Der Energiekonzern EnBW soll von einem Angestellten um Millionen Euro betrogen worden sein. Foto: dpa

Ein 54 Jahre alter Bauingenieur soll seinen Arbeitgeber, die Energie Baden-Württemberg (EnBW), um Millionen betrogen haben. Der Mann steht mit vier Mitangeklagten vor dem Landgericht.

Stuttgart - Was Staatsanwalt Marcus Höschele vor der 19. Strafkammer des Landgerichts vorträgt, hört sich an wie die Geschichte über einen Selbstbedienungsladen. Da wurden Gartenbauarbeiten auf privaten Grundstücken verrichtet, teure Elektronikartikel wie Smartphones und überdimensionale TV-Geräte abgegriffen, immer wieder soll auch Bargeld geflossen sein. Bezahlt hat dies laut Anklage alles die EnBW – unwissentlich und jahrelang.

Als Initiator des Schwindels sitzt ein 54 Jahre alter Bauingenieur auf der Anklagebank, der bei der EnBW in Stuttgart als Betreuer verschiedener Liegenschaften des Konzerns zuständig war für die Vergabe von Handwerkeraufträgen an externe Firmen. Er war auch berechtigt, die jeweiligen Rechnungen anzuweisen. Der Schaden soll in die Millionen gehen.

Der Betrug flog zufällig auf

Der mutmaßliche Millionenschwindel flog ganz banal auf. Die Finanzbehörden hatten gegen einen der Angeklagten ermittelt. Der Verdacht: Der selbstständige Gartenbauer habe rechtswidrig Sozialleistungen vom Jobcenter Böblingen in Anspruch genommen. Dabei war aufgefallen, dass die EnBW regelmäßig höhere Beträge an den Mann überwiesen hatte. Der Stein kam ins Rollen. Die Ermittler stellten fest, dass hinter den Überweisungen der jetzt angeklagte Mitarbeiter der EnBW stand. Er hatte die Summen freigegeben. Der Energiekonzern setzte im Oktober 2016 eine interne Revision aufs Gleis mit dem vorläufigen Ergebnis, dass es sich um Scheinaufträge und Scheinrechungen handelt.

Es folgten Hausdurchsuchungen, die Hinweise auf weitere mutmaßliche Komplizen erbrachten. Und die Schadenshöhe wuchs und wuchs. Neben dem Gartenbauer gerieten ein Inhaber von drei Firmen, ein Elektro-Firmeninhaber und ein Waffenhändler mit Ladengeschäft im Kreis Böblingen ins Visier. Der Hauptangeklagte soll von 2012 bis 2015 mehr als 150 Scheinaufträge erteilt und die dementsprechenden Rechnungen zur Zahlung angewiesen haben.

Keiner der Angeklagten ist vorbestraft

Der Bauingenieur war seit mehr als 20 Jahren bei der EnBW beziehungsweise bei deren Vorgängerunternehmen tätig. Zuletzt verwaltete er EnBW-Immobilien. In dieser Funktion konnte er Beschaffungen und Dienstleistungen bis zu einem gewissen Betrag ohne Rücksprache tätigen. 2011 soll er sich entschlossen haben, dies weidlich auszunutzen, um „seinen luxuriösen Lebensstil“, wie es heißt, finanzieren zu können.

Der Mann soll mit den Mitangeklagten vereinbart haben, dass ihre Firmen vorformulierte Scheinrechnungen bei ihm einreichen. Neben den existierenden Firmen soll auch eine Fantasiefirma mit fingierten Aufträgen versorgt worden sein. Allein der Gartenbauer soll mehr als 60 Rechnungen. „Er schämt sich sehr“, sagen seine Verteidiger Christos Psaltiras und Thomas Mende. Ihr Mandant sei ein Arbeitstier, das sich als angestellter Straßenbauer die Gesundheit ruiniert habe. „Er hat nie auf großem Fuß gelebt“, bringen die Verteidiger vor.

Prozess könnte schnell zu Ende gehen

Der Fall, der das Zeug zu einem Mammutverfahren hätte, wird wohl zügig über die Bühne gebracht werden. Einige Angeklagte sollen bei der Kripo bereits Geständnisse abgelegt haben. Die Verteidigung, der Staatsanwalt und die Strafkammer wollen am Mittwoch ein Rechtsgespräch führen. Für den Hauptangeklagten stellt sich Staatsanwalt Höschele eine Strafe von ungefähr acht Jahren vor.