Jana Kaiser übersetzt das, was Gabi Eimer aus dem Buch "Anton und Stups" vorliest, in die Gebärdensprache. Foto: Seiss Foto: Schwarzwälder-Bote

Lesezeit: Kinder aber auch Erwachsene sind interessiert an "Anton und Stups" für Ohren und Augen

Zur Lesezeit in der Stadtbibliothek kamen am Mittwochnachmittag viele Neugierige. Das Buch "Anton und Stups" wurde vorgelesen. Doch im Mittelpunkt stand ein ganz besonderer Gast.

St. Georgen. Um kurz nach halb vier Uhr eilen die letzten Zuhörer in die Lesezeit-Ecke der Stadtbibliothek. Mitarbeiterin Gabi Eimer begrüßt das Publikum schon mit dem grünen Bücherdrachen, dem rote Haare aus den Ohren sprießen. Währenddessen gebärdet Jana Kaiser, sie ist Dolmetscherin für Gebärdensprache, was Gabi Eimer sagt.

"Warum spricht sie so leise?", fragt ein kleiner Junge, der Jana Kaiser ganz genau beobachtet. Denn neben ihren Händen bewegt sie beim Übersetzen auch ihre Lippen. Sie komme immer dann ins Spiel, wenn eine gehörlose Person mit jemandem spreche, der keine Gebärdensprache kann, fasst die 25-Jährige für die jüngeren Zuhörer zusammen. Sie selbst suche regelmäßig die Stadtbibliothek auf. Daher habe sie gerne zugesagt, als Lucia Kienzler sie zur Lesezeit einlud.

Aufmerksam folgen die etwa 20 Besucher also den Ausführungen von "Anton und Stups" – zum einen mit den Ohren und zum anderen mit den Augen. Und auch selbst will der ein oder andere aktiv werden. "Darf ich den Steckbrief vorlesen?", meldet sich ein Junge. Nach der Vorlesegeschichte stellen einige Neugierige Fragen und wollen wissen, wie verschiedene Begriffe gebärdet werden. Dabei erklärt sie auch, dass es verschiedene Dialekte in der Gebärdensprache gibt. Die Farbe Grün oder der Hund werde je nach Region anders gestikuliert. "Dadurch, dass die Sprache so bildhaft ist, kann man sich recht gut unterhalten, solange es keine tiefergehenden Gespräche sind", erklärt sie auf Nachfrage.

"Dolmetschen ist schon sehr anstrengend", erläutert Jana Kaiser nach der Lesezeit. Es erfordere viel Konzentration, zuzuhören und das Gehörte zeitgleich umzusetzen, also zu gebärden. "Deshalb sind bei Einsätzen über einer Stunde auch immer zwei Dolmetscher da, die sich in der Regel alle zehn bis 15 Minuten abwechseln", schildert Kaiser, die das Gebärdensprachdolmetschen an der Universität in Hamburg studierte.

Mit neun Jahren habe sie einen Film gesehen, in dem gebärdet wurde. "Ich war so fasziniert von der Sprache, dass ich sie später unbedingt lernen wollte", erinnert sich Jana Kaiser. Passiert es ihr denn auch, dass sie in ihrer Freizeit gebärdet? "Ja, das kommt ab und zu vor", sagt sie und gibt schmunzelnd zu, dass es beim Einkaufen schon vorgekommen sei, dass sie Selbstgespräche, wie zum Beispiel: "Ah! Jetzt habe ich das vergessen!", gebärdet hat – und tut dies zur Verdeutlichung auch im Gespräch mit unserer Zeitung.

Seit etwa einem Jahr ist Jana Kaiser selbstständig im Schwarzwald-Baar-Kreis, der Bodenseeregion sowie Richtung Tuttlingen und Offenburg tätig. "Da sind echt interessante Aufträge dabei", freut sie sich und zählt unter anderem Weiterbildungen, Gespräche mit Vorgesetzten, Arztbesuche und auch Schulbesuche auf.

"Die Mimik ist sehr wichtig", sagt Jana Kaiser, als sie nach grundlegenden Dingen der Gebärdensprache gefragt wird. Wird etwas großes beschrieben, ist der Mund breit, bei etwas Kleinem formt sie den Mund eher spitz. "Wird etwas gefragt, dann zieht man die Augenbrauen nach oben", schildert sie. Aber auch die Körperhaltung helfe dabei, zu übersetzen, je nachdem ob aus Sicht eines Kindes oder eines Erwachsenen gesprochen wird, schaue sie beispielsweise von unten nach oben oder umgekehrt. "Ich versuche immer eine Bühne vor mir aufzubauen", beschreibt sie ihr Vorgehen.

"In der Regel kann man normal mit Gehörlosen sprechen", möchte Jana Kaiser die Berührungsängste nehmen, denn sie könnten oft von den Lippen lesen. Wichtig sei es, sich nicht von ihnen abzuwenden. "Manchmal braucht man einfach etwas Geduld."