den Beruf eines Schiffsmaschinenschlossers, später Ingenieur. Seine Russischkenntnisse waren aber kaum gefragt, außer bei J. G. Weisser. Von Gottfried Rettich erhielt Bökenkamp einen Brief zwecks Abschlusses eines großen Russlandauftrags.

Kurios waren Erinnerungen an viele Geschäftsreisen für verschiedene Arbeitgeber. So verbrachte Bökenkamp mitunter Tage auf Flughäfen, weil Flugzeuge keinen Sprit mehr hatten. Einmal fuhr er mit seiner Frau per Auto von St. Georgen nach Petersburg. Dabei kam es zu einem Unfall auf einer holprigen russischen Straße. Ein Ziegelstein flog durch die Windschutzscheibe des Autos und traf Bökenkamp an der Brust. Die Folge waren ein geplatzter Lungenflügel und eine Operation in einem russischen Krankenhaus. Nicht gut weg kamen die damaligen Direktoren der Fabriken, die sich nach der Privatisierung der Unternehmen unter Gorbatschow enorme Tantiemen genehmigten und so die Wirtschaft kaputt machten. Zwar gab es viele Gespräche zu möglichen Kooperationen mit deutschen Firmen, daraus wurde aber nie etwas.

Aktuelle Lage angesprochen

Auch Putin und die aktuellen Geschehnisse in der Ukraine kommentierte Bökenkamp. Das was sich jetzt zeige, sei typisches russisches Verhalten. Vorne herum werde von Frieden gesprochen und hintenherum beauftrage man Leute, die Sache zu erledigen. Putin sei zwar noch besser als Stalin, aber allen die gegen ihn seien, ginge es schlecht. Die Presse habe er völlig gleichgeschaltet. Die Krim sei lange russisch gewesen, bis Chruschtschow sie "im Handstreich" der Ukraine zugeschlagen habe. Er sei der Meinung, dass man die Probleme auf irgend einem Verhandlungswege hätte bereinigen können, so Bökenkamp.