Nach dem Anschlag der bange Blick auf die Anzeigetafel: reicht die Zeit zum Finale? Foto: Eibner Foto: Schwarzwälder-Bote

Schwimmen: Simon Hengel steht nach intensiver Vorbereitung vor den entscheidenden Olympia-Qualifikationsrennen

Von Arno Schade

Der wichtigste Wettkampf des Jahres wartet auf Simon Hengel, und er sieht sich optimal darauf vorbereitet. Bei den deutschen Schwimm-Meisterschaften geht es vom 5. bis 8. Mai in Berlin um die Qualifikation für die Olympischen Spiele in Rio de Janeiro.

Ein Jahr lang hat der früher für den ASV Horb schwimmende Freudenstädter nach Abschluss seines Bachelorstudiums ganz auf die Karte Sport gesetzt und sich intensiv vorbereitet, um den Sprung zu Olympia zu schaffen und einen lang gehegten Traum in Erfüllung gehen zu lassen. Bevor es zur sportlichen Nagelprobe mit der nationalen Elite im Becken kommt, ist er mit sich im Reinen: "Egal wie es ausgeht, ich kann mir nichts vorwerfen. Die Vorbereitung ist sehr gut verlaufen."

Wöchentlich 20 Stunden im Wasser unterwegs

Ernährungsumstellung, die Arbeit mit einem Mentalcoach und viele, viele Trainingskilometer und Krafteinheiten sollten sich bezahlt machen, zumal der 24-Jährige sein straffes Programm verletzungsfrei und mit Ausnahme eines Infekts im Februar ohne größere Krankheitsunterbrechungen durchziehen konnte. Bis zu 20 Stunden, aufgeteilt in zehn Einheiten von je zwei Stunden, war er dabei wöchentlich im Wasser, und verbrachte zudem durchschnittlich noch neun Stunden im Kraftraum. Zusammen mit der notwendigen Regeneration, Arbeit mit Physiotherapeuten und den bei Schwimmern extrem wichtigen Dehnungsphasen kommt ein Pensum zu Stande, das nur mit der Konzentration auf den Sport bewältigt werden kann.

Zusammen mit der Trainingsgruppe seines Vereins Nikar Heidelberg war Simon Hengel in den vergangenen Wochen zudem zu zwei Trainingslagern im Süden unterwegs. Drei Wochen hielten sich die Schwimmer in der Höhe der Sierra Nevada in Spanien auf, und verbrachten nach einem regenerativen Heimaturlaub weitere zwei Wochen auf Teneriffa. Dort ging es noch einmal im Tenerife Top Training bei La Caleta intensiv zur Sache, unter anderem auch im Strömungskanal und im Kraftraum. "Bei optimalen Bedingungen" schwärmt Simon Hengel, der bei den dabei durchgeführten Leistungstest auch zufriedenstellende Ergebnisse lieferte: "das läuft alles in die richtige Richtung."

Dennoch aber noch keine Garantie für das Olympia-Ticket, wie er angesichts der starken nationalen Konkurrenz vor allem auf seiner Spezialstrecke 100 m Freistil weiß: "da fallen Prognosen schwer." Erstes Ziel muss es für ihn dabei sein, über die klassische Freistildistanz unter die besten Acht zu schwimmen und damit das Finale zu erreichen. Alle Finalisten stehen dann nach einem neuen Reglement des Deutschen Schwimmverbandes automatisch auf der Longlist für die Besetzung der 4 x 100 m-Staffel am Zuckerhut.

Die ersten beiden im Finale sind dann für die Olympischen Spiele gesetzt, vorausgesetzt sie unterbieten die A-Norm von 48,99 Sekunden. Die weiteren sechs Schwimmer des Rennens machen in weiteren internationalen Rennen, etwa bei der Nostre Marum-Tour, die beiden restlichen Starter unter sich aus.

"Der Fokus liegt aber natürlich ganz klar auf der deutschen Meisterschaft; darauf habe ich hin trainiert", so Simon Hengel, der in Berlin erstmals die 50 Sekunden-Grenze unterbieten will und in dieser Hinsicht auch durchaus optimistisch ist. Dann kommt es auf die Leistungen der Konkurrenz an. Mit Damian Wierling (49,56 sec), Steffen Deibler (49,67) und seinem Vereinskameraden Philip Heintz (49,81) sind im bisherigen Saisonverlauf drei Deutsche unter 50 Sekunden geblieben, viele haben ihre Karten aber noch nicht aufgedeckt.

50 m-Strecken dienen dem Einschwimmen

"Zum Einschwimmen" und zur Gewöhnung an das Becken wird Simon Hengel nach seiner Anreise nach Berlin zunächst das 50 m-Schmetterlingsrennen bestreiten. Auch über die 50 m Freistil geht er an den Start, allerdings mit nicht zu hohen Erwartungen: "Obwohl ich am Start und der Wende zuletzt viel gearbeitet habe, ist die Normzeit von 22,27 Sekunden unrealistisch; die sechs Zehntelsekunden Abstand zu meiner Bestzeit werde ich nicht aufholen können".

Ernst wird es am Samstag, 7. Mai ab 9 Uhr dann schon im 100 m-Vorlauf. Geht der Freudenstädter dann nochmals beim Finale ab 17 Uhr (live im ARD-Fernsehen) auf den Startblock, ist das erste Ziel erreicht. Wenn nicht, könnte es bereits das letzte große Rennen für ihn gewesen sein, denn spätestens nach einem eventuellen Olympiastart ist die leistungssportliche Karriere von Simon Hengel definitiv vorbei.

Einen Abschied hat er dabei bereits bei den deutschen Mannschaftsmeisterschaften in diesem Frühjahr gefeiert. "Unsere Wettkampfmannschaft von Nikar Heidelberg löst sich nach dieser Saison mehr oder weniger wegen etlicher Rücktritte auf. Deshalb waren wir alle mega-happy, noch einmal den dritten Platz geholt zu haben", so Hengel.

Ab Herbst zum Studium nach London

Pläne für die Zeit nach dem Leistungssport gibt es auch schon. Ab Herbst wird er in London ein Master-Studium im Management aufnehmen. Damit kehrt er an den Ort zurück, an dem er vor vier Jahren die Olympischen Schwimmwettkämpfe im Aquatic Center verfolgte und seinem Kumpel Philip Heintz die Daumen drückte. Nicht ausgeschlossen, dass er in der zurückgebauten, aber immer noch imposanten Anlage dann ebenfalls seine Bahnen ziehen wird, kündigte er an: "Vielleicht schwimme ich in England noch für eine Universitäts-Schwimmteam . Ich muss mich ohnehin noch eine ganze Weile sportlich betätigen und abtrainieren."