Leichtathletik: Äthiopischer Lauftrainer Yirefu Birhanu von Jörg Müllers Methodik stark beeinflusst.

(crl). Yirefu Birhanu ist einer der erfolgreichsten Lauftrainer in Äthiopien, dessen Marathonläufer seit nunmehr zwei Jahren die großen Stadtmarathons dieser Welt beherrschen. Sein Weg zu den Olympischen Spielen führte auch über Dornstetten.

Begonnen hat Birhanu seine Laufbahn 2007. Damals bekam er die Chance, beim Baltimore-Marathon zu starten, welchen er auf Anhieb in neuer Streckenrekordzeit gewann. Nach diesem Erfolg stand für ihn das Jahr 2008 ganz im Zeichen der Olympischen Spiele in Peking. Als Qualifikations-Marathon hatte der äthiopische Verband damals den Marathon in Seoul im März bestimmt, in dem er als Dritter ins Ziel kam.

Doch zwei Monate vor den Olympischen Spielen verspürte Birhanu während eines langen Ausdauerlaufes über 45 km ein Stechen im Knie. Letztenendes waren die Schmerzen so groß, dass sich Birhanu entschied seinen Start bei Olympia abzusagen. So erhielt sein Ersatzmann und guter Freund Tsegaye Kebede die Chance auf einen Olympiastart. Und Kebede nutzte seine Chance eindrucksvoll mit dem Gewinn der Bronzemedaille .

Doch für Birhanu begann eine Odyssee ohne Gleichen. Nach seiner Reise in die USA wurde er von Arzt zu Arzt gereicht und keiner konnte ihm wirklich helfen. So entschied er sich dann Ende 2010 seine Karriere endgültig abzuhaken und kehrte heim nach Äthiopien. Über Facebook war er damals bereits seit längerem mit dem Dornstetter Läufer Christian Lenk in Kontakt, der unter anderem Birhanu in seiner Athleten-Datenbank pflegte. Lenk war damals aufgefallen, dass es keine Ergebnisse mehr von Birhanu gab und hakte direkt nach, was da los sei. Birhanu erzählte ihm daraufhin seine ganze Geschichte.

Lenk hatte in jener Zeit selbst zwei Knieoperationen hinter sich, die beide erfolgreich verlaufen waren. So entschlossen sich die beiden Lenks Freiburger Arzt Dr. Ogon zu fragen, ob er Birhanu auch behandeln könnte. Ogon sagte zu und von da ab ging alles ganz schnell. Keine vier Wochen später, im Juli 2011 kam Birhanu nach Dornstetten um sich der nötigen Behandlung an der Uniklinik Freiburg zu unterziehen.

Reise nach Dornstetten als Neuanfang

Doch bereits die ersten Untersuchungen machten wenig Hoffnung und die Diagnose war niederschmetternd: Knorpelschaden höchsten Grades. Ogon selbst gab zu, er könne sich nicht vorstellen unter welchen Qualen Birhanu gelitten haben musste. Birhanu war zwar nach der OP schmerzfrei, aber schnell laufen würde er nie mehr. Doch er ließ den Kopf nicht hängen und schmiedete neue Pläne während seiner zweimonatigen Reha in Dornstetten. Sein Gastgeber Lenk nahm ihn jeden Abend mit ins Training zur Läufergruppe um Erfolgstrainer Jörg Müller. Und Birhanu war begeistert von dessen Fachwissen, seiner harten aber dennoch freundschaftlichen Art den Athleten und ihm gegenüber, seiner Trainingsmethodik und den Trainingsprogrammen, die Müller Woche für Woche individuell für seine Athleten strickte. Jeden Abend nach dem Training im Dornstetter Stadtwald oder im Freudenstädter Stadion nahm sich Birhanu die Zeit, alle Details des Müller’schen Trainingssystems haargenau in seiner Muttersprache Amharic zu notieren.

Nach insgesamt sechs Monaten bis April 2012 in Dornstetten hatte Birhanu letztendlich eine umfangreiche Studie über Müllers Training erstellt, die er mit nach Äthiopien nahm. Dort wollte er wie Müller in Dornstetten eine Läufergruppe aufbauen. Der Erfolg ließ nicht lange auf sich warten. Eine kleine Schar von sechs bis acht hoffnungsvollen Athleten gesellte sich um Birhanu, die recht talentiert war und schnell bei diversen Straßenläufen der Welt auf sich aufmerksam machte.

Seinen ersten internationalen erfolg feierte die Gruppe um "Coach Yirefu" durch Yemane Tsegay, der 2015 bei den Weltmeisterschaften in einem tollen Rennen die Silbermedaille erlief. Es folgten unter anderem der dritte Platz beim Berlin-Marathon 2015 durch Feyisa Lelisa, der Yirefu Birhanu die Nominierung zu einem der vier Trainer der äthiopischen Olympiamannschaft für Rio einbrachte. Gleichzeitig nominierte man Feyisa Lelisa für den olympischen Marathon, bei dem er als einer der heißesten Favoriten auf Edelmetall gehandelt wird.

Mittlerweile zählt Birhanu weit über 60 Athletinnen und Athleten zu seiner Gruppe die allesamt Weltklasseniveau haben. Mit seiner Kombination der Erfahrung als Weltklasse-Marathonläufer und den Studien des Dornstetter Trainings schreibt Birhanu bereits jetzt Sportgeschichte, die mit einer Medaille bei den Olympischen Spielen in Rio durch seinen Athleten Feyisa Lelisa einen weiteren Höhepunkt finden könnte.